Tour durch den Wolbecker Tiergarten
Foto: Cornelia Höchstetter

Zu Fuß

Vom Jagdpark zum Urwald

Ausgerechnet dem Jagdvergnügen der Fürstbischöfe verdankt Münster den ältesten Wald im Münsterland. „Genau wie der Berliner Tiergarten war der Wolbecker Tiergarten nichts anderes als ein Jagdpark, also ein eingezäuntes Jagdgebiet, das den Landesfürsten ein recht einfaches Jagdvergnügen ermöglicht“, erzählt Alfons Gernholt vom Heimatverein Wolbeck. „100 Rotwildhirsche und etwa 500 Wildschweine lebten im 18. Jahrhundert hier im Wald.“ Daher der Name „Tiergarten“ für den 288 Hektar großen Wald im Südosten der Stadt Münster. 

WOLBECK – VON WÄLDERN UMGEBEN 

Die Umgebung von Wolbeck bestand im 13. Jahrhundert zu 75 Prozent aus Wäldern. „Also nahmen sich die Fürstbischöfe davon einen Teil, zäunten den Wald mit geflochtenen Hölzern und Wallanlagen ein. Wo die Angel an zwei Stellen den Zaunverlauf durchbrach, wurden Klappen im fließenden Wasser angebracht – das Wild kam nicht mehr weg“, sagt der Wolbecker. Er engagiert sich im Heimatverein und bietet jedes Jahr am Karfreitag sowie am 3. Oktober eine Führung durch den Wald an.

VON DER KIRCHE ZUM PREUSSISCHEN STAAT

Die fürstbischöfliche Jagd fand mit der Säkularisation ihr Ende. Der Wald aus dem Kirchenbesitz fiel in die Hände des preußischen Staates. Nun wurde viel Holz geschlagen, aber auch wieder aufgeforstet. Der Wald blieb also bestehen. „Andere Wälder sind Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts regelrecht vernichtet worden, weil die Bauern aus der Not ihr Brennholz schlugen und ihr Vieh in die Hutung trieben“, erklärt Hans-Lothar Wermter, der zuständige Förster in Wolbeck. 

Angel Brücke im Wolbecker Tiergarten Foto: Cornelia Höchstetter
Spiegelbilder sieht man auf der Angel Brücke.
Wanderpfad im Wolbecker Tiergarten Foto: Cornelia Höchstetter
So ist der Naturlehrpfad ausgeschildert.

WALDLICHT UND WALDLUFT

„Beim Spaziergang im Wald erlebt man, wie das Licht zwischen den Bäumen die Stimmung wunderbar verändert, die Luft ist rein und es ist ganz still im Wald“, schwärmt der Förster. „Das tut der Psyche ganz einfach gut.“ Was für den Naturmenschen logisch ist, ließ das Landwirtschaftsministerium in Japan Anfang der 1980er Jahre wissenschaftlich untersuchen und stellte fest: der Wald hat eine medizinische Wirkung. Die Japaner nennen diese Medizin „Shinrin-yoku“, übersetzt als „Wald (luft) bad“. Seit einigen Jahren ist „Waldbaden“ auch in Deutschland angekommen.

BEFLÜGELTE PHANTASIE

Ob Waldbaden, Sonntagsspaziergang, Joggingrunde, Radtour oder Ausritt mit dem Pferd: im Winter hat der Wald seinen eigenen Reiz. Weil die Sonne in diesen Wochen tief steht, taucht sie die blattlosen Äste und bemoosten Stämmen in weiches Licht, lässt die Regentropfen und Spinnenweben an den Fingern der Farne glitzern. Wenn es am Nachmittag schnell dunkel wird, erzählen die Äste der alten Eichen von gruseligen Gestalten.

Buchen im Wolbecker Wald Foto: Cornelia Höchstetter
Bildhaft erklärt: Das Sturmopfer zeigt, wie flach auch Buchen im Pseudogley-Boden des Wolbecker Waldes wurzeln. Und wie schön Brennnesseln in der Wintersonne leuchten.

WALD UNTER NATURSCHUTZ

Förster Wermter erklärt, dass der Wald zur Holzerzeugung da ist, aber auch zum Artenschutz und als Lebensraum für Flora und Fauna. Er stellt die geschützte „Naturwaldzelle“ im Nordosten des Waldes vor, die schon 1906 aus der Forstnutzung genommen wurde. Weiterhin gibt es das „Wildnisentwicklungsgebiet“ im Süden des Tiergartens. Betreten verboten, Beobachten vom Wegesrand erwünscht: „Seit 2010 ein Sturm viel kaputt machte, lassen wir dort etwa 50 Hektar in Ruhe“, sagt der Förster: Hier liegen Bäume der Länge nach am Boden, die Wurzeln stehen imposant in der Senkrechten. Andere alte Bäume verfallen im Stehen, in den morschen Stämmen ist es ein Leichtes für die Vögel, Höhlen zu bauen. Es ist ein Lebensraum für vielfältige Arten. Man hat die Chance, Feuersalamander, Wespenbussard, Mittelspecht oder Fledermäusen zu begegnen. Auch den Schwarzspecht hört man manchmal in den alten Eichen. „Ein kleines Stück wie aus einem Nationalpark“, beschreibt Förster Wermter. Das Waldleben ist dann ein Kreislauf: Totholz verfällt, verfault, wird weich, löst sich mit den Jahren zu Waldboden auf. Aus den organischen Stoffen werden Mineralien für die Erde, die wiederum die Wurzeln der gesunden Bäume aufnehmen. In Zukunft wird Münster also seinen kleinen Urwald haben. Dank der Fürstbischöflichen Jagdleidenschaft wird am Ende alles wieder auf den Anfang gedreht.

Der Illa Andreae Weg Foto: Cornelia Höchstetter
Der Weg in den Wald ist nach der Wolbecker Schriftstellerin Illa Andreae benannt.
Foto: Heithoff&Companie
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