Cafés
Der Wiener Hase in Münster
Ein kleines Stückchen Wien im münsterschen Erphoviertel: Die Assoziation zu den traditionellen Kaffeehäusern der österreichischen Hauptstadt drängte sich schon bei einigen der ersten Gäste auf, die das neu eröffnete Café Herr Hase an der Ostmarkstraße betraten. Verschnörkelte Mosaikfliesen und die typischen Thonet-Stühle erinnern tatsächlich stark an die Wiener Kaffeehauskultur und sorgen hier für eine Art altbackene Gemütlichkeit. Dass das Interieur im Gesamtbild allerdings alles andere als altbacken wirkt, liegt an der durchdachten Kombination mit stilvollen Details – wie etwa handgefalteten Papierlampen aus Dänemark, einer modernen Theke und darüber schwebenden goldenen Leuchten. In jener schicken und zugleich harmonischen Umgebung können Besucher sich frisch zubereitete Kaffeespezialitäten aus eigener Röstung schmecken lassen – denn darum geht es bei Herr Hase eigentlich: Um richtig guten Kaffee.
Herr Hase, das ist eine kleine, aber feine Kaffeerösterei, die auf dem Hof Suttarp in Münster-Amelsbüren seit 2014 aromatische Bohnen röstet. Seit 2018 hat Herr Hase eine eigene Kaffeebar im Kreuzviertel, in der Gäste in Wohlfühl-Atmosphäre leckere Kaffeespezialitäten, kühle Drinks, selbstgemachten Kuchen und frische Sandwiches genießen können. Mit dem Café an der Ostmarkstraße wurde nun der zweite „Hasenbau“ eröffnet, der zum Verweilen einlädt. Die Ähnlichkeit zu den Wiener Kaffeehäusern ist kein Zufall: Herr-Hase-Gründer Sven Hasenclever ist ein großer Fan des österreichischen Konzepts. Die Idee, Elemente davon in einem eigenen Café zu übernehmen und in Kombination mit anderen Stilrichtungen etwas Neues zu erschaffen, schlummerte schon länger in ihm.
Startschuss fürs Projekt Wiener Hase
Dafür, dass aus der Idee Wirklichkeit wurde, sorgte ein Stammgast aus dem Herr Hase Café im Kreuzviertel: Der Architekt Fabian Holst vom studio eto, der auch an der Hochschule lehrt, schlug dem Hasenchef Sven vor, seinen Studierenden als Aufgabe zu geben: Entwickelt ein Café-Konzept in Anlehnung an die Wiener Kaffeehäuser, das die Philosophie von Herr Hase widerspiegelt. Dafür brachte Sven den Studierenden in Gesprächen näher, was hinter seiner Kaffeerösterei steckt – und diese legten los. Heute sieht das neue Café zwar nicht exakt aus wie in den Entwürfen der Studierenden. Aber dies war letztendlich der springende Verknüpfungspunkt, sodass Sven Fabian direkt anrief, als ihm das wunderschöne Objekt in der Ostmarkstr. angeboten wurde – und zusagte. Das Projekt Wiener Hase, so der Arbeitstitel, konnte beginnen.
Das Gebäude des neuen Cafés ist schon von außen eine Erscheinung: Pink angestrichen und mit Erker und Türmchen thront es an der Ecke Ostmark- und Dieckstraße. Mit der Farbe der Fassade musste sich Sven erst anfreunden, inzwischen findet er jedoch: Die Immobilie, in der vorher ein marokkanisches Lokal und davor die münstersche Institution Villa Medici beheimatet waren, passt ziemlich gut zur Idee. Als es nach der Sanierung an die Einrichtung ging, stand eines für Sven sofort fest: Thonet-Stühle müssen her. Dieses Design ist in den Kaffeehäusern in Wien der absolute Klassiker. Und so besorgte Sven, quasi als „Zitat“, drei echte Wiener Originale – das allererste Thonet-Modell von 1859. Die restlichen Stühle im Café entsprechen ebenfalls dem Thonet-Design, sind aber von 2018 – was der Optik allerdings keinen Abbruch tut.
