Architektur
„Cityfarm“ im herzen der stadt
Die berühmteste Wandlung eines trostlosen Raums zu einer lebendig-urbanen Fläche mit hohem Attraktionspotenzial dürfte der Umbau einer alten U-Bahntrasse am westlichen Rand Manhattans zu einer grünen Flanierzone namens „Highline“ sein, die für New York-Besucherinnen und -Besucher längst zum Pflichtprogramm gehört. Nicht so lang wie die „Highline“, aber ähnlich trist wie diese vor ihrer Umnutzung dürften die Dachflächen hinter der Prinzipalmarkt-Bebauung zwischen Michaelistor und Domgasse sein. „Zweitausend Quadratmeter trostloser Zwischenraum“, charakterisiert der münstersche Architekt Marco Piehl das Areal mit Hinterhofcharakter. Piehl, dessen Studio im ersten Stock am Prinzipalmarkt 36 liegt, schaut täglich auf das Mischmasch aus Dachfenstern, Kiesflächen und Lüftungsanlagen.
Piehl gehört zu einer Initiativgruppe, die unter dem Namen "Human City" agiert, und Stadträume neu inszenieren will. Genau hier, im Studio des Architekten und mitten in der guten Stube Münsters, will die Gruppe Menschen zu „urbanen Übungen“ einladen. „Das sollen keine Nachhilfestunden werden, sondern Beteiligungsprozesse“, wird Piehl in den Westfälischen Nachrichten zitiert. Besonders hat es die Gruppe auf Ideen abgesehen, bei denen sich ohne große Bauinvestitionen nachhaltige Effekte erzielen lassen. Ein buchstäblich naheliegendes Beispiel für diesen Ansatz fand Piehl mit der funktionalen Dachwüste direkt hinter dem geplanten Showroom. „Ein Wiederbelebungsversuch“ sei die Idee, so Piehl. Der Architekt hat die Cityfarm nicht nur visualisiert, sondern sogar bereits durchrechnen lassen. „Die Begrünung von Dachflächen erfordert keine großen Investitionen“, berichtet der Münsteraner. Auch die „Wartungsstege“, die es braucht, um die Flächen zu verbinden, sind keine große Operation. Weil die Dächer zusätzliche Lasten nicht vertragen, müssen die Stege von Mauer zu Mauer aufgestützt werden. Aus Sicht von Statikern machbar.
Schließlich gilt es noch die hässlichen Be- und Entlüftungsanlagen in Prothesen-Grau neu zu gestalten. Ein farbiger Anstrich ist nach Piehl eine Option. „Oder man überzieht die Schächte mit Gaze und erhält so skurrile Formen", beschreibt Piehl eine weitere Option. Größere Pflanzentröge sind temporär ebenfalls denkbar. „Mit diesen Schritten wird aus einer Wüste schon ein urbaner Raum“, so Piehl. Was der Architekt meint, veranschaulichen die Entwürfe: Die überplanten 2.000 Quadratmeter sind in der begrünt gestalteten Variante hochgradig attraktive Flächen, erst Recht im direkten Vergleich zum Ist-Zustand. Begehbar würden die Dachgärten durch die rückseitigen Eingänge der Einzelhändler im ersten Obergeschoss. Würde es gelingen, alle Dachflächen durch Laufstege zu verbinden, ergäbe sich eine Art Mall als Pendant zu den Bogengängen auf der anderen Seite am Prinzipalmarkt.
Alle Grundstückseigentümer für die Sache zu gewinnen, ist für Piehl ein langfristiges Projekt. „Es gab bei einigen Begeisterung, aber auch Skepsis“, berichtet Piehl. Eine grüne Einkaufsmeile ergäbe sich vor allem dann, wenn man die Route durch die Dachgärten über das Michaelistor oder die Domgasse erschließen könnte. Das ist für Piehl ein weiterer Ausbauschritt. Noch eine Nummer urbaner werde das Ganze, wenn die Wege als privater Raum nicht nur während der Öffnungszeiten der Geschäfte begehbar seien, sondern darüber hinaus. Eine lebendige Diskussion angestoßen hat Piehl bereits mit seinen Ideen. „Es laufen interessante Gespräche mit Hauseigentümern“, berichtet der Architekt.