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Foto: Cornelia Höchstetter

Kunst & Kultur

Haus Hülshoff - ein Lebensprojekt

GUT ZUHAUS’

Als Familie Kröner den Gutshof Haus Hülshoff im Dezember 2008 von einer Cousine übernommen hatte, war das Ziel klar: Sie wollten ein soziales, wirtschaftliches und ökologisches Projekt auf Haus Hülshoff umsetzen. LaMuK taufte Familie Kröner ihr Projekt: Land, Mensch und Kultur. Christina Darge-Kröner erklärt ihre Idee: „Uns war von Anfang an klar: Hier muss Leben rein – und gleichzeitig sollte der Hof ein Zuhause und ein Ort zur Entfaltung von Kreativität und individueller Entwicklung sein.“ Um die Anlage wirtschaftlich zu erhalten, mussten möglichst viele Standbeine her. „Dabei sollten auch verschiedene Menschen die Möglichkeiten haben, eigene Projekte zu verwirklichen. Jeder Mieter sollte sich für die Gutsanlage einbringen“, ergänzt Christina Darge-Kröner. Zusammen mit ihrer Tochter Karoline Kröner und ihrem Mann Götz Kröner koordiniert sie das Projekt. Im Jahr 2008, zur Zeit der Übergabe, sah es wenig rosig aus: „Der Park war verwildert, die Bausubstanz schwierig. Prinzipiell stand hier eine denkmalgeschützte Ruine“, erinnert sich Christina Darge-Kröner. Um das Gutshof-Ensemble zu erhalten, begann die Familie mit der Renovierung des denkmalgeschützten Gutshauses. Es entstanden sechs moderne Mietwohnungen und die historischen Zimmer im Erdgeschoss. Diese Räume haben hohe stuckverzierte Decken, Holzdielen am Boden, Kamine und Kronleuchter, passend für vielfältige Veranstaltungen. Vor der Pandemie fanden Seminare, Feiern und Konzerte statt. Im vergangenen Sommer rief die Familie zusammen mit zwei Künstlern „Picknick“-Konzerte im Park ins Leben, die auch diesen Sommer wieder stattfinden. Am Tag des offenen Denkmals im vergangenen Jahr kamen 1.500 Besucher zu Haus Hülshoff.

Christina Darge-Kröner und Tochter Karoline Foto: Cornelia Höchstetter
Mutter und Tochter: Christina Darge-Kröner und ihre Tochter Karoline krempelten das Gutshofleben auf Haus Hülshoff um.

GESCHICHTE DES GUTSHOFES

Das alte Rittergut ist erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Vom Hof aus gab es einen Weg zur Burg der Grafen von Tecklenburg. Im 14. Jahrhundert übergab der Graf von Tecklenburg an einen Johannes Harde „das adelige Gut Hülshoff “. Im Jahr 1672 war der Name des Gutsbesitzers zu finden: Alhard Dieterich Harde zum Hülshoff und Wilckinghege – Namen und Vorfahren typischer Münsterländer Adelsfamilien. Letztgenannter war es auch, der mit seiner Frau Katharina von Keppel das Schloss Wilkinghege in Münster 1719 im Stil der Spätrenaissance umbauen ließ. 1883 wurde Haus Hülshoff an August Belli (1855–1941) verkauft, der von 1883 bis 1921 Landrat von Tecklenburg war und die Anlage zum Landratssitz umgestalten ließ. Der Landrat verkaufte den Hof an die Großeltern der Cousine, die schließlich Haus Hülshoff an Familie Kröner übergab. „Auch wenn vieles verfiel – weil lange Zeit keine Mittel für Renovierungen zur Verfügung standen – blieb am Ende das Gut so erhalten und wurde nicht im Modernisierungswahn abgerissen, wie andere historische Gebäude“, erzählt Christina Darge-Kröner. „So haben wir heute noch die mundgeblasenen Fenstergläser.“ Eine Erinnerung an die alte Zeit sollte das Türmchen auf dem Dach des Haupthauses sein. So etwas gab es früher auch, nur mit Glocke – die rief zu den Gottesdiensten oder zur Pause auf den Feldern.

Haupthaus Foto: Cornelia Höchstetter
Nach und nach wird restauriert. Das weiße Haupthaus ist fertig – das Türmchen auf dem Dach erinnert an den Glockenturm von früher.

