Philip Nenno in seinem Architekturbüro Philip Nenno in seinem Architekturbüro
Foto: Nenno Architektur

Menschen

ZwischenBauprojekt und kneipentheke

„Ich war schon immer ein Mensch, der Spaß daran hat, Neues auszuprobieren.“ Diese Eigenschaft von Philip Nenno war wohl der entscheidende Faktor dafür, dass die Bewohner des Kreuzviertels sich im Sommer 2021 über eine neue Kneipe in ihrem Stadtteil freuen durften. Doch wie kommt ein Archi­tekt mit eigenem Büro am Prinzipalmarkt dazu, eine Bar zu eröffnen? Die Geschichte begann eigentlich mit einem „klassischen“ Architektenauftrag. „Einem guten Freund von mir gehört das Haus in der Fin­kenstraße, in dem früher das Joducus war. Als die Weinstube zumachte, fragte er mich, ob ich für das Gebäude ein Apartment planen würde.“ Doch Nenno, der selbst im Kreuzviertel lebt, hatte eine andere Idee. „Klar ist es wichtig, Wohnraum zu schaffen. Aber es wäre schade gewesen, wenn hier nur für ein kleines Apartment ein Ort verloren gegangen wäre, an dem die Nachbarschaft zusammenkommt.“ Statt tatenlos das Kneipensterben zu bedauern, nahm Philip Nenno die Sache selbst in die Hand – und fragte aus einer Laune heraus sieben gute Freunde, ob sie Lust hätten, in der leerstehenden Gewerbeeinheit gemeinsam eine neue Kneipe zu eröffnen.

Foto: Nenno Architektur
„Es gibt erstaunlich viele Parallelen zwischen der Arbeit als Architekt und als Kneipengründer!“ ...
Foto: Lowinereri
... sagt Philip Nenno, der sein Studio am Prinzipalmarkt und seine Bar im Kreuzviertel hat.

Nennos Freunde – wie er selbst alle Familienväter mit Vollzeitberufen – bewiesen ebenfalls Experimentier­freudigkeit und sagten zu. Auch der Eigentümer ließ sich von der Idee begeistern und unterstützte die Truppe finanziell und organisatorisch. „Der Plan war eigentlich, einfach einen Eimer weiße Farbe zu holen und ein neues Bierfass anzuklemmen. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass doch ein bisschen mehr gemacht werden musste, weil die Fläche in keinem guten Zustand war“, erinnert sich Nenno zurück. Die Gründung war also zunächst eher eine architektoni­sche Aufgabe als eine gastronomische. Nach und nach entwickelte Nenno das Innendesign der Kneipe, und auch das Konzept der Lowinerei nahm langsam Form an. Auf der Baustelle fuhr er in dieser Zeit oft morgens vor der Arbeit oder abends nach Feierabend vorbei. Der große Gründungsstress blieb aber aus: Schließlich ließen sich die anfallenden Aufgaben immer auf acht Paar Schultern verteilen. „Die Jungs und ich kennen uns schon seit Jugendzeiten, das Vertrauen unterein­ ander ist also groß“, so Nenno – keine Nebensache, zumal es bei einer Gründung schließlich auch um Geld, Absprachen und Verlässlichkeit geht.

Im August 2021 öffneten die Jungs dann zum ersten Mal die Türen der Lowinerei. Zwischen rustikal ge­mauerten Wänden finden seitdem Kreuzviertelbewoh­ner und auch Gäste aus anderen Teilen Münsters an den Holztischen Platz. Das Design ist minimalistisch, aber hochwertig. Neben dem geplanten Fassbier ste­hen inzwischen doch auch eigene Hausweine und ein paar Longdrinks auf der Karte. Nenno und seine Mit­gründer können fast zu jedem Getränk eine Geschich­te erzählen – vom Ausflug zum Winzer in die Pfalz, vom Besuch der Destillerie, aus der der Gin stammt, oder von der Weihnachtsfeier in der Sasse Feinbren­nerei, bei der die Entscheidung zum eigenen Haus­schnaps fiel.

