Ein Fischgericht wird zubereitet Ein Fischgericht wird zubereitet
Foto: Max Kruggel

Restaurants

Einfach Kult: die Fischbrathalle

Am Rosenplatz zwischen Kreuzviertel und Innenstadt, in Sichtweite zu Buddenturm und Promenade, gleich gegenüber von Observantenkirche und Trafostation ist die Fischbrathalle zu finden. Das war schon immer so. Und selbst die allerältesten Münsteraner dürften das bestätigen können, denn das Gründungsjahr war 1926. Vor 92 Jahren. Wenn Till Meyer über das Familienunternehmen an der Schlaunstraße spricht, dann klingt immer Respekt mit in seinen Worten. Denn als vierte Generation einer Familie auf das aufbauen zu dürfen, was die Urgroßeltern einst in kleinen Schritten begannen: Das ist etwas Besonders.

Till Meyer am Herd Foto: prepixel
Till Meyer arbeitete zunächst als Industriemechaniker, dann studierte er Soziale Arbeit. Schließlich entschied er sich: für das Familienunternehmen Fischbrathalle. Heute ist er ausgebildeter Koch und leitet den Betrieb mit seinen Eltern. Wenn er mal nicht seinen eigenen Fisch isst, zieht es den Hobbyangler mit Vorliebe für westfälische Küche an Wirtshaustische seiner Kollegen, etwa ins Alte Gasthaus Leve oder zu Pinkus.
Frisches Fischgericht aus der Fischbrathalle Foto: prepixel
Fisch ist hier das „täglich Brot“. Aber die Zubereitung und Kombination stecken voller Kreativität und Ideen. Probieren Sie’s aus!
„Die kreative Herausforderung gefällt mir besonders. Mit Algen experimentieren? Halb-und-halb-Knödel mit Seelachs und Möhren befüllen? Ein rein vegetarisches Buffet? Gern!“ Till Meyer

Aus der Gemeinde Beverstedt bei Bremerhaven stammten Otto Seebers und Lina Meyer, kriegsbedingt jeweils Witwer und Witwe und so in zweiter Beziehung ein Paar. Das war in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und weil Otto die Seeluft nicht vertrug, zog seine Lina mit ihm weg von der Küste in „südlichere Gefilde“. Nach Münster. Zu dieser Zeit nach dem ersten Weltkrieg eröffneten sich neue Möglichkeiten, denn erstmals ergab sich die Chance, rohen Fisch wirklich frisch über weitere Strecken zu transportieren. So entstanden an vielen Orten Fischbrathallen und ermöglichten auch Städtern und Landeiern fern der Küste Frischfisch zu genießen. Jede Fischbrathalle stand auf eigenen Füßen, Franchise und „Ketten“ gab es damals noch nicht. Lina und Otto gründeten, brieten und buken Fisch – auf eigenes Risiko. Und das Unterfangen gelang. Fisch war zu dieser Zeit ein „Armeleuteessen“, die Fischbrathalle somit ein Malocherschuppen. Einige alte, aus früherer Zeit erhaltene Teller mit Einteilungen für 20 Pfennig- und 50 Pfennig-Portionen erinnern daran – je nach dem, wie der Teller hingeschoben wurde (und wie es das Portemonnaie zuließ), wurde er mit Sättigungsbeilagen befüllt.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten, die Fischbrathalle war einfach da – und als im Zweiten Weltkrieg die Kirchgänger der benachbarten (und noch heute zwischen Münzstraße und Breul befindlichen) Johanneskapelle ohne Kirchenbänke dastanden, machte die Not sie erfinderisch: Sie nahmen sich auf dem Hinweg zur Andacht kurzerhand einen Stuhl aus der Fischbrathalle mit und brachten ihn nach dem Gottesdienst zurück. Um gleich darauf Platz zu nehmen für einen Mittagstisch mit Fisch. Geniale Kundenbindungsmaßnahme. Serviceorientierte Einstellung, die von den Gästen belohnt wird. Würde man heute sagen! Zu Notzeiten war das unausgesprochen und selbstverständlich.