ERHALTEN UND REPARIEREN

Einer der ersten Mieter brachte das passende Projekt mit auf den Hof: Cornelius Hüdepohl. Mit seinem Repair-Shop wendet er das Motto des gesamten Hofes auf einzelne Gebrauchsgegenstände an: Erhalten, Reparieren und Dinge zu neuem Leben erwecken. In seiner Werkstatt stehen seine Maschinen, auf mehreren Regalbrettern Marmeladengläser, gefüllt mit Schrauben und Nägeln aller Arten. Über der Werkbank und den 1.001 Werkzeugen baumelt eine Taschenuhr an ihrer Kette. Cornelius Hüdepohl repariert für Bewohner wie für Besucher auf Anfrage kaputte Staubsauger, Schubkarren, Petroleumlampen und vieles mehr. Für das Gutsgelände baute er Vogelhäuschen und dekorative aus diversen Gegenständen recycelte Windräder. Das macht er unentgeltlich, aber eine Kaffeekasse sorgt dafür, dass es fair zugeht. „Jeder gibt das, was es ihm wert ist“, erklärt Cornelius Hüdepohl. Der ehemalige Lehrer ist in Rente. Heute lebt er quasi die Fortsetzung seines Studiums „Werken“. Neben dem Werkeln betreibt er einen Refill-Shop für Bio-Wasch- und Reinigungsmittel, die in selbst mitgebrachte Behältnisse abgefüllt werden können. Die Gutshauswohnung mit dem Potenzial zur Selbstverwirklichung hat er über eine Anzeige im Internet gefunden.

Foto:
Posthorn Foto: Cornelia Höchstetter
Der Kutscher kennt den Weg – Hans-Jörg Siepert bläst nicht nur sonntags zur Abfahrt ins Posthorn.

MÜNSTERS LETZTE POSTKUTSCHE

Hans-Jörg und Marita Siepert gehören seit 2017 mit ihrer Postkutsche und den drei Kaltblutpferden Laif, Womble und Schorsch zum Haus Hülshoff. Gemeinsam mit den Pferdeleuten stemmte die Hofgemeinschaft im letzten Jahr eine Heuernte wie Anno Dazumal: Das lose Heu haben sie auf den Ladewagen gegabelt. Die Kaltblutpferde haben ihr Futter dann bis zur Scheune gezogen. Zu deren Aufgaben gehört es normalerweise, angespannt am Sonntag und an anderen Tagen an der „Abfahrtsstelle der Postkutsche“ auf Fahrgäste zu warten und diesen auf einer Rundfahrt um Tecklenburg das hügelige Münsterland zu zeigen. Dabei sitzen die Gäste auf weichen Polsterbänken und fühlen sich so viel bequemer als Wolfgang Amadeus Mozart auf Reisen im 18. Jahrhundert. Der Komponist schrieb damals über die Postkutschen: „Der Wagen …, der einem doch die Seele herausstößt.“ Wenn Sieperts Kutsche rumpelt und scheppert und die Hufeisen der Pferde im Takt klappern, klingt das in den modernen Ohren herrlich nostalgisch.

Seit 2018 bietet Hans-Jörg Siepert in historischer Post-Uniform und mit Posthorn diese Rundfahrten an. Vorher war der gelernte Maschinenschlosser in Greven zuhause. Seine Postkutsche ist ein echtes Original aus dem Jahre 1894 – „die Achsen und das Fahrgestell sind noch aus dieser Zeit“, sagt der Kutscher. Vieles andere hat er selbst nachgebaut und restauriert. Das Gefährt stand in Ochtrup bis ins Jahr 2005 vor dem alten Posthof, um an die alte Poststrecke zwischen Münster und Niederlande zu erinnern. „35 Jahre stand sie draußen, das bekam ihr nicht gut und lange hätte sie das nicht mehr ertragen“, sagt Hans-Jörg Siepert. Die Sitzpolster hat er getreu nach Zeichnungen aus dem Postmuseum Berlin erneuert. „Die Kutsche war auf der Postlinie Lengerich-Tecklenburg-Hopsten bis 1901 unterwegs und dann ab dem Ersten Weltkrieg bis 1954 als Paketwagen in Lage bei Detmold eingesetzt“ – mit Siepert geht man auf Zeitreise, so viel kann er erzählen – und hat er in seinem kleinen Museum in der Scheune zu zeigen.

Nur zwei Kutschen dieses Typs haben aus der preußischen Kaiserzeit bis heute überlebt. Eine hängt zerlegt als Kunstwerk im Eingang des Postmuseums Berlin – und die andere macht Rundfahrten von Haus Hülshoff aus. Platz ist für vier Erwachsene und zwei Kinder. Neben gebuchten Fahrten und Veranstaltungen startet die Postkutsche zwischen Mai und September an jedem Sonntag um 11 Uhr und um 12.15 Uhr am Haus Hülshoff. Die Fahrkarte kostet 24 €.

ZUKUNFTSMUSIK AGROFORSTWIRTSCHAFT

30 Hektar Land gehören zum Gutshof – die sind großteils noch verpachtet. Aber ab dem Jahr 2022 wollen Karoline Kröner und ihr Partner Till Schaardt gemeinsam mit Leonie Geef und Martin Refisch auf den Flächen „Agroforstwirtschaft“ betreiben. Schon jetzt haben sie auf einigen Flächen Bäume gepflanzt – Nuss- und Obstbäume. „Zum einen wollen wir Nussprodukte vermarkten“, erzählt Karoline Kröner, „zum anderen wollen wir zwischen den Baumreihen Grünland und Getreide anbauen oder ein Hühnermobil stationieren“. Agrarforstsysteme sind Kombinationen von Gehölzen mit Ackerkulturen und Tierhaltung, so dass sich gegenseitig Vorteile nutzen lassen: die Flächen bieten Platz für einen Artenreichtum, die unterschiedliche Nutzung stabilisiert den Wasserhaushalt und schützt den Boden vor Erosion. Die Produkte wollen die vier Landwirte dann über Haus Hülshoff vermarkten.

