Oliver Tondéra hält Schablone Oliver Tondéra hält Schablone
Foto: Peter Leßmann

Menschen

Gravur mit Bravour

erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 101 (April 2021)

Zu allen Zeiten benutzten Menschen Schneidewerkzeuge, um Schmuck und Gebrauchsgegenstände zu verzieren. Die Dekorationstechnik des Gravierens auszuüben ist Heino Tondéras Berufung. „Ohne den Graveur geht es in der heutigen Wirtschaft eigentlich gar nicht. Alles, was Sie sich vorstellen können, egal ob das Schokoladen oder Spritzguss oder andere Formen sind – was mit Schriften und Ornamenten zu tun hat, wird immer noch von Graveuren erarbeitet.“

So breit gefächert ist auch das Repertoire vom Hand Graveurmeister Heino Tondéra. Anders als beim industriellen Gravieren, dem Prägen, Drucken und Ausstechen, gestaltet Tondéra gemeinsam mit seinem Sohn jegliche Aufträge von Hand. Diese Handgravur eignet sich zur ornamentalen Gestaltung vor allem von Schmuckoberflächen und Tafelgeschirr. Jedes Projekt hat seine eigene Geschichte, Herkunft und Herausforderung.

Geschichte steckt auch in Tondéras Handwerksbetrieb, der mittlerweile über 100 Jahre als Spezialgeschäft für exklusive Handgravuren am Verspoel zu finden ist. Heino Tondéra übernahm das Geschäft vor 35 Jahren, startete damit in seine Selbständigkeit und arbeitet seither für Juweliere sowie Privatkunden. „Schwein“ hat er seit damals. Es steht allzeit sichtbar auf der gerahmten Bleistiftzeichnung von Tondéras Gesellenstück und soll Glück bringen. Der erste Kunde – Mäkki Reuter alias Prinz Max II. von Friedonesien, Prinz Karneval 1948 – überreichte es dem jungen Graveur zur Geschäftseröffnung.

Glücksschwein Foto: Peter Leßmann
Bis heute hat das Glückschwein (oben auf dem Rahmen) seinen festen Platz in Heino Tondéras Arbeitsbereich, direkt über der Bleistiftzeichnung seines Gesellenstücks. 1986 überreichte Mäkki Reuter alias Max II. erster Nachkriegskarnevalsprinz, diesen Glücksbringer zur Geschäftsübernahme.
Heino Tondéra Foto: Peter Leßmann
Heino Tondéra an seinem Arbeitsplatz. In der Hand den Facettstichel, dessen Schneide so fein und scharf ist, dass sie feine, dünne Linien in Metalle stechen kann.

VATER UND SOHN BELEBEN GEBRAUCHTE SCHMUCKSTÜCKE

Jeden Tag erwartet das Vater-Sohn-Gespann abwechslungsreiche Arbeit an den Lieblingsstücken von Kundinnen und Kunden. Oft geht es um die Restauration verschlissener Schätze mit persönlichem Wert. Die Tondéras arbeiten aber auch viel mit Devotionalien. Dazu gehören goldene Ringe und Dienstsiegel, die Heino Tondéra schon für den Bischof und den Papst herstellen durfte. Armbänder, Anhänger und die Verzierungen goldener Uhren im Gehäuse oder von der Rückseite gravieren die beiden Tondéras. Durch häufiges Tragen und den täglichen Gebrauch verlieren Schmuckstücke die Feinheiten einer Oberflächengravur. Mit entsprechender Nacharbeit stellen Vater und Sohn den ursprünglichen Glanz wieder her. Beispielsweise wenn sie die Gravuren von Taschenuhren nachstechen, die durch den Reibeeffekt und Gebrauch die Gravur teilweise verloren haben. Anhand von alten Fotos und Vorlagen und entsprechend der Kundenvorstellung heben die Tondéras die Details der Erinnerungsstücke wieder ans Tageslicht.

