Kunst & Kultur
Plumpsklo, pfau und platz für pättkes
1. Der Gründungsbau: Die Bockwindmühle
Gründungsbau und Wahrzeichen des Museums. Dazu gehört die Bockwindmühle mit ihrem hölzernen Korpus – wie der Lambertiturm oder das Rathaus – längst zur Skyline der Stadt Münster. „Nur zehn Minuten sind es mit der Leeze zwischen dem Rathaus der Großstadt Münster und dem Mühlenhof, der eine Lage wie auf dem Land hat“, schwärmt Elke Berner. Seit 1993 ist die Volkskundlerin wissenschaftliche Mitarbeiterin auf dem Mühlenhof. Zum Geburtstag des Freilichtmuseums erzählt sie, wie alles anfing: „Der Verkehrsdirektor Theo Breider hatte Ende der 1950er Jahre die Idee, in Münster wieder eine Bockwindmühle aufzustellen, wie sie jahrhundertelang vor den Toren der Stadt ihre Flügel drehte.“ 1944 wurde Münsters letzte Mühle zerstört, die auf dem Platz vor dem heutigen Café Himmelreich stand – in der Innenstadt habe man ja schließlich auch den Prinzipalmarkt wieder auferstehen lassen … Diese Mühle solle ein Zeichen setzen, dass die Stadt Münster mit ihrem landwirtschaftlichen Umland aufs Engste verbunden ist. „Eine solch‘ gesuchte Mühle hatte Theo Breider auch schnell gefunden: Ein Landwirt aus Oberlangen im Emsland besaß eine stillgelegte Bockwindmühle und wollte sie auch der Stadt Münster stiften“, weiß Elke Berner. Im Jahr 1961 fing der Bau an, am 23. September 1961 war Einweihung. Tausende von Münsteranern feierten um die Mühle, die damals einsam oberhalb des Aasees stand. „Ein Museum hatte damals eigentlich keiner im Sinn“, sagt Elke Berner, „aber dann entstand eine Eigendynamik, und Theo Breider war in Fahrt …!“
2. Rosinenstuten und Hefezöpfe
Es duftet, es schmeckt – ein Magnet genau gegenüber der Mühle: An vielen Sonntagen und fast auf jeder Veranstaltung raucht es aus dem Backhaus von 1749, und eine Menschentraube steht davor und wartet, dass Bäcker Tono Mönnig den Holzschieber in den Steinofen wuchtet und mit verführerischen Teilchen bestückt wieder rausholt. Seit 40 Jahren ist er dabei. Der Bäcker gehört zur Familie Mönnig, die an der Hammer Straße das gleichnamige Café betreibt. Aber an den Genuss eines warmen Rosinenstuten, den man im Gras sitzend im Schatten der Mühle verspeist, kommt leider keine noch so prominente Café-Torte ran!
3. Der zweite Streich
Das zweite Gebäude am Mühlenhof war 1963 das Mühlenhaus. Es sollte Begegnungsstätte für Heimatfreunde und Museumsbesucher sein. Tatsächlich ist es das älteste Gebäude auf dem Museumsgelände – von 1619 stammt das Zweiständerhaus aus dem Emsland, und es ist seit vergangenem Jahr mit neuem Reet eingedeckt. Man tritt ein und muss genau schauen, denn es ist dunkel und riecht intensiv nach altem Holz und ewig Geräuchertem. Ein eingerichtetes Haus von damals, Mensch und Tier unter einem Dach – es wird jedem schnell klar: Ein Zuckerschlecken war das Leben damals nicht. Die Frischluft blieb draußen, die Kälte kroch hinein.
4. 60 Jahre und die Bilder in Webers Kotten
Eine Litfaßsäule vollbeklebt mit Zeitungsartikeln aus über einem halben Jahrhundert – im Obergeschoss von Webers Kotten läuft derzeit bis zum ersten November die Sonderausstellung zum 60. Geburtstag des Museums. Unter den hölzernen Dachbalken gerät man beim Betrachten der Bilder auf eine Reise in die Vergangenheit und kann die Begeisterung der Menschen nacherleben. Im Erdgeschoss von Webers Kotten (1753, er stand in Angelmodde) sind Leinen und Handwerkszeug ausgestellt – das, was früher das Frauenbild der Münsterländerin prägte: die Aussteuer für heiratsfähige Mädchen, geklöppelte Deckchen, gebleichtes Leinen, gestickte fromme Wünsche. Wem im Erdgeschoss zu viel „Frau am Herd“ ist, der wird draußen aufblühen: Im Garten flattern Schmetterlinge und brummen Bienen im bunten Bauerngarten, wo auch noch das Leinen wächst, das zu Stoff verarbeitet wurde – und diverse Färberpflanzen.
5. Gründe für einen Besuch im Oktober
Von Freitag, 1., bis Sonntag, 3. Oktober, findet am Wochenende das Lichterfest statt. Am Mittwoch, 6. Oktober, steht die mobile Obstpresse auf der Museumswiese. Die alten Apfelsorten vom Gelände werden in goldenen Saft verwandelt. Am Sonntag, 17. Oktober, ist Herbstmarkt. Am Freitag, 22. Oktober, sind Biene Maja und Willi im übertragenen Sinn die Stargäste. Über 25 Stände beleben die Premiere des Honigmarktes.