Innenraum der Fischbrathalle früher Foto: Archiv Fischbrathalle
Heute und gestern ...
Gastraum der Fischbrathalle heute Foto: prepixel
... der Charakter wurde bewusst erhalten: Der Bahnhofhallen-Charme der Fischbrathalle ist Kult. Selbst Leuchten und Bilder sind an ihren angestammten Plätzen. Die Gäste lieben es.

Die nächste Generation, Tochter Eva Meyer, die Oma unseres heutigen Gesprächspartners Till, übernahm das Familienunternehmen. Ungelernt, aber zupackend. In diese Zeit fielen auch einige Veränderungen in der Einrichtung, man wollte moderner, zeitgemäßer sein.

Für deren behutsamen Rückbau sorgte dann Michael Meyer, der im renommierten Speiserestaurant „E.T. up’n Bült“ Koch gelernt hatte, mit seiner Frau Astrid: Sie waren die dritte Generation, Tills Eltern. Und sie übernahmen vor gut 35 Jahren die Verantwortung im Hause Fischbrathalle, erhielten den Charme und führten einiges Verlorengegangenes zurück: Lampen, so wie sie einst schon da waren, wurden wieder aufgehängt, Tischplatten mussten ersetzt werden, die typischen Tischbeine aber durften bleiben, Bilder fanden an ihren angestammten Platz zurück. Sie können sich das alles übrigens im Details ansehen, denn den Originalzustand haben die Meyers bis heute erhalten. Ganz bewusst.

„Viele schätzen das Original“, weiß Till Meyer. Nicht selten hört er von Gästen, dass sie „genau unter diesem Bild schon mit Großmutter gesessen haben. Und heute selbst mit ihren Enkeln sitzen“. Oder dass das Ritual des Karfreitagsfischessens innerhalb von Familien von Generation zu Generation weitergereicht wird. Stammgäste kommen jede Woche, jeden Monat, manche fast jeden Tag, an dem die Fischbrathalle geöffnet hat, gegebenenfalls stehen sie schon auf dem Gehweg, bevor um 11 Uhr die Tür offiziell öffnet. Von einer älteren „Kegeltruppe“ sind nur noch zwei betagte Damen übriggeblieben, eisern halten sie an ihrem Stammtisch in der Fischbrathalle fest, bei der Auswahl ihrer Speisen sind sie aber erstaunlich experimentierfreudig.

Frische Muscheln im Kochtopf Foto: prepixel
Egal ob Tellergericht zum Verzehr in der Fischbrathalle oder Leckereien zum Mitnehmen ...
Fischgericht zum Mitnehmen Foto: prepixel
... Alles wird superfrisch zubereitet. Was die Allerwenigsten wissen: Wer mag, kann hier auch seinen Frischfisch einkaufen und diesen zuhause selbst zubereiten.

Grundsätzlich ist das Publikum hier bunt. Jung und Alt, Münsteraner und ihre Gäste, Fischfans und auch einfach „Frischfans“, denn wer vegetarisch unterwegs ist, schwärmt etwa von den riesigen Reibekuchen und knackig befüllten Salattellern. Eine wichtige Basis sind auch die Kartoffeln, die seit vielen Jahrzehnten von ein- und demselben Bauern, Hof Greiwing aus Coerde, geliefert werden. Sie sind auch das erste, was Till Meyer anfasst, wenn er morgens um 8 Uhr den Arbeitstag beginnt. Dann wird die Schälmaschine „angeschmissen“ denn von Hand ist die Menge nicht zu bewältigen (das wissen die Meyers aus der Zeit, als diese Maschine mal ausfiel und eine Extra-Kraft zum Schälen eingestellt werden musste). Und der Fisch? Der wird am Vortag telefonisch (!) bei der „Deutschen See“ bestellt, nach dem Motto: „Was habt Ihr denn Schönes? Wie sind die Muscheln? Taugt der Rotbarsch?“.