Foto: Cornelia Höchstetter
Eva Bohn Foto: Cornelia Höchstetter
Die gute Laune steckt an: Eva Bohn packt ihren Café-Gästen den Picknickkorb.

PROJEKT DER JANUSZ-KORZCAK-SCHULE

anSchuB heißt das Schulprojekt für Arbeiten und Lernen in Schule und Bauernhof. In einem neuen Anbau auf dem Gutsgelände treffen sich Schüler mit sozial-emotionalen Förderbedarf und Lehrer der Janusz-Korczak-Schule Ibbenbüren. Die Schüler kümmern sich um Hühner, Hunde Esel und Pferde und um die Gemüsebeete. Zwei Förderschullehrkräfte und ein Sozialpädagoge im Anerkennungsjahr sind mit dabei, unterstützt von einer Schulpsychologin der Schulberatungsstelle des Kreises Steinfurt.

 

DAS PICKNICK-CAFÉ

Eva Bohn packt eine Decke ins Körbchen und schickt ihre Café-Gäste mit Kuchen und Prosecco auf die grüne Wiese in den Park. Der Kuchen kommt von der Münsteraner Bio-Bäckerei Cibaria. Außerdem gibt es noch Muffins, Limonade, Regionales, Biologisches und mehr. Mein Picknick-Café ist das passende Konzept, das unter den Corona-Bedingungen funktioniert und das einfach zur Natur rundherum passt“, findet Eva Bohn. Eines Tages, wenn die Epidemie überstanden ist oder zumindest die Einschränkungen gelockert sind, soll das Café in den noch zu renovierenden alten Ziegenstall ziehen. Die Café-Betreiberin ist gelernte Hotelfachfrau und erfüllt sich hier nach vielen Gastronomie-Erfahrungen im In- und Ausland ihren Traum vom eigenen Café. Das Café ist geöffnet: Freitag 15–18 Uhr und Samstag/ Sonntag 10–18 Uhr, Wanderer können sich einen Korb zum Mitnehmen buchen.

DUFTENDES STEINOFENBROT

Man riecht sofort, wenn’s Freitag oder Samstag ist: Dann backt Gabi Peikert ihre Steinofenbrote und verkauft sie direkt neben dem historischen Ofen. In Kartons verpackt stehen die Eier der Gutshofhühner im Angebot, manchmal auch selbstgemachte Chutneys. Früher war es Gabi Peikert, die auf dem Haus Hülshoff die Landwirtschaft Betrieb. Sie hielt Bioland-Ziegen, verkäste die Milch und vermarktete den Käse. Heute sind Brotrezepte ihre Leidenschaft. Sieben bis acht Sorten backt sie aus biologischen Zutaten und aus echtem Sauerteig. Die Ofenklappe ihres Ofens aus Ziegelsteinen stammt sogar noch aus einer Bäckerei in Lienen. Die Backstube im Innenhof ist geöffnet: Freitag 17–19 Uhr, Samstag 10–14 Uhr

Foto: Cornelia Höchstetter
Wie das duftet! Gabi Peikerts Brote backen im Steinofen besonders knusprig.
Foto:

WINTERSTALL DER ANTL-SCHAFE

Die Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land e. V. (ANTL) hält eine Wanderschafherde. Deren Winterquartier ist die große Halle am Haus Hülshoff. Vom Besucherbalkon konnten im Frühjahr die Gäste 200 Lämmer beobachten. Inzwischen sind die Schafe um das Gutsgelände angeweidet und unterwegs im Dienst des Naturschutzes. Den Schäferstab hält der Tecklenburger Biolandwirt Chiel van Dyck vom Frecklinghof.

WEITERE BEWOHNER

Haus-Hülshoff-Bewohner Sebastian Gröne und seine Freundin leben auf Haus Hülshoff ihre Gärtnerleidenschaft aus: Kleine Gewächshäuser und Hochbeete liefern in den warmen Monaten frisches Gemüse für den Eigenbedarf. Hauptberuflich arbeitet Sebastian Gröne als Maurer, seine fachlichen Kenntnisse als Lehmbauer setzt er bei der Restaurierung der Gutsgebäude mit ein. Der Heilpraktiker Holger Raddatz hat sein Büro für Hörtraining auf das Gut verlegt – und hat damit eine besondere „Homeoffice“-Situation. Hofbewohner Daniel Wever ist Altenpfleger und bringt sich in das gemeinschaftliche Gutsleben als Tierpfleger ein.

Schafe Foto: Cornelia Höchstetter
Die Schafe vor dem großen Aufbruch im Frühjahr – im Sommer sind sie auf Wanderschaft.
Foto: Cornelia Höchstetter

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