Bars & Nachtleben
Acht Freunde und eine Schnapsidee
Es war ein Abend, wie ihn wohl die meisten schon erlebt haben: Acht Freunde, die sich seit Jugendzeiten kennen, sitzen zusammen in der Kneipe und spielen Doppelkopf. Nach ein paar Bier kommt das Thema auf, wie cool es doch wäre, selbst eine Bar zu eröffnen – alle acht, zusammen. Einer der Kumpels ist Architekt und wirft ein, dass im Kreuzviertel eine alte Weinstube schließt und damit eine Location frei wird. Also spinnen die acht Freunde weiter herum und finden den Gedanken einer eigenen Kneipe, in der sie jederzeit Doppelkopf zocken könnten, immer verlockender. Am nächsten Tag ist die Schnapsidee nicht vergessen, und die jungen Männer – darunter Ärzte, Lehrer und ein Polizist – gehen sie mit etwas Abstand und leichtem Kater noch einmal durch: Sollen wir das wirklich machen?
Die Antwort ist Geschichte: Acht Wochen nach dem Doppelkopf-Abend haben die Freunde eine GmbH gegründet, und der Plan ist fix. In der Finkenstraße im Kreuzviertel mieten sie die freigewordene Location und eröffnen ihre eigene Bar: Die Lowinerei. Das Konzept der Bar beschreibt Philip Nenno, der Architekt der Truppe, so: „Keep it simple! Wir hatten schließlich keine Ahnung von Gastronomie – außer dass wir gute Gäste sind“, erzählt er von den Anfängen der Lowinerei. Zunächst war daher der Plan, eine reine Bierkneipe zu eröffnen. „Richtig gute Biersorten und eine ausgefeilte Kühltechnik, sodass das kalte Bier immer auf den Punkt ist“. Das schreibt sich die Lowinerei auch heute, ein Jahr nach der Eröffnung, noch auf die Fahne. Aber auch ein eigens beim Winzer in der Pfalz ausgewählter Hauswein mit Lowinerei-Label steht inzwischen auf der Karte, ebenso wie der ein oder andere Longdrink. Das war es dann aber auch – aufwändige Cocktails oder Essen gibt es in der Lowinerei nicht. „Wir wollten es von Anfang an reduziert halten, aber dafür in hoher Qualität. Wenn wir schon keine Ahnung haben, machen wir das, was wir machen, wenigstens vernünftig. Und mit Herzblut!“
Identifikation und Experimentierfreudigkeit
Das Herzblut merkt man auch daran, dass die acht Gründer zu jedem Getränk auf der Karte eine Geschichte erzählen können. Nicht nur für die Auswahl ihres Hausweins fuhren alle gemeinsam auf ein Weingut – auch die Destillerie, aus der ihr Gin stammt, besuchte die Gruppe bei einem Wochenendausflug. Zur Sasse Brennerei aus dem Münsterland pflegen die Jungs ebenfalls gute Beziehungen. „Wir sind dort nicht nur gute Abnehmer, sondern haben auch eine ähnliche Philosophie. Deswegen ist die Idee entstanden, dass wir dort unseren eigenen Schnaps machen“, berichtet Philip. So lagern seit der letzten Weihnachtsfeier, die die Jungs bei Sasse verbrachten, zwei Fässer in der Lowinerei – von deren Inhalt nun jedes Jahr bei einem Tasting die Qualität überprüft werden soll. Man merkt den Gründern an: Die acht Freunde haben Spaß am Ausprobieren und wollen sich mit den Getränken, die sie anbieten, identifizieren können.
Und das schätzen die Gäste. Neben Stammbesuchern aus der Nachbarschaft kommen mittlerweile auch Menschen aus ganz Münster in die Lowinerei. „Das Publikum ist total bunt gemischt, am Freitag kann es ein ganz anderes sein als am Samstag. Das macht es so spannend“, berichtet Mitgründer Michael. Auch bei der Altersstruktur ist von 18 bis 80 alles dabei. Dadurch entsteht eine unaufgeregte Atmosphäre zum Wohlfühlen, die durch das minimalistische, aber sorgfältig durchdachte Design mit rustikal gemauerten Wänden und hochwertigen Holzmöbeln unterstützt wird. Für die Gründer-Jungs fühlt sich die Lowinerei inzwischen an wie ein zweites Wohnzimmer. „Aber der Plan, in der eigenen Kneipe dann ganz viel Doppelkopf zu spielen, ist nicht aufgegangen“, erzählen sie lachend. Dafür war bisher nur selten Zeit, weil die Truppe anfangs noch häufig selbst hinter der Theke stand und auch inzwischen, wo sie ein gut aufgestelltes Team hinter sich hat, gut eingespannt ist: Vollzeitberuf, Familie und die Lowinerei als Hobby muss man erst einmal unter einen Hut bekommen. „Aber es hilft, dass sich die Aufgaben auf acht Schultern verteilen. Wenn einer mal beruflich viel an den Hacken hat oder im Urlaub ist, fangen die anderen sieben das auf.“
Eine gute Zeit für alle
Aber kann es bei acht Persönlichkeiten mit acht verschiedenen Vorstellungen nicht doch auch mal zu Konflikten kommen? „Wir kennen uns ja schon ewig – die großen Reibepunkte haben wir alle in den letzten Jahren schon abgehakt“, so Mitgründer Sebastian schmunzelnd. Auch die anderen sind der Meinung, dass die gemeinsame Bar die Gruppe sogar noch mehr zusammengeschweißt hat. Klar, bei acht Verantwortlichen muss jede Entscheidung gründlich ausdiskutiert werden, und auch im unternehmerischen Risiko steckt eine Menge Streitpotenzial. Aber bisher hat noch keine Meinungsverschiedenheit zum Zerwürfnis geführt. „Am Ende des Tages geht es einfach darum, dass wir alle eine gute Zeit haben!“ – das gilt für die acht Gründer, die sieben Angestellten und natürlich alle Gäste.
Und das ist gelungen. Das Schönste daran, eine eigene Kneipe zu besitzen, ist für die Lowinerei-Gründer: „Einen Ort zu haben, wo man immer hin kann und sich noch mehr als Stammgast fühlt, als es in einer ‚fremden‘ Stammkneipe je möglich wäre“, so Sebastian. Kollege Jörn ergänzt: „Ich denke immer noch jedes Mal, wenn ich reinkomme: ‚Krass, wir haben das wirklich gemacht. Und wie schön es hier ist!‘“ Dieses Coming-Home-Gefühl und auch die familiäre Stimmung, die unter den Betreibern der Lowinerei herrscht, macht ihre eigene Kneipe wohl zum schönsten Hobby der Welt. Was wir aus der Geschichte lernen können? Es lohnt sich, Schnapsideen nicht immer als solche abzutun – manchmal kann Großes daraus werden.