Fassade des Café Bölling in Münster Fassade des Café Bölling in Münster
Foto: Christoph Nientiedt

Cafés

Schokocroissants mit Tradition

Wenn durch die Bäckergasse der Duft von frischen Franzbrötchen und schokoladigen Croissants zieht, kommt es vor, dass schon vor acht Uhr – und damit vor offizieller Öffnungszeit – die ersten Frühaufsteher beim Café Bölling an die Scheibe klopfen und fragen, ob schon etwas fertig sei. Wenn das der Fall ist, heißt es: „Klar, kommt rein!“. Das berichtet Johannes Nientiedt, neuer Inhaber des Cafés an der Bäckerstraße. Junge Münsteraner und vor allem Studierende werden nun denken: Café Bölling? In der Bäckergasse gibt es doch nur den „Kleinen Bäcker am H1“. Richtig, so hieß das kleine Lädchen bis zum Sommer dieses Jahres. Doch im Juli schloss die Bäckerei ihre Türen – es war Zeit für eine Kernsanierung, mit der die Bauunternehmung Nientiedt & Graf beauftragt wurde. Als Annette Söltenfuß, die das Traditionscafé bis dahin betrieben hatte, Johannes Nientiedt und Daniel Graf kennenlernte, bot sie diesen das Haus kurzerhand zum Kauf an. Und so wurde der „Kleine Bäcker am H1“ nicht nur durch die Renovierung, sondern auch durch ein neues Team einer Generalüberholung unterzogen – ohne dabei jedoch mit seiner langjährigen Tradition zu brechen.

Geschmückte Stühle vorm Café Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Kurz vor dem Ansturm: Pünktlich zu Semesterbeginn öffnete das Café Bölling nach der Renovierungsphase unter neuem (und doch altem) Namen seine Türen.

Die „Kaffeetante“ bleibt!

„Für uns stand von Anfang an fest, dass die Bäckerei als münstersche Institution und erste Anlaufstelle für Studierende erhalten bleiben muss“, berichtet der neue Inhaber Johannes Nientiedt. Das Konzept hatte sich schließlich schon seit 1960 bewährt: In unmittelbarer Nähe zum Hörsaalkomplex "H", dem Juridicum, der Universitäts- und Landesbibliothek und dem Schloss versorgt die Bäckerei seit jeher Studentinnen und Studenten mit dem Kaffee zum Wachwerden und der Nervennahrung für die Klausurvorbereitung. Über 35 Jahre lang stand Annette Söltenfuß, die das Geschäft 1995 von ihrer Mutter übernommen hatte, dafür vorm Backofen und hinter der Theke – und denkt auch jetzt nicht dran, damit aufhören. Darüber freute sich das neue Inhaberteam, und so ist die selbstgetaufte „Kaffeetante“ Annette Söltenfuß weiterhin an Board, tunkt jeden Morgen mit Liebe die Schokocroissants in die Kuvertüre und hält Pläuschchen mit ihren langjährigen Stammkunden. Zu ihrer Ehre kehrte die Bäckerei außerdem zu ihrem Ursprungsnamen zurück: Als Café Bölling hatte die Mutter von Annette Söltenfuß – geborene Bölling – das Geschäft bereits über Jahrzehnte erfolgreich geführt.

Johannes Nientiedt und Annette Söltenfuß Foto: Christoph Nientiedt
Ein strahlendes Duo: Für Annette Söltenfuß war es ein bewegender Schritt, das Haus zu verkaufen – aber durch die enge Zusammenarbeit mit dem neuen Inhaber Johannes Nientiedt und ihren weiteren Einsatz als „Kaffeetante“ fühle es sich nicht wie ein Abschied an.
Innenraum Café Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Die in die Jahre gekommenen Möbel der alten Bäckerei wurden ausgetauscht, und auch dem Boden rückten die Handwerke zu Leibe. So entstand eine höhere Aufenthaltsqualität.

Doch was hat sich denn nun überhaupt verändert im Café in der Bäckergasse? „Das Haus war, um es liebevoll auszudrücken, ein bisschen in die Jahre gekommen“, so Johannes Nientiedt, dessen Bauunternehmung auf Altbausanierung spezialisiert ist und deswegen genau die richtige für den Job war. „Im Grunde ist nur die Außenhülle stehen geblieben.“ Das Dach kam runter, die Fassade wurde saniert, die Estrichböden, Fliesen und die komplette Einrichtung flogen raus. Auch den Keller inklusive Lager und Gästetoiletten erneuerte Nientiedts Team. „Nach über 35 Jahren war alles etwas in die Jahre gekommen“, gibt auch Annette Söltenfuß zu. Zwei Monate gaben die Handwerker Vollgas, ein echter Marathon sei das gewesen, so Johannes Nientiedt. Bis um 14:45 Uhr am Eröffnungstag – pünktlich zu Semesterbeginn – waren die letzten Maler und Elektriker noch da, ab 15 Uhr kamen die ersten Gäste. Diese können sich jetzt, nach der Renovierung, über eine einladende Atmosphäre freuen, die durch neue Möbel, warme Farbtöne und viel Holz entsteht. Die kleinen Tischchen im hinteren Teil des Cafés laden zum Verweilen ein, an warmen Tagen können sich die Gäste auch im Hinterhof oder auf den Stühlen vorm Haus niederlassen. „Seit der Neueröffnung sehen die Menschen uns wirklich als Café. Während früher oft der Filterkaffee to go und das Brötchen auf die Hand über die Theke gingen, bestellen die Gäste heute häufiger unsere Kaffeespezialitäten und lassen sich damit hier nieder“, beobachtet Annette Söltenfuß.

