Restaurants
Gastfreundschaft auf „von Westphalen“-Art


Was macht ein gutes Gasthaus aus? Die entspannte Atmosphäre, gekonnt gezapftes Bier, leckere Speisen, freundlicher Service – und ein Gastwirt, der dies alles und noch viel mehr Tag für Tag (und Nacht für Nacht) mit Herzblut steuert und gemeinsam mit seinem Team lebt. Ganz einfach, oder? Ja. Wenn Gastgeberleidenschaft in den Adern fließt, dann hat Gastronomie heute eine besondere Chance. Und genau das ist das Erfolgsrezept im Gasthaus „Großer Kiepenkerl“. Denn einfach nur eine Tradition fortzuführen oder eben „irgendwas“ an einem guten Standort umzusetzen: Das würde heute, wo Gäste (Gottseidank!) informierte Verbraucher sind, wo jeden Tag irgendwo ein neues Konzept hochplöppt (wir lieben diese Vielfalt!), wo Weitgereiste Vergleichsmöglichkeiten haben und Genießer das Besondere suchen, nicht ausreichen.
Gasthaus mit Konzept
Verantwortungsvoll und facettenreich – so führt daher Gastwirtin Wilma von Westphalen ihren „Großen Kiepenkerl“. Auf eine weibliche, liebevolle, aber auch durchdachte und vor allem sehr sympathische, erfolgreiche Art.
Gestern Germania Brauerei, heute Gasthaus
Friedrich Dieninghoff gründete 1891 genau hier die Germania-Brauerei, die später an der Grevener Straße angesiedelt war. Dort, wo heute der Germania Campus mit dem Factory Hotel an die alte Brauerei erinnert. Am Kiepenkerl folgten Bierausschank und Krieg, Wiederaufbau und Pächterwechsel. Ab 1993 führten Horst Glasmeyer und Reinhard Purzel das „Restaurant Großer Kiepenkerl“ zum Erfolg. Als sich die beiden Gastronomen 2011 zur Ruhe setzten, war das für Wilma von Westphalen und ihren (inzwischen) Ehemann Klaus Friedrich Helmrich eine einmalige Chance. Der Eigentümer von Butterhandlung Holstein, Holsteins’s Bistro, Holsteins’s Brasserie und (neuerdings) Holstein’s Weinlager und die gelernte Hotelkauffrau setzten nun hier eine neue Idee der Heimatküche um: konsequent regional mit saisonalen Produkten aus der Nachbarschaft. Typisch westfälisch. Mit zeitgemäßer Frische und einigen sehr spannenden Twists neu aufgestellt. Und: unter dem besonderen Aspekt von Tierwohl, Slow Food und Genuss.
Ganz schön viel Anspruch für ein traditionelles Gasthaus? Ja und nein. Denn wo viel Kompetenz zusammenkommt, da lässt sich ein solches Konzeptpotpourri umsetzen. Wichtigster Part sind sicherlich die Menschen, die täglich das Gasthausleben mit Ideen und Kompetenz füllen. Wilma von Westphalen etwa ist gebürtige Münsteranerin, in einer westfälischen Großfamilie aufgewachsen, hat im Hotel Schloss Hohenfeld das Gastronomiehandwerk von der Pike auf gelernt und das Kiepenkerlviertel schon aus vielen Perspektiven kennengelernt: Lange Jahre war sie etwa beim Kinderausstatter „Sandmännchen“ an der Bergstraße im Verkauf beschäftigt, später bei „Laurèl“ am Spiekerhof in verantwortlicher Position. Kind der Stadt, viertelverbunden, vielfältig in Einzelhandel und Gastronomie erprobt: Ein gute Voraussetzung, um Heimatküche zu gestalten.


