Kunst & Kultur
wo westfalen wiehert
erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 118 (November 2022)
Shetlandponys und Esel begrüßen die Besucher vor dem Westfälischen Pferdemuseum im Allwetterzoo. Und das seit 20 Jahren. Wenn die Vierbeiner mit Kulleraugen und Wuschelmähne am Zaun stehen, schmilzt jedes Menschenherz dahin – ob Pferdefreund oder auch nicht.
VOM FÖRDERVEREIN ZUM MUSEUM
Das ist gut so, denn das Thema Pferd betrifft uns alle. Auch durch unsere Vergangenheit! Wenn wir das Geschichtsbuch aufschlagen, wird schnell klar: ohne Pferd keine Mobilität, keine gepflügten Äcker, keine Nachrichtendienste per Postkutsche. Ohne Pferd wäre das Münsterland um viele Olympiasieger (Winkler, Ligges, Balkenhol, Beerbaum, zweimal Klimke, Krajewski usw.) ärmer. So wollte man dem Pferd in Westfalen ein Denkmal setzen. Ideengeber für ein Museum war der Fernsehjournalist Michael Stoffregen-Büller, unterstützt von Hendrik Snoek (u.a. Turnier der Sieger), Herzog Rudolph von Croÿ und anderen. Vor 30 Jahren gründeten sie den Förderverein für das Pferdemuseum. Heute hat der Verein 300 Mitglieder und die Dauerausstellung Von Pferden und Menschen in Westfalen ist zum Dauerbrenner geworden. Auf 1000 Quadratmetern galoppieren Schaubilder und Exponate durch die Natur- und Kulturgeschichte des Pferdes.
„Mensch und Pferdhaben eine lange gemeinsame Geschichte, in der der Menschdem Pferd sehr viel zu verdanken hat. Dies zu zeigen und die Wertschätzung für unser Mitgeschöpf Pferd zu fördern, ist mir eingroßes Anliegen!“
RUDOLPH VON CROŸ, VORSITZENDER DES VEREINS ZUR FÖRDERUNG DES WESTFÄLISCHEN PFERDEMUSEUMS
TRUBEL ZUR ERÖFFNUNG
An die Anfänge des Museums erinnert sich Direktorin Sybill Ebers genau: „Ich war damals im Deutschen Hygiene-Museum Dresden angestellt, habe die Stellenanzeige gesehen, war begeistert, habe mich beworben, und dann ging alles sehr schnell.“ Die Diplom-Biologin bezog am 2. April 2002 ihr erstes Direktorinnenbüro – im Container an der Baustelle. „Als endlich alles fertig war, kam eine Journalistenwolke: Zur Eröffnung sind wir dann ins Museum hineingeritten!“ Sie selbst hatte ein Islandpferd, mit dem sie vorher noch durch den Zoo getöltet ist. Der damalige Oberbürgermeister Berthold Tillmann saß in der Kutsche, der WDR-Moderator Manfred Erdenberger habe auf einem Shire Horse gesessen, der größten Pferderasse der Welt.
„Es ist das Gesamtkonzept des Westfälischen Pferdemuseums, das mich so fasziniert: zunächst das exzellent ausgestattete Museum, das die Bedeutung des Pferdes für die Geschichte der Menschheit allgemein, aber insbesondere auch für unsere Region verstehen lässt. Dann die vielfältigen temporären Ausstellungen sowie die Veranstaltungen im Hippomaxx-Rondell, bei denen Menschen aller Altersgruppen an das Pferd herangeführt werden und Ausschnitte aus der Welt der Pferde hautnah erleben.“
MARTIN PLEWASTELLVERTRETENDER VORSITZENDER DES FÖRDERVEREINS
VOR 50 MILLIONEN JAHREN
Wer heute das Museum besucht, kommt gewöhnlich zu Fuß in das Gebäude, zu dem die Ausstellungshallen, ein Shop, ein Show-Ring mit Platz bis zu 300 Besuchern und ein Depot gehören. Zu den Pferden, die auf dem Sockel stehen, gehört das Urpferd: so groß wie ein Fuchs oder Hund, 50 Millionen Jahre alt. Die Rekonstruktion zeigt das „Hyracotherium“. Ähnlichkeit mit einem Pferd? Zumindest die Winkelung der Hinterbeine erinnert an das lauffreudige Wesen, das wir kennen. Aus der Zeit, als die moderne Sportpferdezucht Westfalen zum Exportschlager machte, stammt der der Zuchthengst Polydor, geboren 1972. Sehr echt wirkend dreht er sich auf einer Bodenscheibe. „Da kommen Tierpräparatoren aus ganz Deutschland, um sich den anzusehen!“, ist die Museumsleiterin stolz.
VON PFERDEN UND MENSCHEN
Unter Glas liegt ein echtes Skelett aus einem mittelalterlichen Fürstengrab aus Beckum. Ein Grubenpony hängt im nachgebauten Stollen, bereit für den Einsatz unter Tage. Der Springsattel von Hans Günter Winklers Halla ist ausgestellt, Fotos des begnadeten Pferdefotografen Jaques Toffi aus Hamburg hängen an den Wänden. Natürlich bekommen die Dülmener Wildpferde ihren Raum: Ein Film aus den 1930er Jahren läuft in Dauerschleife. Das älteste Pferdebuch von 1772 – ein riesiger Schinken! – liegt in der Vitrine, („10.000 Euro hat das Buch gekostet, was vom Förderverein übernommen wurde.“). Anatomiebilder, Reitjacketts berühmter Sportler, gesattelte Reitsimulatoren zum Probereiten, ein plastinierter Pferdeschädel in Scheiben geschnitten. Damit Reiter die Gesundheit ihres Pferdes besser verstehen, erklären Schaubilder die Organe. „Würde man eine Pferdelunge platt bügeln, wäre sie so groß wie ein Fußballfeld“, erklärt Sybill Ebers.
Im Show-Ring treten regelmäßig Pferdeleute auf, zeigen Reitweisen und Pferderassen. „Es ist eine Verbindung zwischen Museum und lebendigen Tieren“, lädt Sybill Ebers ein und zeigt noch die Hintertür zum Pferdestall: Es duftet nach Heu und die Boxen sind frisch eingestreut. Demnächst sind die schwarzen Friesenpferde zu Gast.