Hasen-DNA und internationale Designhighlights
Neben den Mosaikfliesen, die ebenfalls an die Wiener Kaffeehäuser erinnern, steckt im neuen Café aber auch eine große Portion Hasen-DNA. Die Farbtöne, die Besucher schon aus der Gertudenstraße im Kreuzviertel kennen – allen voran das Markenzeichen Hasengrau –, wurden auch hier eingesetzt. Akzente wie die goldenen glockenförmigen Lampen über der selbstgeschreinerten Theke sind zwar auffällige Eyecatcher, aber durch die hohen Decken fügen sie sich unaufdringlich ins Interieur. Das recht reduzierte und gradlinige Mobiliar wird außerdem durch einige Pflanzen, für die sich Sven von Blumenfrau Elke Markwort beraten ließ, aufgelockert, was dem Café eine gewisse Heimeligkeit verleiht. Mit dem neuen Standort ist Herr Hase ganz nebenbei auch zum Showroom geworden: Das Regalsystem 606 von Vitsoe, ein Design aus den 60er Jahren von Dieter Rams, das in ausgewählten Lokalitäten besichtigt werden kann, ziert hier die Wände. Und schließlich gibt es ein weiteres Highlight, das bald folgen soll, aber aufgrund von Lieferengpässen noch ein wenig auf sich warten lässt: Die große Siebträgermaschine bekommt an den Seiten und am Rücken Glasscheiben eingesetzt, sodass Gäste ins Innere schauen und die Technik des Geräts beobachten können, während ihr Kaffee zubereitet wird.
Apropos Kaffee: Den kann man hier nicht nur in allen erdenklichen Formen trinken, sondern auch in ganzen Bohnen oder gemahlen zum Mitnehmen kaufen. Auch selbst gebrauter Prütt Kaffee Gin und 1766 Münsterländer Kaffeelikör, regionale Schnäpse von den Heimat Heroes und schickes Kaffeeequipment stehen zum Verkauf in den Regalen. Und: Die hübschen handgefertigten Tikno-Becher der münsterschen Keramikdesignerin Nina Schmale, in der Cappuccino und Co serviert werden, können ebenfalls für den Kaffee zu Hause erworben werden.
Selbst ist der Hase
Das Publikum im neuen Herr Hase im Erphoviertel unterscheide sich nicht groß von dem im Kreuzviertel, beobachtet Sven, es sei ebenso bunt gemischt wie die Anwohnerschaft der beiden Stadtteile. Das einzige, was auffällt: „Die Leute hier scheinen ein wenig schnapsiger zu sein!“, erzählt Sven lachend. Vielleicht geht im Erphoviertel deshalb öfter mal ein Aperol Spritz über die Theke, weil es in unmittelbarer Nähe nicht allzu viele andere Optionen für einen kühlen Drink in der Nachmittagssonne gibt. Auch Sandwiches bestellen die Kunden im neu eröffneten Café häufiger – was keine schlechte Idee ist, denn auch das Sauerteig- und Toastbrot wird bei Herr Hase selbst gebacken. Das Talent dafür wurde Sven wohl schon in die Wiege gelegt: Sowohl sein Vater als auch sein Großvater verstanden viel vom Bäckerhandwerk, was die gerahmten Meisterbriefe an der Wand verraten. Ein weiteres Detail, das zur familiären Atmosphäre im neuen Hasencafé beiträgt. All diese durchdachten Kleinigkeiten machen Herr Hase – neben dem exzellenten Kaffee – zu einem Ort mit hoher Aufenthaltsqualität. Ein bisschen wie in Wien, aber dennoch mit ausreichend Münster-Charme und Heimatliebe. Dieser Spagat ist Architekt Fabian gemeinsam mit Sven und seiner Hasencrew bestens gelungen.