Foto: Max Kruggel

Restaurants

Westfälisches Original

Schon vor mehr als vierhundert Jahren wurde an dieser Stelle unserer Stadt eine Herberge urkundlich erwähnt. So lange ist das schon her. Kaum vorstellbar. Aber damals war das (direkt hinter der Stadtmauer unter anderem als Tränke und Schänke für Reisende und ihre Pferde) bereits der Beginn gelebter Gastfreundschaft. Die sich bis heute hält. „In die drei Könige“ hieß die Schankwirtschaft zunächst, später, ab 1765, „Im Cardinal“. „Altes Gasthaus Leve“ ist dieser Ort seit 1805 Johann Bernhard Leve hier sein erstes Bier braute. Und später dann kam Josef Horstmöller (der Erste, Großvater des heutigen Wirts Josef Horstmöller III.), der aus einer alten westfälischen Hoteliersfamilie stammte und gemeinsam mit seiner Frau Thea das Gasthaus kaufte und übernahm. Das war 1936. Schwierige Zeiten brachen an. Umso bemerkenswerter, dass das Gasthaus nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg im Stil der münsterschen Altbierschenken von Dombaumeister Heinrich Benteler und von Architekt Albert Wörmann wieder aufgebaut wurde. Originalgetreu und feinfühlig. Und so präsentiert sich das „Das alte Gasthaus Leve“ bis heute.

Josef Horstmöller Foto: Max Kruggel
Liebevoll ausgestattet, jedes Detail erzählt eine Geschichte. Wirt Josef Horstmöller hat die Sammelleidenschaft und den Kunstverstand seiner Vorväter geerbt und pflegt das bei Leve erhaltene Kulturgut sachkundig und von Herzen gern.
Foto: Max Kruggel
Gastlichkeit auf Leve-Art: Die Zutaten für westfälische Klassiker (wie etwa die Schweinshaxe im Bild, die genau so schon seit 1936 serviert wird) und saisonale Highlights stammen aus der Region. Serviert werden sie von Persönlichkeiten wie Paulina: fröhlich, freundlich und formvollendet.

Wie es hier ist (und wie man hier isst), das hat sich herumgesprochen. Die gut 200 Plätze (wir haben nachgezählt, denn egal, wo man Platz nimmt, es kommt einem niemals so riesig vor) sind vor allem abends meist ausgebucht und immer gemütlich gefüllt. Interessant ist die Mischung der Gäste: vom Hipster bis zum feinen Herr, von vielsprachigen internationalen Besuchern unserer Stadt bis zum Platt sprechenden Poahlbürger, von denen, die vor allem das deftig-westfälische Essen lieben bis zu solchen, die die (natürlich auch in Vielzahl angebotenen) vegetarischen Varietäten ordern.

 

Egal, ob es die seit 1936 in unveränderter Form angebotene „große Schweinshaxe aus dem Ofen“ (Abbildung rechts), die „Pikanten Sauren Nieren“, die „Münsterländer Wurstpfanne“, das „Leve Schnittchen“ oder eben doch fleischlos das „Panierte Sellerieschnitzel“ sein soll: Horstmöllers schwören seit eh und je auf Regionalität der Zutaten. Ein Konzept, das heute überall an Bedeutung gewinnt – hier aber sowieso immer schon Standard war. Regional und saisonal soll es sein: Wild wird von münsterländischen Jägern (zum Beispiel aus Buldern) bezogen, frischer Fisch von Bussmeyer auf dem münsterschen Wochenmarkt, natürlich gibt es Bier von Pinkus, die Brote kommen aus den münsterschen Bäckereien Pohlmeyer und Krimphove, das Schwarzbrot aus Eggerode, Schnäpse von Sasse und von Steinmann aus Laer sind im Ausschank, die Kartoffeln wachsen in den Äckern der Rieselfelder, die Milch stammt von Große Kintrup aus Handorf, nicht zu vergessen die Wurstwaren aus Laer. Sogar das Eis wird „um die Ecke“ hergestellt: Raphael Viehoffs Eismanufaktur ist nur wenige Schritte entfernt am Bült zu finden: Er liefert unter anderem die Sorte „Münsterlander Stippmilch“ ins Gasthaus. Bei Leve werden süßsaure Gurken nach altem Rezept selbst eingemacht, ebenso „Appelkompott“ gekocht und auch jede Brühe wird eigens in der Gasthausküche zubereitet. Alles westfälisch? Ein paar Extras aus ferneren Regionen sind natürlich auch dabei. Traditionell etwa wird hier als eines von zehn Bieren vom Fass Augustiner Bräu ausgeschenkt. Das Bier der ältesten noch bestehenden Brauerei in München ist in Münster sonst nur im „Babel“ am Hansaring zu finden – und bei Leve eine feste bayerische Größe am münsterschen Zapfhahn.