PERSÖNLICHE FANTASIEN KENNEN KEINE GRENZEN

Für individuelle Gestaltungen ist neben dem nötigen Feingefühl und der handwerklichen Geschicklichkeit Kreativität gefragt. Monogramme, Textgravuren, Adels- und Familienwappen, Couleur- und Schützensilber. Die Wünsche der Kunden sind weit gefächert und mitunter anspruchsvoll. Ein Graveur ist hoch fokussiert. Der Blick, die Hände, die volle Aufmerksamkeit sind einzig und allein auf den zu bearbeitenden Gegenstand gerichtet. „So ein Fertigungsprozess kann schon mal einige Stunden dauern“, erzählt uns der Hand-Graveurmeister Heino Tondéra. Die Kunden pflegen den persönlichen Kontakt und erklären ihr Anliegen. Gemeinsam mit ihnen erarbeiten die Tondéras eine mögliche Lösung für ihr individuelles Vorhaben. Im ersten Schritt erarbeitet der Spezialist Skizzen für die anstehende Gravur. „Tausende Monogramme haben wir hier schon gestaltet. Viel von Hand gezeichnet, einiges auch als Schablone angefertigt,“ führt Oliver Tondéra aus. Dabei gehen die Tondéras auf den jeweiligen Persönlichkeitstyp ein. Und sie lieben den Kontrast. Gegensätzliche Designs, wie ein strenger Schlüsselanhänger, der mit einem geschwungenen Schriftzeichen versehen wird, leben laut Heino Tondéra mehr. Sobald der Auftraggeber entscheidet, was gefällt oder geändert werden soll, geht es weiter. „Es soll ein möglichst persönliches Schriftzeichen für den Einzelnen sein“, so Tondéra.

Meisterstück Foto: Peter Leßmann
Zu seinem freiwilligen Meisterstück inspirierte den Hobbyangler Oliver Tondéra ein besonderer Anglertrip in Alaska. Die Anfertigung dauerte circa 80 Stunden. Mit dieser Gravur erhielt er 2017 die Auszeichnung als Jahresbester, genau wie sein Vater 1985.
Stichel Foto: Peter Leßmann
angeIn Reih und Glied stehen die Stichel bereit. „Um Gottes Willen, bloß nicht durcheinanderbringen“ ruft Tondéra. Denn für die Arbeit ist gewohnte Ordnung elementar. Jeder Handgriff läuft nahezu perfekt ab und das nötige Werkzeug liegt entsprechend akkurat parat

BREITER, FLACHER, SPITZER – DIE ARBEIT MIT DEM STICHEL

„Alle denken: Wie macht er das? Etwa mit der heißen Nadel? Dinge, die im Volksmund so vertreten sind. Auch dass die Werkzeuge hier speziell und sauber sind. Ich sag mal so: Das Einzige, das tip top sein muss, sind die Facetten an den Sticheln“, klärt Heino Tondéra auf. Ein Graveur arbeitet mit dem sogenannten Stichel. Dabei führt er den flachen Stahl mit einem Holzheft in der Hand. Je häufiger die messerähnliche Spitze graviert, desto öfter gehört sie mit einem Ölstein geschliffen. Die angeschliffene Facette muss scharf und poliert sein, um präzise Ergebnisse zu erzielen. Dabei hat der Meistergraveur die Wahl zwischen breiteren, flacheren und besonders spitzen Sticheln. Graviert werden die Linien, die zuvor mit Bleistift auf Deckweiß gezeichnet wurden. Weniger punktuell als bei einem Tattoo, wird der Stichel entlang der zu stechenden Linien geführt. Währenddessen vertieft der Graveur den Facettenstichel von der Oberfläche etwas in das Metall. Durch den Schnitt lässt sich der Span herausheben. Aufgezeichnet, gestochen und poliert. „Am Ende liegt das besondere Stück auf dem Tisch und glänzt“, weiß Heino Tondéra. Der münstersche Hand Graveur ist bis heute gefragter Kreateur in kniffligen Angelegenheiten. „Wir haben mit Dingen zu tun, die sonst nicht mehr bearbeitet werden können. Wo das ,Normale‘ aufhört, fangen wir erst an. Deshalb sind wir zu Spezialisten geworden. Die Nachfrage nach der besonderen Technik des Flachstichs ist nach wie vor und auch international sehr groß“, berichtet der 59jährige Kunsthandwerker. „Sticheleien“ am Arbeitsplatz gehören in der Werkstatt eines HandGraveurs zum Alltag, bei den Tondéras herrscht zudem allerdings eine angenehme Atmosphäre. Tondéra Senior gibt sein angesammeltes Wissen und den Erfahrungsschatz als langjähriger Graveur gerne weiter. Er hegt den Wunsch, dass sein Sohn den Familienbetrieb zukünftig weiterführt. Oliver Tondéra soll mit der erlernten Kunst in Ruhe arbeiten. „Graveure formen, schmücken und gestalten“, charakterisiert Heino seinen Berufsstand. „ … und zaubern“, fügt sein Sohn verschmitzt hinzu.

Foto: Peter Leßmann
Hauchdünn und haargenau zeichnet Heino Tondéra die Linien mit der spitzen Beistiftspitze vor.
Heino Tondéra Foto: Peter Leßmann
„Wir haben mit Dingen zu tun, die sonst nicht mehr bearbeitet werden können. Wo das ,Normale‘ aufhört , fangen wir erst an." Heino Tondéra

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