Fashion & Accessoires
Hey, wie gut: hella good
Alles begann in Kanada. Hella war mit einer Freundin auf einer Urlaubsreise in Vancouver unterwegs, als sie dort auf ein hübsches, kleines Geschäft stieß. Erst beim Verlassen des schönen Ladens bemerkte sie, dass es sich um einen Second-Hand-Shop handelte. „Warum gibt es so etwas nicht in Deutschland, und vor allem nicht in Münster?“ fragte sie sich, und tippte kurzerhand eine Notiz in ihr Handy, um die Idee festzuhalten, die ihr in diesem Moment kam. Das war im August 2019. Heute sitzt Hella in ihrem eigenen Laden an der Salzstraße und erinnert sich zurück an diesen Aha-Moment, wie sie es nennt.
„In Deutschland ist Second Hand oft noch ein negativ behafteter Begriff, der mit muffigen, düsteren Läden assoziiert wird.“ Deswegen steht am Schaufenster von hella good auch nicht Second Hand, sondern „preloved fashion & concept store“. Da die 29-Jährige zum Zeitpunkt der Kanada-Reise ohnehin schon den Wunsch verspürte, sich selbstständig zu machen, blieb es nicht bei der Handynotiz. Zurück in Deutschland erstellte sie einen Business Plan, suchte ein Ladenlokal und wurde schnell fündig. Noch im Dezember unterschrieb sie den Mietvertrag, Anfang Februar öffnete sie ihre Türen. „Das ging alles ganz schön schnell“, berichtet die junge Gründerin, die in Rheine aufwuchs. Sie hatte nach dem Abitur Gesundheitsökonomie in Köln studiert. Das Studium gefiel ihr, aber als sie ins Berufsleben startete, konnte sie mit den Jobs nicht viel anfangen. Immer wieder begann sie Neues. „Ich dachte schon, dass es an mir liegt und ich einfach zu sprunghaft bin“, berichtet Hella.
Die Unzufriedenheit führte schließlich zu einer Selbstfindungsphase, in der Hella sich zu einer Yoga-Ausbildung entschloss. „Ich glaube ein wenig an Schicksal und daran, dass jeder Moment und jede Begegnung – egal ob schön oder schmerzhaft – für etwas gut ist, uns etwas lehrt und uns in die richtige Bahn im Leben schubst.“ Bei der Ausbildung zur Yoga-Lehrerin sei sie sehr besonderen Menschen begegnet, unter anderem jener Freundin, mit der sie später nach Kanada reiste, wo sie die entscheidende Idee zur Gründung hatte. Am Ende sei es also gut gewesen, dass es mit den Jobs vorher nie geklappt hat. „Zu wissen, was ich nicht möchte, hat mir letztendlich den Mut gegeben, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.“
REIN INS RISIKO, REIN IN DIE HANDLUNGSFÄHIGKEIT
Mut brauchte Hella für die Gründung tatsächlich eine Menge. Natürlich sei da auch Angst dabei gewesen, aber eher im Sinne eines gesunden Instinkts, so Hella. „Am Ende habe ich mir die Frage gestellt, was mir mehr Angst macht: Mich selbstständig zu machen oder wieder in einem Anstellungsverhältnis zu arbeiten, in dem ich mich jahrelang unwohl gefühlt habe?“ In diese Strukturen wollte sie nicht mehr zurück. Also setzte sie auf Risiko. Fachliche Unterstützung holte Hella sich bei der IHK Wirtschaftsförderung und dem Gründerteam der Sparkasse, informierte sich auf Veranstaltungen und bewegte sich viel in der Gründerszene. Neben dem fachlichen war aber auch der mentale Support extrem wichtig. „Sowohl meine Eltern als auch die meisten meiner Freunde haben von vornherein an an mich und die Idee geglaubt, mich unterstützt und mir in Momenten, in denen ich Zweifel oder Panik bekam, Mut zugesprochen. Das ist so wichtig!“
Der Wunsch nach Handlungsfähigkeit spiegelt sich auch im Konzept von hella good wider. Der jungen Unternehmerin war von Anfang an klar, dass sie keinen reinen Second-Hand-Shop gründen wollte, sondern einen Concept Store. „Wenn ich nur Second-Hand-Ware verkaufen würde, wäre ich immer abhängig davon, was mir an Kleidung gebracht wird.“ So ist zum Beispiel der Schmuck bei hella good größtenteils Neuware. Auch Prints und Postkarten gibt es zu kaufen. „Ich gehe selbst gern in Geschäfte,in denen man sich inspirieren lassen kann, auch für die Einrichtung zuhause.“ Flächenmäßig steht die Second-Hand- Mode aber im Fokus. Mit diesem Konzept möchte Hella auch Kunden, die Berührungsängste mit gebrauchter Kleidung haben, überzeugen.
