Jessi on Tour
Foto: Meike Reiners

Zu Fuß

#ontour zu Skulpturen mit Bloggerin Jessi

Los geht unsere Tour an den Giant Pool Balls. Entworfen vom amerikanischen Künstler Claes Oldenburg (*1929) sind sie für die ersten Skulptur Projekte 1977 an einem der zentralsten Orte Münsters zum Wahrzeichen geworden. Oldenburg, einer der bekanntesten Vertreter der amerikanischen Pop Art, ist bekannt für seine Kolossalobjekte. Er überdimensioniert Alltagsgegenstände. Aus ihrem eigentlichen Kontext gelöst, verhilft er den banalsten Dingen zu „neuer Größe“. Vor Ort setzt er sich mit den sozialen und historischen Begebenheiten auseinander: In Münster sind das in den 1970er Jahren Erzählungen von einer in der Stadtmauer steckenden Kanonenkugel. Aus Kanonenkugeln macht er Billardkugeln, als Link zwischen Historischem und Zeitgenössischem. Dabei verwehrt Oldenburg die direkte Assoziation zum Poolspiel, die Kugeln sind farblos und unnummeriert. Die Materialität, der Beton, bleibt so visuell präsent. Die Stadt als Spielfeld, so die eigentliche, ambitionierte Idee des Künstlers. Sie sah vor, unzählige Kugeln über ganz Münster zu verteilen. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel entwickelte Oldenburg, in Gemeinschaftsarbeit mit seiner Lebensgefährtin, der Künstlerin Coosje van Bruggen, einen reduzierten Entwurf. Der Stillstand der tonnenschweren Kugeln wird durch den permanenten Fluss um sie herum aufgehoben. Sie erlangen Bewegung durch die Imagination derjenigen, die sich im Raum um sie herum und dazwischen bewegen – so scheinen die Kugeln in immer neuer Beziehung zueinander zu stehen.

Jessi an den Giant Pool Balls Foto: Meike Reiners
Giant Pool Balls, Künstler: Claes Oldenburg, Standort: Aaseeterrassen, Technische Daten: 3,5 m Durchmesser, Skulptur Projekte Münster 1977
Jessi auf dem Steg am Aasee Foto: Meike Reiners
Pier, Künstler: Jorge Pardo, Standort: Westliches Aaseeufer, südlich der Annette-Allee, Technische Daten: Länge ca. 48 m, Breite der Terrasse am Ende des Steges ca. 10 m, Höhe des Pavillons 2,54 m, Skulptur Projekte Münster 1997

Das Werk Pier des zeitgenössischen Künstlers Jorge Pardo (*1963) aus dem Jahr 1997 bewegt sich zwischen Skulptur, Architektur und Design. Ein 48 m langer Steg aus kalifornischem Redwood (dem Holz des amerikanischen Mammutbaums) ragt in den Aasee hinein. Am Ende des Stegs befindet sich eine Terrasse mit einem knapp drei Meter hohen Pavillon, der zum Verweilen einlädt. Ursprünglich stand dort auch ein Zigarettenautomat, welcher aber bereits 1998 entfernt wurde. Pardo verbindet in seinen Arbeiten häufig Funktionalität und  Ästhetik und erreicht mit seinem künstlerischen Schaffen eine neue Wahrnehmbarkeit von Objekten. Ein Steg ist ein Steg, aber auch eine Skulptur. Er wird Teil der Umgebung als nutzbares Objekt, inszeniert und verändert diese aber auch und regt gleichzeitig die Sinne des Betrachters an: Der lange Gang übers Wasser entschleunigt, man wird sich selbst bewusster: Am Endpunkt angekommen (der Pavillon erinnert an japanische Gartenarchitektur) kann man auf das Wasser und die Stadt zurückblicken, innehalten und nachdenken. Es hat fast einen meditativen Charakter, weil man sich nahezu völlig aus dem Trubel der Stadt herauskatapultieren kann. Wie schön, an einem stillen Morgen nur die eigenen Schritte auf dem Holzboden zuhören. Probieren Sie es aus!

Jessi am "Blickst du hinauf und liest die Worte..." Foto: Meike Reiners
"Blickst du hinauf und liest die Worte...", Künstler: Ilya Kabakov, Standort: Nördliche Aaseewiesen, östlich des Kardinal-von-Galen-Ringes, Technische Daten: Betonsockel, Stahlmast, 22 Metall-Antennen, 3 mm dünne Metallbuchstaben, Höhe: 15 m, Schriftfeld: 14,45 x 11,3 m, Skulptur Projekte Münster 1997
Jessi an den Ringen "Ohne Titel" am Aasee Foto: Meike Reiners
"Ohne Titel", Künstler: Donald, Judd Standort: Aaseewiese, unterhalb MühlenhofTechnische Daten: Beton, äußerer Ring: H he 0,9 m, Breite 0,6 m, Durchmesser 15 m innerer Ring: Höhe von 0,9 m auf 2,1 m aufsteigend, Breite 0,6 m, Durchmesser 13,5 m, Skulptur Projekte Münster 1977

