KiKaKu bei Nacht KiKaKu bei Nacht
Foto: Ute Friederike Schernau

Draußen

Vom Kiosk und der Kunst, ihn zu beleben

Dort, wo heute der KiKaKu-Kiosk seinen Stammplatz hat, war vor zwanzig Jahren noch ein Parkplatz. Die kleine Oase mit vier großen Linden ist quasi der Mittelpunkt aus fünf zusammenlaufenden Straßen in Münsters Südviertel zwischen Weseler und Hammer Straße. Ein Antrag auf Nutzungsänderung machte damals aus der Abstellfläche für Autos eine Aufenthaltsfläche für Menschen. Mit Kiosk. Und den betreibt seit „Tag 1“ im Oktober 1998 Fernando Menz, der damals kurz vor der Jahrtausendwende auch den Änderungsantrag stellte, um hier ganz einfach Menschen zusammenzubringen. Und natürlich um seine eigene Existenz mit dem kleinen, grünen, aus einem Metallcontainer mit Öffnungen bestehenden Kiosk zu sichern. Der gebürtige Chilene hatte sich zehn Jahre zuvor in die Stadt Münster verliebt und wollte diese nun noch ein wenig schöner machen. Was ihm gelungen ist, wie seine Stammkunden versichern. Sie steuern fast täglich die kleine Bude auf dem Hermannplatz an. Die Kinder, um auf den Barhocker vor der Luke zu klettern und sich einen „Colakracher“ zu organisieren, die Viertel-Hunde, um ein Hundeleckerli abzustauben, ihre Herrchen und die anderen Nachbarn, um ein Bier oder einen Kaffee (wenn es gut läuft, beides mit „Schäumchen“) zu genießen. Und vor allem um kurz oder länger mit Fernando oder eben auch anderen Gästen ins Gespräch zu kommen: Was im Viertel so los ist. Wie der Tag war. Und überhaupt.

Kioskbetreiber Fernando Menz Foto: Ute Friederike Schernau
Kioskbetreiber Fernando Menz.
Lage es KiKaKu Foto: Ute Friederike Schernau
Im Südviertel liegt der Kiosk, der zum Austausch und Miteinander einlädt.

Fernando kennt sie alle mit Namen, weiß, welches ihr Lieblingsgetränk ist, wer im Sommer „Nogger“ oder lieber „Colaeis“ mag, welche Zeitschrift der Nachbar von drüben und welche Zigaretten die Hübsche aus der Nebenstraße möchte. Sein KiKaKu könnte auch KiKaKo heißen für Kiosk, Kaffee, Kommunikation. Das Ku ist ein Überbleibsel aus der Zeit, als Fernando noch chilenisches Kunstgewerbe einer sozialen Kooperative seiner Heimat mitverkaufte. Das war eine schöne Idee, brachte aber nichts ein. Auch der Imbissgedanke, mit dem er Ende der 1990er Jahre gestartet war, wurde von seinen Gästen nicht angenommen. Es gilt: Gegessen wird zuhause, kommuniziert aber wird vorher oder nachher am KiKaKu. Wobei das nicht ganz stimmt: Denn etwa einmal im Monat organisiert Fernando für seine Stammgäste und alle, die Lust haben, ein Grillen oder ein Paella-Essen auf dem Platz – Vorbestellung erwünscht, die Portionen sind begehrt und lecker. Im Winter gibt es nach ähnlichem Konzept ein Glühweintrinken und Adventsliedersingen – mit dabei Blechbläser und Mitglieder der evangelischen Matthäusgemeinde um die Ecke. Und dann wären da noch die Aktionen wie etwa das „Rudelgucken“. Einfach herrlich. Da werden Sofas die Treppe runter auf den Platz getragen, Klappstühle gerückt, Trikots untereinander verliehen. Treffpunkt Fernando. Auf dem Platz. Am Kiosk. Genehmigt ist das nicht unbedingt immer. Eher spontan. Ein Kiosk-Flashmob quasi. Die Ordnungshüter schauen hier sowieso regelmäßig vorbei. Sie wissen, dass Fernandos kleine Verkaufsbude nicht nur eine „inoffizielle Außenstelle der Seelsorgeangebote“ unserer Stadt ist, weil die Menschen hier gerne ihr Herz ausschütten. Sie schätzen es auch, dass rund um den gutherzigen und liebevoll lächelnden Fernando eine gewisse Form von sozialer Kontrolle herrscht. Hier wird sich benommen. Und wer mal kurz drüber nachdenkt, das nicht zu tun, wird es sich unter dem ruhigen und vielleicht auch beruhigenden Blick Fernandos schnell wieder anders überlegen.

Sonne scheint auf das KiKaKu Foto: Ute Friederike Schernau
„Bei Sonne ist hier viel los. Meine Stammgäste kommen aber jeden Tag. Auch bei Dauerregen.“ Fernando Menz
Kioskware im Regal vom KiKaKu Foto: Ute Friederike Schernau
Schmucklos, einfach, unkompliziert. Wer hier etwas Glamouröses sucht, wird enttäuscht. Sucht aber auch keiner!

Fernando ist entspannt. Wenn mal keine Traube von Menschen rund um den KikaKu seinen Service in Anspruch nimmt, steht er hinter dem Tresen und kümmert sich um die Bücher, Steuern und Abrechnungen. Alles will schließlich seine Ordnung haben. Das ist in Deutschland sogar im Kioskgewerbe so. Und Fernando findet das gut. Er lässt den Blick über „seinen“ Platz schweifen, von den Bänken am Baum zur Litfaßsäule, von dort zur Telefonzelle, von da zum Schaukeltier, das die vielen Kinder, die hier regelmäßig spielen, lieben.

Der Kiosk ist Fernandos Leben. Sechs Tage die Woche, samstags ist zu. An zwei Sonntagen und einem Nachmittag im Monat wird Fernando von seiner Tochter Ingrid vertreten. Der studierte Elektroingenieur ist zufrieden. Wenn er sich etwas wünschen dürfte, dann wäre das ein Einsehen der Stadt, die Ausstattung des Platzes etwas zu überarbeiten. Ersatz oder eine Renovierung der fast zwanzig Jahre alten Bänke etwa, vielleicht etwas häufigere Leerungen der Müllbehälter oder einen Zuschuss für die Neugestaltung der Kioskaußenwände, die einst von Schülerinnen der benachbarten Marienschule (legal) gestaltet und immer wieder von vermeintlichen Graffitikünstlern (illegal) „weiterverziert“ wurden – der Lack ist nun sprichwörtlich ab. Fernando hofft nun auf Unterstützung für eine Renovierung. Gut, dass er von Natur aus geduldig ist. Wenn es die Zeit erlaubt, spielt er neben dem Kiosk eine Partie Schach, das beherrscht er meisterhaft. Gerne fachsimpelt er auch über die Leistungen seines Lieblingsfußballvereins, Werder Bremen. Noch häufiger aber ist er vor allem einfach da. Mit seinen Süßigkeiten, Zeitschriften und Getränken, mit dem Kiosk, dem Kaffee und der Kunst. Der Kunst, zuzuhören. Ganz einfach.

Schachspielen im KiKaKu Foto: Ute Friederike Schernau
Besonnen, geduldig, klug – seine Leidenschaft für Schach spiegelt auch vieles von dem wider, wie Fernando Menz seinen Kiosk führt.
Stammgäste des KiKaKu auf einem Foto Foto: Ute Friederike Schernau
Mit Stolz und Dankbarkeit zeigt uns Fernando das Foto-Geschenk seiner Stammgäste, das in jeder Hinsicht von besonderer Nähe zeugt.

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