EIGENE DESIGNS UND KRISENBEWÄLTIGUNG
Sogar eine eigene kleine Linie an T-Shirts, Kleidern und Jutebeuteln hat Hella herausgebracht. „Zwar kenne ich viele meiner Kundinnen inzwischen gut und sehe, wenn sie etwas tragen, das sie bei mir gekauft haben. Dennoch wollte ich gerne etwas eigenes haben, das sich davon abhebt.“ So entwarf sie kurzerhand ein Design und ließ es auf Fairtrade-Produkte drucken. Quasi ein eigener Merchandise. „Ich konnte es anfangs gar nicht glauben: Wer trägt denn Shirts mit etwas darauf, was ich gemalt habe?“, erzählt sie lachend. Solche limitierten Auflagen möchte Hella immer mal wieder einbinden, aber sie sollen weiterhin bloß ein Beiprodukt bleiben.
Auch wenn hella good noch recht jung ist, hat die Unternehmerin schon einiges erlebt. Nur sechs Wochen nach der Eröffnung kam die Hiobsbotschaft namens Corona und bedeutete die vorläufige Schließung von Hellas gerade erst geborenem Projekt. „Ich bin immer optimistisch, aber da habe ich wirklich Schiss bekommen und den Laden scheitern sehen. Da ist die ein oder andere Träne geflossen.“ Ohne Anspruch auf Soforthilfe musste sie schauen, wie sie ohne Ladenverkauf ihre Umsätze macht – und stampfte kurzerhand einen Online-Shop aus dem Boden. So hart die Erfahrung der Schließung auch war, ist Hella dankbar für die Erkenntnis, die sie daraus mitgenommen hat. „Es gab super viel Unterstützung und Solidarität unter den Einzelhändlern, Unternehmern und auch Kunden.“ Hella ging gestärkt aus der Krise heraus. „Wenn ich das überstanden habe, was soll jetzt noch passieren?“
Das Schönste an der Selbstständigkeit ist für Hella, dass sie bei der Arbeit im Laden komplett sie selbst sein kann. Hella liebt Mode und Einrichtung, hat gern mit Menschen zu tun, fühlt sich in sozialen Medien wohl und fotografiert gerne. Das alles hat sie nun in ihren Arbeitsalltag integriert. Aber natürlich ist das Leben als Unternehmerin nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Die Buchhaltung frisst Zeit und Nerven und auch das Putzen im Laden, das Hella selbst erledigt, gehört eher zu den lästigen Aufgaben. „Außerdem bin ich zu pflichtbewusst, um mir einfach mal einen Tag frei zu nehmen und einen Zettel ins Fenster zu hängen: Heute komm ich nicht.“ Die Öffnungszeiten sind nun mal ihre Präsenzzeit. Von der Resonanz ist sie überwältigt. Die Warteliste für die Kleidungsabgabe ist lang, und die Nachfrage steigt. Auch von den Kunden gibt es viel positives Feedback. „Ich höre oft, dass sie die Art und Weise toll finden, mit der ich das hier mache.“ Hella hat es geschafft, mit dem Klischee des düsteren Second-Hand-Shops aufzuräumen und damit eine kleine Pionierleistung in Münsters Einzelhandelsszene erbracht.
„Ich möchte auch Menschen ansprechen, die Berührungsängste mit Second-Hand-Ware haben. Sie sollen in den Laden kommen und sagen: Oh, das ist ja doch ganz schön!“ HELLA KOCKS