6. Wasser ... marsch
Das neueste Schmuckstück unter den Gebäuden ist das historische Feuerwehrgerätehaus in Nachbarschaft der Schule und zwei Häuser weiter von der Schuhmacherei. Das Gebäude steht nagelneu wieder aufgebaut, flankiert von Spritzwägelchen, denen man gerade mal das Löschen eines Tragegrills zutraut. Die Nutzung des Gebäude-Innenlebens ist noch offen. Vielleicht ist dort Platz für eine Spekulatiusbäckerei zum Weihnachtsmarkt?
7. küche und kapelle
Ein moderner Holzbau, klar und einfach geplant, schmiegt sich an den Gräftenhof. Vergangenheit und Zukunft passen optisch ansehnlich zusammen! Im Gräftenhof finden regelmäßig Veranstaltungen mit Bewirtung statt. In der modernen Küche ist Tim Halbach der Küchenchef. Die Gastronomie ist ein Baustein, der die Finanzierung des Museums mittragen soll. „Wir überlegen noch, ob wir eines Tages noch das Á-la-carte-Geschäft anbieten“, sagt Anne Wieland. Einen dauerhaften öffentlichen Biergarten soll es nächstes Jahr geben, am Dorfkrug. Der Plan eines Biergartens zum Aasee hin liegt aber erst einmal in der Schublade. Bald realisiert soll dagegen eine rekonstruierte Kapellenschule sein. Es existieren Aufzeichnungen von der Hauenhorster Kapellenschule aus Rheine von 1785, sie war gleichzeitig Schule und Gotteshaus. Im Sommer 2022 ist der Baubeginn. Küche, Kapelle und mehr: Das alles wuppt seit 1963 der gemeinnützige Verein De Bockwindmüel e. V., heute sind es etwa 800 Mitglieder. Dazu hat der Mühlenhof 17 Festangestellte und etwa 40 Aushilfskräfte. Der erste Baas, also der Vereinsvorstand, ist Dr. Markus Johow.
8. Prominenz
Nicht nur das gemeine Volk, auch Filmstars und Prominenz haben den Mühlenhof entdeckt. Er war Filmkulisse etwa für „Paula – mein Leben soll ein Fest sein“, das Leben der Paula Modersohn-Becker, einer hochbegabten Künstlerin und radikal modernen Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Film war auch im Mühlenhof im Open-Air-Kino zu sehen. Ansonsten gab es unter den Flügeln der Mühle einen Parteitag der FDP, und die Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Karl Carstens und Johannes Rau waren auch schon hier …
9. Wissenschaft und Pädagogik – oder einfach nur Atmosphäre genießen?
Schultafel und Holzbänke, Wagenräder und Blecheimer, Mühlsteine, Getreidekutschen, bestickte Aussteuer und ein Webstuhl, Schuhleisten und eine Kurbelkasse – das alles sind kleine Exponate auf dem Mühlenhof. Nicht nur zum Schauen! Auch Kurse zum Nachmachen finden statt oder sind geplant: Imkern, Schmieden, Messer schleifen und vieles mehr. Fachwerkgebäude, Schafsweide, Bienenhaus und Schmiede, die Roßmühle und als Treffpunkt der Dorfkrug und der Gräftenhof: „Die Atmosphäre ist so wunderschön auf diesem schönen kleinen Museumshof“, dieses Feedback hört die Museumsleiterin und Geschäftsführerin Anne Wieland am häufigsten von den Besuchern. Persönlich würde Anne Wieland viel wissenschaftlicher vorgehen, an einigen Exponaten digital oder analog eine kleine Geschichte hängen oder einen QR-Code befestigen, der Historisches wiedergibt. „Dann könnte jeder, der wirklich Interesse hat, in Ruhe die Geschichte studieren. Das möchte ich noch umsetzen“, sagt die Wissenschaftlerin, die seit 2020 die Leiterin des Museums ist. „Wir haben viele Fördergelder bekommen, haben die Außenanlagen gut hergerichtet. Aber 2021 laufen die Förderungen aus und wir hoffen doch auf eine Fortsetzung …“
10. Blick in die glaskugel
„Jetzt werden zeitnah die Bauanträge für die Kapelle, den Wintergarten für den Dorfkrug und das Tor zum Aasee, das vor allem die Sichtbarkeit erhöhen soll, eingereicht. Solange wir auf den bisherigen Flächen bleiben, bedarf es keines eigenen Bebauungsplanes. Der Standort der Kapelle wird noch abgestimmt“, verrät Anne Wieland, was die nahe Zukunft bringt. Von 900 Quadratmetern ist der Mühlenhof auf fünf Hektar angewachsen. Die Volkskundlerinnen Anne Wieland und Elke Berner wünschen sich für die fernere Zukunft: „Noch mehr Platz …“ Denn zwischen den jetzigen Gebäuden soll die Großzügigkeit bleiben. Das macht das Landflair dieses schönen Museums doch erst richtig aus …
Theo-Breider-Weg 1, Am Aasee nähe Naturkundemuseum und Allwetterzoo, muehlenhof-muenster.org