aufgeschlagene Bibeln aufgeschlagene Bibeln
Foto: Bibelmuseum

Kunst & Kultur

Ein Fenster zur Forschung

Das Bibelmuseum in Münster als „öffentliches Fenster zur Forschung“, wie es der Kustos der Einrichtung, Dr. Jan Graefe nennt, die älteste von insgesamt acht Einrichtungen in Deutschland, die sich hauptsächlich mit der Bibel befasst und alle Kriterien erfüllt, um sich laut der Definition des Deutschen Museumbundes e.V. „Museum“ nennen zu dürfen.

VIEL GESCHICHTE – WENIG LICHT

Zusätzlich durchweht das Museum ein Geist von Mystik, Würde und Wissen, den wohl die wenigsten Gemeindehaus-Zimmer ausstrahlen könnten. Der große Raum, in dem sich über 1.500 Bibeln in geschätzten 500 Sprachen aus allen Zeitaltern der Bibelgeschichte Rücken an Rücken reihen, strahlt eine Erhabenheit aus, die demütig werden lässt. Verantwortlich für diese Atmosphäre – neben den Exponaten selbst – sind die Umbaumaßnahmen, wegen derer das Museum bis 2019 fünf Jahre lang geschlossen bleiben musste.

Der ehemals sonnendurchflutete Museumsraum verfügt jetzt über kein einziges Fenster mehr. Alle Bibeln, Siegelrollen, Ton- und Steintafeln sowie weitere, der jeweiligen Ausstellung angepasste Exponate, sind sorgfältig hinter zwei Glaswänden platziert, die jeweils ihre gesamte Raumseite einnehmen. „Fliegende Bibeln“, historische Exemplare, die an einer Halterung befestigt sind, sind an Stellen aufgeschlagen, die dem Thema der aktuellen Ausstellung entsprechen. In der Mitte des Raumes befinden sich Sitzplätze und Regale mit Bibeln, die auch angefasst und durchgeblättert werden können. Allerdings braucht, wer hier lesen möchte, gute Augen: Weil einige historische Bibeln sehr empfindlich sind, ist der Raum fast ausschließlich durch die kleinen Lampen beleuchtet, die die Exponate in den Vitrinen mit einer Stärke von je 35 Lumen erhellen.

Die Krippenszene Foto: Castello Sacon, Weihnachten, Bibelmuseum
Die Krippenszene, wie sie wohl die meisten kennen. Dabei war im ursprünglichen Bibeltext überhaupt keine Rede von „Ochs' und Esel.“
Eintrag Lutherbibel Foto: Bibelmuseum
Johannis 3, (17) 1546, Martinus Luther D. Widmung Martin Luthers aus dem Jahr 1546 in einer Bibel letzter Hand von 1544/45 – Bibelmuseum Münster. Martin Luther verstarb am 18. Februar 1546. In den letzten sechs Wochen seines Lebens schreib er diesen Eintrag.

ALTER TEXT IN HOCHMODERN

Das Bibelmuseum schafft es, neben all der Geschichte und Altertümlichkeit, die das Thema Bibel nun einmal mit sich bringen, den Bezug zur Moderne geschickt herzustellen. Eines der Instrumente, mit denen das gelingt, ist die virtuelle Führung, an der Besucher mittels einer VR-Brille teilnehmen und so einzelne Exponate noch detaillierter erleben können. Zudem ist es dem Bibelmuseum gerade erst gelungen, beim DigAMusAward mit 129 Teilnehmern eines der vier besten Digital-Projekte der Museen in der Kategorie Apps & Games einzureichen.

Und nicht nur im Bereich der Popkultur wird im Bibelmuseum auf modernste Technik zurückgegriffen. Eines der wertvollsten Exponate des Museums, ein Ziegel aus der Ausgrabungsstätte des historischen Turms zu Babel, steht dem Museum seit 25 Jahren zur Verfügung. Mit Computertomografen hat Graefe den Stein untersuchen lassen, denn in der Bibel steht: „Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel.“

„Mittels der Messungen, die wir an dem Ziegel vorgenommen haben, konnten wir nachweisen, dass es sich bei den schwarzen Elementen tatsächlich um ‚Erdharz‘ – also Bitumen (ähnlich heutigem Asphalt) – handelt. So haben wir einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bibeltext und konkreten, archäologischen Befunden hergestellt.“ Dieser Ziegel ist so eine Besonderheit, dass ihn Graefe auch über das Ende der Babel-Ausstellung hinaus und während der weihnachtlichen Ausstellung „Jesu Geburt“ zeigen will.

Das Team des Bibelmuseums Foto: Bibelmuseum
Sie halten das Museum am Laufen: hintere Reihe: v.l. Christiane Vachek B.A., Dr. Jan Graefe, Prof. Dr. Holger Strutwolf, Johannes Claßen, Jakob Heyman B.A. Vordere Reihe: v.l. Anna Klara Falke M.A., Miriam Görtz, Katharina Scholl B.A., Sarah Schöning, Laura Hochlow B.A.

NEUES KIRCHENJAHR – NEUE AUSSTELLUNG

In der Weihnachtsausstellung etwa waren die „fliegenden Bibeln“ auf den Seiten der Weihnachtsgeschichte aufgeschlagen. Aus allen vier Evangelien wurden entsprechende Bibelseiten gezeigt, denn immerhin ist diese Geschichte eine, bei der sich Markus, Matthäus, Lukas und Johannes zumindest grob einig waren. Worüber erstaunliche Einigkeit herrscht: „Ochs‘ und Esel kommen in keiner der ursprünglichen Varianten der Weihnachtsgeschichte vor“, sagt Graefe. Die seien nämlich erst ab dem sechsten Jahrhundert „dazu gedichtet“ worden. Dennoch gibt es selbstverständlich die gewohnten Darstellungen der Krippe, inklusive Nutztier, Hirten und Heiligen Drei Königen. Gerade zu den letzteren ist erst kürzlich erneut eine Rassismus-Debatte entflammt, an der sich auch das Bibelmuseum beteiligt. „Ebenso, wie wir regelmäßig über das Thema Antisemitismus sprechen, wenn es um Luther geht, müssen wir auch Rassismus thematisieren, wenn wir die mittelalterlichen Darstellungen der Heiligen Drei Könige zeigen“, bestätigt Graefe.

Neben dem Lernen soll auch das Mitmachen nicht zu kurz kommen. In der Weihnachtszeit veranstaltete das Bibelmuseum an allen vier Adventswochenenden Workshops, in denen Kinder sich kreativ mit der Bibel beschäftigen konnten. So standen die Gestaltung einer eigenen Bibel, das Basteln von Strohsternen, das Malen der Weihnachtsgeschichte auf Bibelfliesen und die Gestaltung der Weihnachtsgeschichte aus Playmais, das sind bunte Bausteine aus geschäumtem Maisgrieß auf dem Programm.

Eine gute Gelegenheit, mit den Jüngsten einmal das älteste Museum Deutschlands für das bekannteste Buch der Welt zu besuchen.

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