Espresso und Gastfreundschaft: Behzad Azamat Espresso und Gastfreundschaft: Behzad Azamat
Foto: Peter Leßmann

Draußen

Espresso und Gastfreundschaft: Behzad Azamat

„An mir ist vermutlich ein Gärtner verloren gegangen“, schmunzelt Behzad Azamat, als wir ihn kurz vor unserem Interview beim Bestellen von massenhaft Blumen bei einem seiner Marktnachbarn „erwischen“. Es ist der letzte Tag seines Restaurants La Provincia im Wienburgpark. Und an Blütenpracht wird es auch an diesem Mittwoch Ende September nicht mangeln, genau wie an allen anderen Tagen der vergangenen dreizehneinhalb Jahre in diesem gemütlichen und inspirierenden Kleinod im Grünen. Aber das ist eine andere Geschichte, heute geht es eigentlich um Behzads Kaffeestand Café e più … Einem Verwandten vierten Grades (der heute sein bester Freund ist) haben wir es zu verdanken, dass Behzad, geboren im Oktober 1963 im persischen Shiraz und im Alter von 23 Jahren als Asylbewerber in Bayern gestrandet, nach Münster kam. Das war 1988. Da damals die Studieneinordnung abhängig von den Vorerfahrungen in der Heimat vorgenommen wurde, landete Behzad hier in Physik- und Informatik- Kursen und befand nach einiger Zeit: „nicht das Richtige – macht mich unglücklich.“ Er wechselte zu Jura. Ein Glück, denn da war unter anderem diese sehr nette Studentin, die sich in jeder Vorlesung direkt hinter ihn setzte. „Ich konnte Dich gut riechen!“, antwortete sie einige Zeit später auf die Frage, warum sie damals seine Nähe suchte. Inzwischen ist sie längst Anwältin – und Behzads Frau.

Bei Behzad selbst klappte es nicht mit dem Jura-Abschluss, es fehlte an entscheidender Stelle ein halber Punkt. Aber aufgeben gilt nicht – so Behzad. „Es gibt jetzt drei Wege, habe ich mir damals gedacht: 1. Flucht nach vorn – etwas Mutiges starten, 2. dem Staat auf der Tasche liegen, 3. Taxifahren.“ Man ahnt es schon, Behzads Flucht nach vorn war der Wochenmarkt: Den kannte er schon durch einige Jahre als Aushilfe am Olivenstand. Auf die feuerrote Ape stieß er auf einer Messe. Witzige Anekdote am Rande: Versichert wurde die 7-PS-Kutsche als LKW, die Anmeldung als Dreirad, Motorrad oder Auto scheiterte damals. Am Samstag, dem 2. November 2002 flossen die ersten Espressi auf dem Wochenmarkt in Behzads Tassen. Über 18 Jahre ist das jetzt her, Café e più ist nun quasi volljährig.

Behzad Azamat Foto: Peter Leßmann
Als studentische Hilfskraft passte Behzad Azamat Anfang der 1990er Jahre auf, dass seine Jura-Kommilitonen keine Zeitschriften klauen. Einige davon sind heute als Staatsanwälte und Richter an jedem Markttag bei ihm zum Kaffee zu Gast.
Deko im Café e più Foto: Peter Leßmann
Detailverliebt, sinnlich, ehrlich – Das Café e più ist von Behzad Azamats Persönlichkeit geprägt.

Münsterkenner wissen, was Behzad nebenher in den vergangenen Jahren auf die Beine stellte: Das La Provincia, die Orangerie im Botanischen Garten, das Le petit Château dort, wo heute Herr Hase sein Café hat: Viel, viel Energie, Kreativität und Unternehmerleidenschaft flossen in die verschiedenen gastronomischen Betriebe, die alle mit besonderem Charme und außergewöhnlicher Gastfreundschaft (und immer neben dem Marktstand her) betrieben wurden. Ein Schlaganfall im Oktober 2010, also vor über zehn Jahren, war das erste große Warnzeichen, das Behzad unmissverständlich zeigte, dass 380 Arbeitsstunden im Monat deutlich zu viel sind. Kürzer treten? Das ist schwer für einen, der qualitätsverliebt nicht den billigsten, sondern den besten Wein zum Hauswein kürt und der jeden Gast wie in der Übersetzung aus dem Persischen „als Vertreter Gottes“ sieht.

Schöne Überleitung zum Café e più, über das wir hier ja heute eigentlich berichten möchten: Um 1.30 Uhr beginnt an jedem Mittwoch und Samstag der Arbeitstag für Behzad, um 2 Uhr rollt die Ape auf den Domplatz. „Wie immer?“ lautet die Ansprache dann ab dem frühen Morgen bis in den späten Mittag, denn das Team von Café e più kennt seine Stammkunden und ihre Wünsche vom Doppelten Espresso bis hin zur Nussecke. Das Fingerspitzengefühl für Menschen und ihre Stimmung ist dabei genauso wichtig wie die Qualität der Kaffeebohne und die Barista-Skills: Möglicherweise gehören daher das Schlangestehen und das gute Wort dabei hier genauso dazu wie das vertraute Zischen der Dampflanze an der Espressomaschine.

Gäste im Café e Piú Foto: Peter Leßmann
Auf den Inhalt kommt es an. Das gilt für Gespräche und Kaffeetassen. Untertassen hat Behzad Azamat übrigens seit einiger Zeit aus ökologischen Gründen abgeschafft: Weniger spülen, weniger Wasserverbrauch: sein kleiner Beitrag.

Kinder, Hunde, Alte, Junge – alle suchen die Nähe Behzads, vermutlich können auch sie seine Art „gut riechen“ (bei den Hunden könnte es auch an den Leckerli liegen). Und selbst die Aushilfen sind von ungewöhnlichem Format: der ehemalige Bänker Olivier und die Rentnerin Marita sind die besten Beispiele dafür, dass das Gastgeber- Dasein Freude macht – auch Behzads und Gabis Söhne Sam (19) und Kean (15) tummeln sich immer mal helfend am Stand.

„Und jetzt?“, fragen wir Behzad, der mit „nur noch Café e più“ demnächst auf viel mehr Freizeit hoffen darf. „Ich werde meine Frau ganz neu kennenlernen“, vermutet er augenzwinkernd. Sie träumt von einem Segelkurs mit ihrem Mann, er zudem auch vom Motorradführerschein. „Wir werden sehen!“, lacht Behzad, winkt einem Kind, sammelt drei Tassen ein, grüßt die ältere Dame am Nebentisch und ist schon wieder im Gewusel seines Café e più verschwunden.

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