Architektur
Hideaway im Grünen
Viele unserer Leserinnen und Leser werden die alte Kaffeewirtschaft Haus Sebon noch kennen: Denn als es noch zu einem richtig guten Sommersonntag gehörte, zum Kaffeetrinken raus ins Grüne zu gehen, fahren oder radeln, da war Haus Sebon eines der bevorzugten Ziele. Ganze Familien setzen sich damals im feinsten Sonntagsstaat in Bewegung, um den einzigen freien Tag der Woche bei Kaffee und Torte und sicherlich auch gelegentlich bei einem Bier oder Schnaps unter alten Bäumen und zwischen saftigen Wiesen am Gremmendorfer Stadtrand zu genießen. Gastgeber waren über fünf Generationen die Sebons – von 1871 bis Anfang dieses Jahrtausends. Auch Architekt Rainer M. Kresing erinnert sich gut an die Ausflüge mit seiner Familie, die auf sonntäglichen Radtouren Haus Sebon ansteuerte und dort zu einer Rast einkehrte.
Ein mystischer Ort mit Geschichte
Thürs Busch stand seit jeher im Privateigentum des Hauses Lütkenbeck und blieb daher von Veränderungen durch Teilung verschont. Als vor gut 100 Jahren der alte Bestand mächtiger Eichen schlagreif war, wurde mit Buchen aufgeforstet, so wurde der „Busch“ zu einem der schönsten Laubwälder, die heute in Münster zu finden sind. Der Legende nach spukt es in diesem Busch noch immer! Hier büßt ein unredlicher Schneider oder Krämer mit einer glühenden Elle in der Hand als Strafe dafür, dass er mit falschen Maßen verkauft hatte. Von 1871 bis 2012 wurde die Bewirtschaftung über fünf Generationen von Familie Sebon übernommen. Seit 2012/13 ist das Objekt in der Hand von Architekt Rainer M. Kresing.
„Der große Garten mit vielen Biergartenstühlen und -tischen sowie einer großen Schaukel für bis zu acht Personen zwischen alten Kastanienbäumen und riesigen, teilweise gut 200 Jahre alten Rhododendronbüschen ist mir bis heute in Erinnerung geblieben“, erzählt Kresing. Und nicht nur die Schaukel aus der Kindheitserinnerung, grundüberholt und noch heute an Ort und Stelle, konnte der Münsteraner erhalten. Er horchte auf, als er vor gut zehn Jahren vom Verkauf dieses Kleinods hörte. Für einen Projektenwickler gestaltete er eine Umnutzungslösung mit mehreren Wohnteilen ähnlich wie beim Objekt Pröbsting in Handorf. Da aber die Kosten des Gesamtprojekts zu diesem Zeitpunkt nicht ganz zu erfassen waren – es gab einen immensen Reparaturstau – nahm der Projektentwickler Abstand. Was nun? Kresings Herzblut war inzwischen so groß, und die Beschäftigung mit dem Erhalt und der Umnutzung hatten in ihm ein professionelles, vor allem aber persönliches Feuer entfacht. Er entschied sich, das Objekt, das ehemalige Haus Sebon mit den dazugehörigen Flächen und Gebäuden – selbst zu erwerben, instand zu setzen und behutsam für eine sinnvolle und angemessene Neunutzung zu verwandeln.
Viele Gedanken kreisten fortan um die konkrete Umsetzung und die Möglichkeiten der Nutzung. Der erste notwendige Schritt war aber, die alte Hofanlage aus mehreren Gebäuden neu zu „ordnen“. Kresing beschäftigte sich intensiv mit historischen Bildern und Schriften zur Landschaft und zum Objekt, das half. Gebäude, die erst 1960 errichtet worden waren wie auch eine in der Wiese stehende marode Scheunenruine, wurden abgerissen, und so entstand Zug um Zug eine wieder funktionierende Hofanlage. Eine neu erstellte Remise bildet nun einen plausiblen Abschluss der Gebäudeformation.