Die acht Gründer der Lowinerei Foto: Lowinerei
Obwohl Philip Nenno (2. v. l.) und seine sieben Mitgründer nicht mehr selbst hinter der Theke stehen müssen, kommen sie gerne in die Lowinerei.
Lowinerei Foto: Lowinerei
Zu sehen, wie in der Viertelkneipe die Nachbarschaft zusammenkommt, sei ein tolles Gefühl, so Nenno.

Die administrativen Fäden des Gastronomie­ betriebs laufen in Nennos Büro am Prinzipalmarkt zusammen, wo er sich etwa zwei bis drei Stunden pro Woche mit Lowinerei-­Angelegenheiten beschäftigt. Vor Ort haben die Jungs mittlerweile ein Team aus sieben Angestellten, das den Laden schmeißt – hinter der Theke müssen sie also nicht mehr regelmäßig selbst stehen. „Ich bin aber trotzdem nach wie vor gerne mal auf ein kaltes Bier dort, weil es schön ist, zu sehen, was wir erschaffen haben: einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen und an dem Freundschaften zwischen Leuten entstehen, die einander sonst vielleicht nie begegnet wären.“ Der Großteil von Nennos Arbeitsalltag spielt sich jedoch noch immer in seinem Architekturbüro am Prinzipal­markt ab. „Der Prinzipalmarkt ist einfach das Herzstück der Stadt. Es gibt keinen Tag, an dem ich mich auf dem Weg zur Arbeit nicht über die besondere Atmosphäre freue“, schwärmt der Münsteraner. Über den einzigen Nachteil – die Parksituation – kann Nenno hinwegsehen: Er kommt ohnehin meist mit der Leeze aus dem Kreuz­viertel zum Prinzipalmarkt geradelt. Mit seinem Büro am Puls der Stadt zu sitzen, ist Entschädigung genug – für Nenno und auch für seine Mitarbeitenden, die sich pudelwohl in den zentral gelegenen Räumen fühlen.

Nenno Architekturbüro von außen Foto: Nenno Architektur
Der wohl schönste Ort zum Arbeiten in ganz Münster: Der Prinzipalmarkt, wo Philip Nenno sein Architekturstudio hat.

Man sollte meinen, dass die Arbeit eines Archi­tekten und die eines Kneipengründers kaum unter­schiedlicher sein könnte. Doch Nenno sieht eine Par­allele: „Ich bin Architekt geworden, weil ich es liebe, mir für einen Ort, an dem es erstmal nichts gibt, etwas auszudenken, es dann wahrwerden zu lassen und mit Leben zu füllen.“ Bei seinen Aufträgen als Architekt plant Nenno zum Beispiel Gebäude, in die später Fa­milien einziehen und ihre Kinder dort großziehen. „Diese Vorstellung treibt mich bis heute bei jedem Projekt an. Und so war es auch bei der Lowinerei!“ Zu sehen, wie aus der baufälligen Fläche ein Treffpunkt wurde, an dem Menschen zusammenkommen und miteinander lachen, quatschen und feiern, sei ein ähn­liches Gefühl, wie ein abgeschlossenes Architektur­projekt zu betrachten. Wie in Nennos Architekturbüro sind daran auch viele weitere kreative Köpfe beteiligt: Inzwischen treten in der Lowinerei regelmäßig Live­-Musiker auf, im letzten Sommer schmissen die acht Betreiber ein eigenes Straßenfest und im Winter luden sie an den „Lowents­-Sonntagen“ – wie der Ad­vent in der Lowinerei genannt wird – zu Glühwein, Waffeln und Grünkohl ein.

Ob Nenno die Entscheidung, die damals aus einer Schnapsidee entstand, heute noch einmal genauso treffen würde? „Grundsätzlich ja, aber vermutlich nicht so unumwunden“, gesteht er lachend. Hätte er damals geahnt, wie viel Arbeit und Zeit die Kneipengründung bedarf, hätte er wohl etwas länger gezögert. „Aber das war wahrscheinlich das Gute: dass wir uns einfach reingestürzt und es durchgezogen haben.“ So lernen die acht Freunde bis heute jeden Tag dazu und haben nach wie vor großen Spaß an ihrem „professionalisier­ten Hobby“. Dem Prinzipalmarkt wird Philip Nenno jedoch trotzdem treu bleiben – einen schöneren Ort zum Arbeiten gibt es schließlich kaum!

 

 

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