Altes Gasthaus Leve Innenraum, Bar Foto: Max Kruggel
„Gute Geister sind unsere Mitarbeiter allesamt! Ohne sie wären wir bei Leve: nichts.“

„Als ich 2005 das Gasthaus von meinen Eltern übernahm, war für mich klar: Westfälische Rückbesinnung bleibt das Motto“, erzählt Josef Horstmöller, der die Liebe zur Gastronomie in den Betrieben seiner Großeltern und Eltern quasi mit der Muttermilch aufsog. Der 52-jährige hatte nach dem Schulabschluss in Münster zunächst am Tegernsee Koch gelernt, danach Hotelkaufmann aufgesattelt, er sammelte später unter anderem in Schottland und auf hoher See gastronomische Erfahrungen. Dass die deutsche Küche heute wieder so sehr gefragt ist, findet er natürlich großartig, da es sich bei den über Generationen überlieferten Rezepten um eine Art „Kulturgut“ handelt. Schmorgerichte (wie etwa die gefüllte Rinderroulade aus der Kategorie „Hausspezialitäten“) werden in den privaten Haushalten ja heute eher weniger gekocht. Es fehlt die Zeit. Umso schöner ist es, sich bei Leve an einen der blankgescheuerten Tische zu setzen und sich diese Art von „Slow Food“ servieren zu lassen. Mit Kartoffelpüree und Rotkohl! Wir haben nachgesehen: Weit über die Hälfte der Spezialitäten der heute aktuellen Leve-Karte waren genau so schon auf einer Speisekarte zu finden, die hier vor mehr als einem halben Jahrhundert aktuell war. Westfälische Beharrlichkeit. Warum verändern, was einfach gut ist? Variiert werden natürlich die saisonalen Akzente: Zur jeweiligen Zeit gibt es Muscheln oder Matjes, Spargel, Pfifferlinge, gefüllte Rippe oder Gans – und jetzt gerade aktuell: nach dem ersten Frost den Grünkohl!

 

Serviert wird im Friedenssaal, Jagdzimmer, in der Delfter Stube, im Schlafwagen … diese und die anderen Räume der Gaststätte können schon durch ihre Namen Histörchen erzählen. Rund und individuell wird es bei Leve aber auch durch die Ausstattung. Schon Josef (der Erste!) Horstmöller hatte ein Händchen für Kunst und Antiquitäten, für dekoratives Hausgerät und kostbare Einzelstücke, für Ölgemälde und Kupferstiche, die hier im Gasthaus zu einem gut kuratierten Ganzen verschmelzen. Nicht zu vergessen die Kacheln! Sie gehen auf die Sammelleidenschaft von Josef „Jop“ Horstmöller, dem Großvater des gleichnamigen heutigen Wirtes, zurück. Er erstand diese im Oldenburger Land, in Ostfriesland und den Niederlanden und heimste sich dadurch den Beinamen „Kachelkönig“ ein. Aus verschiedenen Jahrhunderten stammend zieren sie noch heute das Gasthaus, teilweise tapetengleich über ganze Wände gefliest, im berühmten Delfter Braun und Blau, mit Blumen-, Personen- und Bibel-Motiven, Landschaften, Schiffsbildern oder Tierdarstellungen. Genauer hinzusehen lohnt sich! Uns gefällt aber auch der Gesamteindruck, vom gemütlichen Platz am Holztisch aus der Ferne betrachtet, vielleicht mit einem frisch gezapften Bier in der Hand. Oder mit Leves berühmter „Reiner Roggenblome“, einem milden Bio-Roggenkorn, eigens in Laer angebaut und nach altem Rezept gebrannt. Einzigartig!

Foto: Max Kruggel
Gast, der sich bei Leve umschaut: „So sieht es im Himmel aus.“Wirt: „Wenn wir Glück haben!“

Traditionen zu wahren und weiterzuentwickeln: Das ist ein familiäres Talent der Horstmöllers. In zweiter Generation wurde das Gasthaus bis 2005 von Josef Horstmöller (dem Sohn des Kachelkönigs und Vater des heutigen Wirts) und seiner Frau Ingeborg geführt. Wer Glück hat, trifft letztere (die gute Seele des Hauses!) noch heute und über Siebzigjährig im Familienbetrieb im emsigen Einsatz an: Blumen, Gardinen, Wäsche, Deko – Ingeborg Horstmöller hat die Feinheiten im Blick und sieht, was anliegt: unbezahlbar! Ihre Handschrift prägt das Haus und hat auch die nachfolgenden Generationen mit dem Gastgeber-Gen ausgestattet. Enkel Maximilian (Katjas Sohn, Neffe von Wirt Josef, dem Dritten) absolvierte eine Ausbildung zum Koch im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg. Vielleicht kann er sein Handwerkszeug einst am Alten Steinweg einbringen?

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