„Unser Herzblut steckt in jedem Detail.“ Claudia und Rainer Kresing
Der älteste Gebäudeteil mit der alten Gaststube und dem Herdfeuer von 1761 ist heute von den Kresings privat bewohnt. Die anderen Gebäude zu restaurieren und dann einzeln zu vermieten oder gar abzuteilen stand für den Architekten außer Frage. So entstand die Idee, ein Hideaway für Gäste, Besucher der Stadt, kleine Tagungen, Events, Kurse und andere ähnliche Nutzungen zu erschaffen. Die landschaftliche Situation am Waldrand von Thürs Busch mit umliegenden Feldern und Wiesen sollte durch diesen Rückzugsort gewürdigt und anerkennend genutzt werden. „Der Seele des Ortes und dem Zeitgeist entsprechend“, so Kresing. Die alten Gasträume, vorher auch als Gesellschaftsräume genutzt, sowie die alte Kegelbahn (im Scheunengebäude) sollen nun für temporäres Wohnen genutzt werden. Hier ist nicht an kurze Hotelstopps, sondern eher an längere Verweildauer gedacht. Feel Home ist das Motto der komplett und von sicherer Gestalterhand liebevoll möblierten Wohneinheiten in verschiedenen Größen.
Hier können etwa internationale Universitätsangehörige ein Zuhause auf Zeit finden, ebenso naturliebende Gäste unserer Stadt, die ein paar Wochen oder gar Monate am Stadtrand Erholung und Inspiration suchen möchten, etwa in Lebenssituationen des Übergangs. Größere Unternehmen werden hier vielleicht ihre Führungskräfte in den ersten Monaten des Onboardings einbuchen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wobei eine gewisse Langfristigkeit durchaus gewünscht ist: Zahlreiche schnelle Ein- und Auszüge etwa für einzelne Wochenenden stehen eher nicht zur Debatte.
Viele Gedanken zur ergänzenden Nutzung sind derzeit angestoßen: Es gibt etwa die Möglichkeit, hier durch einen Trainer ein Angebot für Fitness und Gesundheit zuzubuchen und so inmitten der Natur ein entschleunigendes Programm zugunsten von Körper, Geist und Seele zu genießen. Neben den zehn abgeschlossenen Wohneinheiten von insgesamt etwa 600 Quadratmetern Wohnfläche und einem umgenutzten alten Feuerwehrhaus mit Turm, das als Ateliergebäude für viele Nutzungen denkbar ist, spielt vor allem die Natur die unangefochtene Hauptrolle dieses Kleinods. Wald, Wiesen, frische Luft, Spazierwege, dem Haus zugeordnete Terrassen und Grünflächen locken die Gäste des Hauses nicht nur nach draußen, sie vervielfältigen ihre Wirkung auch in die Räume hinein.
Auch wenn das Gesamtensemble bereits seit einigen Jahren mit viel Energie und Erfahrung neu aufgestellt wird, ist der Start der Neunutzung der zehn einzeln mietbaren Einheiten noch ganz frisch. Die Kresings hatten den Anspruch, alles erst einmal richtig „rund“ zu gestalten, bevor sie – ab jetzt – ihr Hideaway im Grünen mit Erholungs- und Auszeitsuchenden teilen. Für Ideen und Anfragen sind sie offen – eine Mail an anfragen@thuersimbusch.de ist der erste Schritt. „Das Ganze ist ein Versuch, behutsam und entspannt einen vielschichtigen Ort zu entwickeln, dessen Nutzung sich im Laufe der weiteren Realisation immer weiter verändern kann – also bestimmt unbestimmt, frei …“, so Rainer M. Kresing. Spannend!
Es gibt immer etwas zu entdecken: Münster und das Münsterland stecken voller Überraschungen. Und dazu gehört dieses Hideaway im Grünen ganz sicher. Aus einer historischen Kaffeewirtschaft ist in jahrelanger Detailarbeit ein behutsam weiterentwickelter Schatz geworden. Mögen viele Erholungssuchende hier einen Ort des Auftankens finden!