Architektur
Der Kaffeeliebe-Campus
erschienen in Münster! No. 105
,,Was wollt Ihr mitten im Gewerbegebiet?“ Diese Frage haben Sandra Götting und Mario Joka nicht nur einmal gehört. Und tatsächlich, wer die Roestbars in Münsters Innenstadt kennt, der verbindet mit ihnen vor allem auch eine Bereicherung in Sachen Urbanität. Wobei: Die Roestbar am Bohlweg, viele Jahre lang ungewöhnlicher Attraktionspunkt zwischen Bahnlinie, Tankstelle und Discounter, gab schon eine Idee davon, wie unerwartete Orte durch Kaffeeliebe aufgewertet und als Oase entdeckt werden können. (Viele haben es schon mitbekommen, die Roestbar am Bohlweg wurde inzwischen geschlossen, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde. Leider! – wie das Roestbar-Team bedauert. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Nun geht es also um den neuen Kaffeeliebe-Campus mitten im Industriegebiet, in der Nähe von Schnellrestaurant und TÜV, von „hidden champions“ und Autohäusern, Baumärkten und Boulder Factory. Mitte August 2021 war es soweit: die Türen und Tore wurden geöffnet, der Kaffeeduft zog durch den frisch angelegten Garten und das Leben im Gewerbegebiet wurde um so manchen Charme bereichert.
Orte neu denken
„Orte neu denken“, das können Sandra und Mario gut. Sie haben ganz bewusst auf dieses Pferd gesetzt und möchten hiermit auch ein Zeichen setzen in unserer wachsenden, sich stetig verändernden Stadt, die bei all der beneidenswerten Grundstruktur auch immer Umdenker, Neugestalter und Weiterformer braucht. Nicht umsonst wurde das Roestbar-Team im Herbst 2019 mit dem Wirtschaftspreis der Stadt Münster ausgezeichnet: eine Würdigung, die auch an den Innovationsgeist und den Verdienst um ein ordentliches Stück Stadt-Genusskultur anknüpft. Zurecht.
Familienzusammenführung
Nun also: Familienzusammenführung an der Rudolf-Diesel-Straße! Waren die Roestbar-Gründer und ihr Team nämlich in den vergangenen Jahren ganz viel auf ihren Rädern von Haus zu Haus unterwegs, um die verschiedenen Gewerke des Unternehmens zusammenzuhalten (Verwaltung an der Hörsterstraße, Rösterei am Bohlweg usw.), so ist es ihnen nun gelungen, auf dem neuen Roestbar-Campus Platz für alle zu schaffen. Die Kaffeehäuser am Theater, an der Nordstraße im Kreuzviertel, an der Rothenburg und in der Domgasse bleiben freilich erhalten, ein Glück! Alles andere aber, also Büro und Logistik, Verwaltung und Lager, Rösterei und Konditorei, Kaffeeschule, Cupping Raum und ein neues Kaffeehaus direkt mittendrin sind nun auf dem neuen Campus zu finden. Und das natürlich wieder mit ganz vielen neuen inspirierenden Impulsen versehen, so wie wir es schon von den anderen Roestbar- Kaffeehäusern, die immer ganz unterschiedlich gestaltet wurden und – oft ihrer Zeit voraus – von Skandinavien inspiriert und neu gedacht ausgestattet waren. Das erleben wir auch hier: Von der Außenbestuhlung auf der Piazza bis zu wahren „Eco Flowers“ Trockenblumen-„ Explosionen“ im Kaffeehaus selbst: So haben wir eine Roestbar noch nie gesehen. Wir mutmaßen mal: Die Gäste werden sich schockverlieben in dieses Kaffeetraumland im Gewerbegebiet!
Kaffee bleibt der Kern
Links außen Rösterei, rechts außen Sandras Büro. Mittendrin Konditorei mit Blick ins Kaffeehaus und umgekehrt. Die Grenzen sind fließend auf dem neuen Campus und das wird nicht nur praktisch sein für kurze Wege zwischen den „Abteilungen“, für Vertriebsund Anlieferwege, für die so wichtige Kommunikation: Es stärkt auch das Miteinander im über 50 Köpfe starken Team und natürlich das Miterleben der Gäste, die der Bohne, dem Kern des Geschäfts, nun noch viel näher sein werden – und die vor den eigenen Augen eine Ahnung davon bekommen, wie frisch gerade der Kuchen gebacken wird, den sie ein wenig später aufgabeln können.
Ein Riesenunternehmen, dieser Campus! Was dann doch nur im übertragenen Sinne gemeint ist, denn es ist gemütlich, kleinteilig, entspannt, bei aller Professionalität. Erst zum Jahreswechsel 2020/2021 gab’s den ersten Spatenstich, Mitte August 2021 war dann alles ready- to-coffee: Wie geht das bei so vielen Aufgaben auf einem 3.500 Quadratmeter großen Grundstück, das ja erstmal erschlossen und dann bis ins Detail entwickelt werden musste? Es geht! Gut sogar. Mit wachen Unternehmern, die viel selbst vor- und mitdenken (und täglich viele Stunden auf der Baustelle vor Ort waren) und echten Profis auf Bau- und Handwerksseite – vertrauten Partnern etwa, wie Sabine und Johannes Grimme, die wie bei den Roestbars zuvor den Innenausbau gestalteten (Anm. der Redaktion: Genau wie bei Kösters Wohnkultur).
Natur-Paradies im Gewerbegebiet
Akazien und Eichen, Apfel-, Birnen-, Pflaumen- und Marillenbäume säumen genau wie saisonale Blumen und bleibende Stauden den Campus, das Gärtnern gehört hier zum Konzept, eigene Kräuter für die Verwendung in Konditorei und Stullenschmiede kann man ja schließlich auch selbst ziehen, oder? Einen breiten Grünstreifen am Grundstücksrand „mussten“ Götting und Joka mitkaufen. Das wilde Grün scheint ihnen aber ein Vergnügen zu sein. Ist eben Einstellungssache! Gut so. Apropos Einstellung: Möbel, die aus vorherigen Immobilien nun „übrig“ sind, werden hier auf dem Campus ganz selbstverständlich weitergenutzt. Sandra Göttings Büro etwa ist damit ausgestattet. Weil die guten Holzunikate noch immer wunderschön sind und weil es Sinn macht. Logisch, oder? Apropos Holz: Im Kaffeehaus innen, das bewusst einen luftigen Kantinencharakter erhalten hat, herrscht Red American Elm, amerikanische Rot- Ulme, vor. Schön! 48 Sitzplätze sind hier innen zu besetzen, außen sind es ähnlich viele, teilweise unter einer wunderschönen Scherenmarkise, die auch Schutz vor Wetter bietet. Auf dem Campus werden auch kleine Geschenke und Mitbringsel zu ergattern sein: Keramik aus einer Cloppenburger Töpferei, Houe Gartenmöbel und natürlich: Kaffee – der immer noch Kern aller ausschweifenden und inspirierenden Ideen der Roestbar ist.
Nun aber hin da – der Roestbar Campus ist komplett barrierefrei, mit eigenen Parkplätzen für Autos und Fahrräder (auch für die begehrten Job-Bikes des Teams), E-Ladestationen und so viel Service und Inspiration, dass sich das Ganze auch ganz hervorragend als Ausflugsziel für die nächste Radtour (etwa am Kanal entlang) oder den Sonntagsauflug eignet. Definitiv: eine kleine Reise wert!