Eine strenge Qualitätskontrolle erfolgt dann, wenn morgens die Ware in Körben auf Eis geliefert wird. Mit sicherer Hand wird gedreht und gewendet, geprüft und dann weiterverarbeitet. Die Fischbrathalle ist (wen wundert es?) Münsters größter Abnehmer für die eiskalte Ware aus Bremerhaven, von dort, woher auch die Familie der Meyers abstammt.

Ab 11 Uhr „fliegt dann der Fisch“. Dann wird es rummelig am Pass zwischen Küche und Gastraum, dann werden Bestellungen aufgenommen, Teller gefüllt und Stühle besetzt. Auf der Karte findet sich, was Familie Meyer selbst gern isst. Klassiker und Neukreationen von Lachs und Seelachs, Kabeljau und Forelle, Gold- und Rotbarsch, von Scholle und Hering. Gekocht, gebraten oder gebacken. Klassisch mit Kartoffelbeilagen oder auch mal anders: Thunfischsteak mit selbstgemachten Nudeln und neu kreierter Sauce etwa. Der Renner ist das Tagesmenü aus jeweils Suppe, Fisch mit Sauce und Kartoffeln und Dessert. Die Gerichte auf der Tafel werden täglich neu zusammengestellt und von den Stammkunden stets erwartungsvoll gekostet. Langweilig wird es sicher nicht! Denn Till Meyer hat Ideen. Und die reichen auch an Exotika wie Rotbarsch-Algen-Frikadellen plus Setzei mit Anchovis und Karpernbutter. Um nur mal ein Beispiel zu nennen.

Wenn der junge Koch von diesen Köstlichkeiten spricht, meint man, ein Kindheitstraum sei in Erfüllung gegangen. Doch so ist es gerade nicht. Genau wie sein Vater hatte Till Meyer die Übernahme der Fischbrathalle zunächst weit von sich gewiesen, etwas Eigenes wollte er tun. Für die Eltern war klar: Wir lassen ihm alle Freiheiten! Nach der Schule lernte Till dann zunächst Industriemechaniker, wurde übernommen, kündigte wieder, es war noch nicht das Richtige. Er studierte Soziale Arbeit, brachte sich professionell in Jugendzentren ein. Auch eine schöne Aufgabe. Aber: Irgendwie lockte dann doch das Familienunternehmen, das Till Meyer natürlich wie seine Westentasche kannte, oft hatte nach der Schule oder an Samstagen schon Teller an die Tische getragen, kannte die Stammgäste, das Team, die Aufgaben im Betrieb. Vor fast sechs Jahren, mit Mitte Zwanzig, stieg er dann ein und spürte: Ja, das ist es! Eine Kochausbildung als Grundlage und viele Impulse aus dem „Club der Köche“ der „Deutschen See“ machten aus dem „spätberufenen“ einen umsichtigen und kreativen Koch und Betriebsleiter: Behutsam veränderte er Abläufe in der Küche. Er führte ein praktisches Kassensystem ein, sorgte dafür, dass die „Tagesangebote“ täglich auf der Website abzurufen sind, überarbeitete die Karte und streckte die Fühler in Richtung moderner Küche aus, ohne die starken Wurzeln des beliebten Stammangebotes zu vernachlässigen.

Heute floriert nicht nur die Fischbrathalle, auch das Außerhaus-Geschäft (sogar durch Foodora!) und externe Caterings sind gefragt. Auf Bestellung werden Boxen mit Räucherfisch 

Fassade der Fischbrathalle Foto: Archiv Fischbrathalle
Wie eh und je: An der Fischbrathalle hat sich rein optisch seit 1926 kaum etwas verändert.

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