Bei dem nicht betitelten Werk des amerikanischen Künstlers Donald Judd sind zwei kreisrunde Betonringe in die sich leicht senkende Aaseelandschaft platziert. Der  unsere Betonring folgt der Neigung der abschüssigen Wiese bei immer gleichbleibender Breite, während der innere Ring horizontal ausgerichtet ist, also bei zunehmender Senkung anfängt, zu steigen. Judd arbeitet häufig mit reduzierten, geometrischen Grundformen aus industriell hergestellten Materialien, die eine gewisse Ästhetik durch Einfachheit besitzen. Seine Werke sind minimalistisch und sofort für uns in ihrer Gesamtheit erfassbar. Judd möchte, dass man seine Werke als etwas Ganzes begreift. Das erreicht er durch Klarheit, Ordnung, Material und Volumen. Dabei geht es dem Künstler um die Raumwahrnehmung und unsere Positionierung zum Werk. Die Arbeit wird mit jedem Perspektivwechsel neu erfahrbar. Gleichzeitig verändert sich dadurch auch die Position der Kreise zueinander. Horizontale, Gefälle und Steigung, zwei Bestandteile der Natur in die das Werk platziert wurde, scheinen verhandelbar. Judds Kunst aktiviert unsere Wahrnehmung, weil er den Raum nicht als Illusion und seine Skulpturen nicht als Repräsentation von etwas gestaltet (wie z.B. bei Denkmälern). Seine Arbeiten sind kein Symbol für etwas anderes. Sie sind real.

Das Werk "Dolomit zugeschnitten" des Bildhauers Ulrich Rückriem l ste eine hitzige Debatte in Münster aus. In der Nähe zum Domplatz befinden sich neun auf- und absteigende, keilförmig zugeschnittene Steinrohlinge im Jesuitengang, direkt neben der Petrikirche. Die Skulptur formt sich an der Innenseite des Weges zu einer senkrechten, glatten Wand, während die auf der anderen Seite schräg abfallenden Natursteine ein Gegenstück zu den Strebpfeilern der Kirche bilden. Rückriem wählte die Steine selbst in einem Steinbruch aus und bearbeitete sie mittels spalten und schneiden. Die Monolithe wurden zersägt und dann wieder zu einem Stück zusammengesetzt. „Die von mir am Material vorgenommenen Bearbeitungen bestimmen das Objekt selbst und dessen Beziehung zum neuen Standort“, sagte Rückriem. Die auf- und absteigende Skulpturenwand ist so auf die Petrikirche bezogen, dass zwischen dem Kunstwerk und der gotischen Kirche ein Raum entsteht. Die Skulptur entfachte eine heftige stadtinterne Debatte über Kunst im  öffentlich-städtischen Raum und wirft die immer wiederkehrende Frage auf, was zeitgenössische Kunst ausmacht. Gegenwartskunst sucht die Auseinandersetzung mit ihrer Zeit, und da ist es fast schon eine natürliche Reaktion, dass dies auf „Gegenwehr“ trifft.

Foto: Meike Reiners
Dolomit zugeschnitten, Künstler: Ulrich Rückriem, Standort: Nordseite der Kirche St. Petri, am Jesuitengang, Technische Daten: Anröchter Dolomit 3,3 x 7,2 x 1,2 m, Skulptur Projekte Münster 1977
Foto: Meike Reiners
Sanctuarium, Künstler: Herman de Vries, Standort: Wiesenfläche zwischen dem nördlichen Schlossgarten und der Einsteinstraße, Technische Daten: Mauerring aus Backstein mit Sandsteinelementen, Vegetation, Höhe 3 m, Durchmesser 14 m, Wandstärke 0,4 m, Stärke der Sandsteinbekrönung 0,55 m, Skulptur Projekte Münster 1997

Den Abschluss bildet nun die Installation Sanctuarium des niederländischen Konzeptkünstlers Herman de Vries. Im Schlossgarten befindet sich ein kreisrunder Mauerring aus Backstein. Kein Eingang führt hinein, aus gutem Grund: Im Inneren bewahrt die Mauer etwas Vollkommenes, das von menschlicher Einflussnahme unberührt bleiben soll. Im Rund des Werkes können Pflanzen aller Art keimen, wachsen und vergehen. Die Natur bleibt unantastbar. Vier ovale Öffnungen geben den Blick frei. 1997 war das Sanctuarium noch gänzlich leer, es wurde auch nichts eingesät, 24 Jahre später wuchert die Natur über die Grenzen der Mauer hinaus. Die Arbeit regt zum Schauen und Reflektieren an, genauso wie der Text, der in Sanskrit über den vier Augen angebracht ist: „om. dies ist vollkommen. das ist vollkommen. vollkommen kommt von vollkommen. nimm vollkommen von vollkommen, es bleibt vollkommen.“ Für de Vries ist Natur eine Offenbarung, als Manifestation hat sie alles Lebenswichtige zu sagen, der Rest – Kultur – ist ihr Beiwerk. Die Vollkommenheit der Natur im Schutzraum des Sanctuariums steht im Kontrast zum Standort selbst. Die Parkanlage des Schlosses unterliegt dem menschlichen Formwillen. Das Spannende bei dieser Arbeit ist, dass sie ohne Endresultat bleibt, wachsen und gedeihen die wilden Pflanzen doch täglich weiter.

 

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