Fassade Caf´é Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Den Schriftzug übernahmen die neuen Inhaber aus Gründungszeiten – mit ihm hatte 1960 schon Paul Bölling für seine Bäckerei geworben.
Theke und Mitarbeiterinnen im Café Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Die Mitarbeitenden heißen Studierende, Lehrende sowie alle anderen Münsteraner und Stadtbesucher willkommen.

Neue Einrichtung, bekannte Gesichter

Das Publikum im Café Bölling hat sich kaum verändert: Weiterhin sind es überwiegend Studierende, die kommen, um sich in ihren Pausen zu stärken oder in Freistunden mit Freunden auszutauschen. So kann es schon mal passieren, dass nach Vorlesungsende plötzlich 75 Leute auf einmal eines der berühmtberüchtigten Schokocroissants wollen. Kein Wunder – schon in der Orientierungswoche werde den neuen Erstis auf der Bäckergasse von ihren Mentoren erklärt: „Hier rechts sind eure vier Hörsäle im H1, und hier links ist euer fünfter Hörsaal, für die Pausen“, hört Johannes Nientiedt regelmäßig Studierende über das Café Bölling sprechen. Aber auch die Professoren und Dozenten schauen seit der Renovierung vermehrt vorbei – seit der Modernisierung scheint sich in der Bäckerei auch ein älteres Publikum wohlzufühlen. Dafür, dass trotz großes Ansturms zu den Stoßzeiten alles rund läuft, sorgt seit der Neueröffnung Anna-Lena Stieneker, die mit Expertise und Erfahrung im Gastronomiebereich als neue Betriebsleiterin das Ruder in der Hand hat.

Annette Söltenfuß, Anna-Lena Stieneker, Johannes und Jens Nientiedt im Café Bölling Foto: Christoph Nientiedt
Das neue Team im Café Bölling (v.l.): Annette Söltenfuß, Anna-Lena Stieneker, Johannes und Jens Nientiedt.
Gebäck im Café Bölling Münster Foto: Lotta Krüger
Donuts, Muffins, Franzbrötchen und die legendären Schokocroissants: Richtig gute Nervennahrung, wie Stammkunden sie kennen und lieben, gibt es im Café Bölling auch weiterhin.

Auch das Sortiment im Café Bölling wurde und wird in den nächsten Wochen noch ein wenig weiterentwickelt. Neben belegten Brötchen und süßen Leckereien – die Franzbrötchen sollen sogar besser sein als in Hamburg, wie eine Hamburger Kundin neidlos anerkannte – soll es bald auch ein wechselndes warmes Mittagsgericht geben. Das hatte es früher auch schon einmal gegeben – wie beim Namen kehrt das neue Café Bölling also gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück. An die 62-jähriges Geschichte erinnern auch einige Memoiren an der Wand im Eingangsbereich: Der Meisterbrief von Gründer Paul Bölling, Vater von Annette Söltenfuß, ein Zeitungsartikel zum 25. Geburtstag des Cafés und eine Urkunde für die sehr gute Qualität des Weizenmischbrotes geben einen Einblick in die Vergangenheit der Bäckersfamilie Bölling.

Tisch am Fenster im Café Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Ein Plätzchen in der Sonne finden Gäste direkt am Fenster im vorderen Cafébereich.
Memoiren an der Wand im Café Bölling Münster Foto: Christoph Nientiedt
Hier erzählen Memoiren von der Geschichte der Bäckersfamilie Bölling.

Auch in der Nachbarschaft freut man sich, dass die Tradition erhalten bleibt. „In die Bäckergasse gehört schließlich eine Bäckerei!“, hätten einige Anwohner erleichtert gesagt, so Nientiedt. Historiker vermuten, dass die frühere „Beckerstege“ ihren Namen tatsächlich trägt, weil hier die Zunft der Bäcker wohnte – ganz einig sind die Experten sich über die Namensherkunft aber nicht. (Hier lesen Sie mehr zur Geschichte der Bäckergasse, die mit Dichterin Annette von Droste-Hülshoff einst eine prominente Bewohnerin hatte! Außerdem können sich anschauen, wie der „Kleine Bäcker am H1“ vor der Renovierung aussah…)

So oder so freuen sich alle in der Umgebung, dass mit dem Café Bölling eine Anlaufstelle für Verpflegung und gemütliches Beisammensein erhalten bleibt. „Eigentlich ist alles so wie immer, nur schöner“, fasst Annette Söltenfuß die Neueröffnung abschließend zusammen. Sie und das gesamte Team freuen sich auf alle alten und neuen Gäste, die vorbeischauen: Studierende, Lehrende und Ehemalige, aber auch Münsteraner und Stadtbesucher ohne Uni-Bezug – auf das legendäre Schokocroissant können sich wohl alle einigen!

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