Wenn die Mettwurst in der westfälischen Kartoffelsuppe aus artgerechter Tierhaltung stammt und auf dem Vollkornschwarzbrot von Tollkötter Matjestartar trohnt, dessen nachhaltig gefischte Grundlage konsequent aus den Beständen des holländischen Hoflieferanten Warmelo & van der Drift stammt, dann deutet der Einkauf für den Großen Kiepenkerl auf eine aufwendige Meisterleistung hin. Ist auch so. Etwas einfacher wird die Beschaffung allerdings durch die Zusammenarbeit mit den Schwesterbetrieben von Holstein’s Butterhandlung, Brasserie, Bistro und Weinlager: Klar, die idealen Händler zu finden und dann gleich größere Mengen zu ordern ist nicht nur logisch, sondern auch ökologisch.
„Wir beziehen unsere Zutaten von Erzeugern, die wir persönlich kennen – im Fokus: artgerechte Tierhaltung und ökologisch verträglicher Anbau.“ Wilma von Westphalen


Und damit die Köstlichkeiten von gekonnter Hand verarbeitet und serviert werden, setzt Wilma von Westphalen auf ein besonders familiär und zugleich professionell geführtes Team. Kulturell sehr bunt – aus Südamerika, Afrika, Asien und natürlich auch aus Europa – kommen die Mitarbeiter in Küche und Service. Wichtigste Auszeichnung sind die positiven Rückmeldungen der Gäste, als direkte Kommentare bei der Bewirtung und auf den zahlreich gesammelten Feedbackbögen.

Slow Food ist übrigens eine internationale Organisation und Vermittlerin in einem weltweiten Netzwerk, das sich für eine Änderung unseres Lebensmittelsystems engagiert. Das Ziel: Lebensmittel sollen gut (wohlschmeckend, nahrhaft, frisch, gesundheitlich einwandfrei, die Sinne anregend und befriedigend), sauber (hergestellt, ohne die Ressourcen der Erde, die Ökosysteme oder die Umwelt zu belasten und ohne Schaden an Mensch, Natur oder Tier zu verursachen) und fair (die soziale Gerechtigkeit achtend, mit angemessener Bezahlung und fairen Bedingungen für alle) sein. Eine Idee, die dem Großen Kiepenkerl und seinen Gästen … und die auch uns schmeckt.
Ein echtes Highlight für den „Großen Kiepenkerl“ ist die Terrasse, die seit einigen Jahren einen veränderten Charakter der Außenfläche prägt. Mit luftiger Drahtgitter-Bestuhlung der Nachbarn aus dem Vitra Store Münster am Roggenmarkt und Tischen und Bänken der münsterschen Manufaktur Donnerblitz Design, mit Oleanderbüschen und hellen Sonnenschirmen hat der Platz an mediterranem Charme gewonnen. Die positiven Rückmeldungen zur Neugestaltung freuen die Gastwirtin Wilma von Westphalen und ihre Tochter Regina von Westphalen. Die junge Betriebswirtin hatte in der Vergangenheit für ihre Master-Thesis zu „Nachhaltigkeit in der Lebensmittelwirtschaft“ geforscht und auf dieser Grundlage bereits als verantwortliche Managerin von München aus für eine große Holding ein neues Gastronomie-Konzept auf den Weg gebracht. Jetzt bringt sie ihr Wissen für den Großen Kiepenkerl ein und rennt mit ihrem Ansatz hier offene Türen ein: Regionalität, Frische und ein Fokus auf das Tierwohl. Die Gäste zollen dem ungewöhnlichen Konzept, das in einem traditionellen, westfälischen Gasthaus vielleicht nicht unbedingt erwartbar ist, Anerkennung: Sie wertschätzen das Angebot der immer größeren vegetarischen oder gar veganen Auswahl an Speisen und freuen sich über die Klammer aus Klassikern und Newcomern. Wenn etwa die herbstlich-westfälische Speise „Himmel und Erde“ sowohl als Standard mit „Leber- und Wurstebrot“, als auch in der Veggie-Variante mit „Steaks von der Roten und Gelben Bete“ angeboten wird, dann dürfte Genuss für alle vorprogrammiert sein. Regina und Wilma von Westphalen spüren der Gäste Rückenwind für diese Idee.

