Gewürzmischungen von Pollak Gewürzmischungen von Pollak
Foto: Peter Leßmann

Nachhaltig & Regional

Aromen aus aller Welt

Schon ihre Oma väterlicherseits handelte mit Kräutern und hatte „tausendundeine Geschäftsidee“. Den Stand für Kräuter, Tee und Gewürze übernahm Angelika Pollak aber von ihren Eltern Adolf und Alma Pollak. Die älteste Standgeldquittung des kleinteiligen Unternehmens auf dem Wochenmarkt stammt von 1948 – seit exakt 70 Jahren betreibt die Familie hier diese Art von Handel.

Adolf Pollak hatte in seiner Jugend eine Kramerlehre absolviert. Da sein Lehrherr „meist besoffen“ war, musste er so gut wie alles in seinem Ausbildungsbetrieb wuppen. Und so ein Kramer, der hatte halt Vieles, vom Schnürsenkel bis zum Rohfisch. Von Beginn an und im Laufe seines Lebens handelte Adolf Pollak also mit so ziemlich allem: in eigenen Unternehmungen dann auch mit Stoff und Wolle, Obst und Oliven und mit Feinkost aus dem Ausland, wie etwa Sojasauce (damals noch sehr ungewöhnlich hier), die so scharf war, dass Pollak beim Umfüllen und Verlängern, um sie verzehrfertig zuzubereiten, eine Atemmaske tragen musste. 

Der Pollak Marktstand für Gewürze Foto: Peter Leßmann
Knapp zehn Meter Warenvielfalt, etwa 600 verschiedene Produkte, davon allein 20 Curry-Mischungen – und alles ist ganz exakt in die Breite, Höhe und Tiefe der Standkonstruktion gepackt.

Die sinnvolle Konzentration auf Lebensmittel erkannte übrigens Adolfs Frau Alma: „Auch in der größten Not möchten die Menschen essen, trinken und feiern“, sagte die heute 90jährige oft. Die Pollaks arbeiteten sich in die von ihnen erkannte Marktlücke ein. Und besetzen sie bis heute mit Sachverstand, Fingerspitzengefühl, feiner Nase und (Stammkunden wissen das): Humor.

Sieben Töchter und ein Sohn: Viele Mäuler wollten von Adolf und Alma gestopft werden. Ältere Marktkunden erinnern sich vielleicht noch an das kräuterkundige Ehepaar (er sah ein klein wenig aus wie die Seventies-TV-Figur „Catweazle“, das dürfen wir so schreiben), das auch zu Gesundheitsthemen stets eine Weisheit mitbrachte – lange träumte Adolf Pollak, der vor knapp 20 Jahren verstarb, davon, eine Ausbildung zum Homöopathen zu absolvieren und ein Buch zu schreiben, um sein Wissen zu vertiefen und weiterzugeben. Dazu kam es nicht, aber sein Unternehmen wurde nach seinem Ausscheiden von Tochter Angelika „gut von Papa informiert“ nahtlos weitergeführt.

„Lern viele Berufe, Du weißt nie, was kommt“, diesen (aus unserer Sicht heute noch hochaktuellen) Tipp ihrer Eltern verfolgten die Pollak-Kinder, Angelika etwa hatte Damenschneiderin und Industriekauffrau gelernt. Für das elterliche Unternehmen sattelte sie noch einen Drogistenschein und die notwendige Sachkundeprüfung auf. Und da steht sie nun: Sehr fern von ihrem ursprünglichen Berufswunsch „Staatsanwältin“, sehr nah dran an den Menschen.

„Die Markttage selbst sind Erholung, Unterhaltung und Inspiration.“ Angelika Pollak
Aufbewahrung der Gewürze in Schuhkartons Foto: Peter Leßmann
Ideale Aufbewahrung: Seit Jahrzehnten stellt das Schuhhaus Zumnorde das perfekte Packsystem für Pollaks Ware. Leicht, stapelbar – und bei Verschmutzung auszutauschen.

Wenige ausgewählte Lieferanten, ausschließlich exzellente Qualität, keine Kompromisse: Das Erfolgsrezept stammt schon aus der Elterngeneration. Überhaupt hat sich wenig geändert: Bestell-Listen werden heute zwar digital erfasst und gemailt anstatt von Hand geschrieben und durchtelefoniert, aber das Abwiegen und Etikettieren, das Umpacken und Sortieren ist immer noch Handarbeit und Augenmaß. Lieferungen kommen am Lager an und das ist bei der 90-jährigen Alma Pollak: Sie nimmt die Pakete und ihre Boten freundlich in Empfang, hakt ab, hat den Überblick. Die Paletten können schon mal 500 bis 600 Kilo wiegen, liegt halt immer dran, was drin ist: 100 Kilo Eisenkraut sind sperrig, 100 kg Salz sind dagegen nur ein Kästchen. Abgewogen wird bis in die späten Abende hinein mit Feinwaage und geübten Fingern.

„Die Markttage selbst sind Erholung, Unterhaltung und Inspiration. Wir lachen viel mit den Kunden und Kollegen“, strahlt Angelika Pollak. Ja, das ist bekannt. Daher finden auch die Stammkunden wöchentlich und frühere Kunden bei ihren Münsterbesuchen an den Stand zurück: Exstudenten, die heute als Professoren wiederkehren, Ordensschwestern, die früher als Kind an der Hand der Mutter da waren, zu Geld gekommene, die sich vor Jahrzehnten zu schlechteren Zeiten über die zusätzlich zugesteckte Muskatnuss gefreut haben.

Feuchtigkeit, Kälte und Hitze sind die Feinde der Pollakschen Ware, andererseits ist sie vergleichsweise haltbar. Wenn Kollegen ihre nicht verkaufen frischen Fische am Ende eines Markttages zuweilen verwerfen, von der Sonne übertrocknete empfindliche Salate wegschmeißen müssen, dann heißt es bei Pollak für meisten Produkte: Schuhkarton zu – nächste Woche wieder auf. Tee, Kräuter und Gewürze können, vorausgesetzt sie sind ideal gelagert – „was ab“.

Schwätzchen am Pollak Marktstand Foto: Peter Leßmann
Immer für einen Spaß und auch für einen guten Tipp zu haben – am Stand der Pollaks entsteht schnell ein Gespräch, während die Tütchen mit „Chakalaka“, „Café de Paris“ und „Tasmanischem Bergpfeffer“ ihren Besitzer wechseln.
Getrocknete Chilischoten Foto: Peter Leßmann

Andererseits bestimmt der Weltmarkt so manches Detail: Für Pfeffer gelten Tagespreise und Vanilleschoten gibt es derzeit bei Pollaks gar nicht. Das Orchideengewächs aus Mexiko und Zentralamerika ist momentan einfach nicht in entsprechender Qualität handel- und bezahlbar. In Sachen Zimt schwört Angelika Pollak ausschließlich auf Ceylon-Ware – sie enthält wenig vom bedenklichen Cumarin. Für die Weihnachtszeit werden sicherlich auch Sternanis, Nelken und Kardamom wieder sehr gefragt sein.

Angelika Pollaks Lieblingsmischung jedoch ist ihr Chinagewürz – von kleinauf hat sie es mit Rindertartar, Ei, Zwiebel und Salz vermengt genossen. Ungewöhnliche Kombination? Ja, und darin liegt ein Konzept. Pizzagewürz etwa verwendet sie oft – obwohl sie quasi nie Pizza bäckt. Bei ihr aromatisiert es Gemüsepfannen. „Und Ihr glaubt ja gar nicht, was man alles mit Bruschetta-Gewürz aufpeppen kann!“, lacht die kundige Marktbeschickerin, für die ein Markttag um 4 Uhr in der Früh beginnt und häufig mit einem Besuch bei ihrer Mutter (und Vorgängerin am Stand) endet.

Zwanzig Jahre lang haben sie und ihr Partner Andreas („Mein Verkaufsheld!“) keinen Urlaub gemacht, jetzt gönnen sie sich zuweilen eine Pause und lassen mal drei Markttage ausfallen um im Norden, „wo es flach ist und wo man geradeausradeln kann“, frische Luft zu schnappen. Lange Tage krönt oft ein Becher vom Pollakschen Haustee, der auch „ein Lebensbegleiter“ für viele Kunden geworden ist. Erst für die schwangere, dann für die stillende Mutter, schließlich als erster Tee fürs Baby und so fort: Fenchel, Anis, Koriander, Süßholz, Kümmel und Dillsaat tun gut – bis ins hohe Alter. Heiß oder kalt getrunken beruhigt das Gemisch Magen und Darm, enthält viele Mineralstoffe und hat heilsame Wirkung. Das wusste schon Adolf Pollak, Angelikas Vater. Schön, dass er sein Wissen weitergegeben hat. Es steckt im Schuhkarton.

Curry Mischungen Foto: Peter Leßmann
Allein 20 Curry-Mischungen gibt es am Markstand Pollak zur Auswahl.

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