Die Wankelgasse Die Wankelgasse
Foto: Peter Leßmann

Geschichte

Das Übrigbleibsel

Die Gasse 

Wankelgasse? Nachtschwärmer kennen vielleicht die Abkürzung von der Überwasserstraße zur Kuhstraße. Aber viele Münsteraner schütteln nur den Kopf, wenn sie danach gefragt werden. Kein Wunder, von der Überwasserstraße erahnt man kaum eine Gasse, weil deren Anfang mehr ein Durchgang unter den Wohnhäusern Nr. 12 und 16 ist. Tatsächlich geht es weiter, vorbei an Fahrrädern, acht Treppenstufen hoch. Zwischen den Betonstufen, die Sandsteinoptik imitieren, quetschen sich Löwenzahn und Grashalme. Zur linken Hand eine Reihe Garagentore mit Klapptüren, Bauweise der 1950er Jahre, ebenso die Maße: Würde ein SUV hineinfahren, dann ohne Außenspiegel. Gegenüber die Hausnummer 1 – mit einem verwunschenen Hinterhofgarten.

Die Geschichte

„Dabei war die Gasse früher viel länger“, erklärt der Historiker und Leiter des Havixbecker Sandsteinmuseums, Dr. Joachim Eichler, der sich in Münsters Stadtgeschichte bestens auskennt. Auf dem „Alerdinck-Plan“ von 1636 ist die Gasse zu sehen. Wie schmal sie war, ist auf einem Stadtplan von 1903 noch besser zu erkennen. Von der Kuhstraße bis zum Katthagen zog sich die Wankelgasse in einem sachten Bogen dahin. Die Überwasserstraße existierte damals noch nicht – sie ist eine der neuen Durchbruchstraßen, die in der Nachkriegszeit nur gebaut werden konnten, weil das Viertel in Schutt und Asche lag. „Deswegen blieb auch nur dieser kleine Teil der Wankelgasse bis heute übrig. Andere Gassen sind komplett verschwunden“, sagt Dr. Eichler. So erklärt sich, warum an der Wankelgasse trotz langer Geschichte schlichte Hausfassaden der Nachkriegszeit stehen. Etwa 45 Meter sind von der alten Wankelgasse übriggeblieben. 45 Meter aus dem ursprünglichen Kuhviertel, dessen Existenz ins Mittelalter reicht. In fast jedem Stadtführer steht folgender Spruch zum Kuhviertel und nennt Gassen, die es nicht mehr gibt: Tasche, Brink und Ribbergasse, Messerstecher erster Klasse.

„Überaus viele Herbergen und Gasthöfe hat es früher im Überwasserviertel gegeben, zu dem das heutige Kuhviertel gehört“, erklärt Dr. Eichler. Die logische Folge also, dass sich daraus das Kneipenviertel Münsters entwickelte. „Die älteste Herberge war wohl der Krug zu Überwasser an der verschwundenen Ribbergasse, die in der westlichen Überwasserstraße aufgegangen ist. Hier hatte der reitende Postbote aus Altenberge seine Unterkunft“, weiß der Historiker. An der Jüdefelder Straße reihte sich ebenfalls Herberge an Herberge: Jüdefeldertor-Herberge, Im Lindenbaum, Zu den 3 weißen Lilien oder Im güldenen Mond.

Wankelgasse 1 Foto: Peter Leßmann
Laut Briefträgerin ist die Nummer 1 das einzige Gebäude mit der Adresse „Wankelgasse“.

Der Name 

Im städtischen Straßennamenverzeichnis ist zu lesen, dass die Straße im mittelalterlichen Wegenetz Kemenadenstege hieß. Ab 1513 dann Wanckenstege, daraus wurde 1860 Wankelgasse. Möglich, dass sie wie fast alle Gassen nach einer adeligen Familie benannt wurde. Aber eine Familie Wankel ist urkundlich nicht nachweisbar. Dr. Eichler kennt dagegen eine nette Anekdote: „Die Gasse war so eng, dass die aus dem Kuhviertel kommenden Trinker wohl wanken, aber nicht umfallen konnten.“

Die Verbindung heute 

Das könnte noch heute passen, denn die Gasse ist Abkürzung von Überwasserstraße zur Kuhstraße, wo die Traditions-Kneipe Destille zu finden ist. Einen Katzensprung weiter ist man in der Jüdefelderstraße, der Kneipenmeile Münsters. In den Häusern in und um die Wankelgasse leben heute einige Wohngemeinschaften, Studenten und junge Berufstätige. Ob die so glücklich mit den Kneipengängern als nächtlichen Nutzern der Gasse sind, sei dahingestellt. Als Spottname ist jedenfalls die Bezeichnung Pinkelgasse zu hören. Eklig für Anwohner wie Passanten und zu schade für so einen geschichtsreichen Ort.

Die Wankelgasse Foto: Peter Leßmann
Mehr Fahrradparkplatz als Fußweg: Die Wankelgasse mit dem Prinzipalmarkt als Wandgemälde.
Die Wankelgasse Foto: Peter Leßmann

Die Besonderheit 

Der Durchgang unter den Häusern der Unterwasserstraße trägt links wie rechts je ein monumentales Wandbild. Philipp Scharbert von den Lackaffen erzählt, dass sie von den Hauseigentümern den Auftrag bekommen haben, den Eingang zur Gasse aufzuhellen, damit kein düsterer Angstraum entsteht. Der Motivvorschlag: Der Prinzipalmarkt sollte im Kuhviertel Einzug erhalten. So hat man den Eindruck, an einer Seite dicht an Schaufenstern mit schicker Mode vorbeizulaufen und auf die andere Seite mit den Bögen zu blicken, unter denen die Lambertuslaternen hängen. „Dass dort inzwischen viele Fahrräder abgestellt werden, lässt das Wandbild noch realer wirken“, freuen sich die Lackaffen.

Die Geschäfte

Die Kunstwerkstatt hat zwar die Adresse Kuhstraße 4, aber in die Ausstellungs- und Atelierräume kann man durch die Fenster an der Wankelgasse spitzen. Nächstes Jahr feiern Werner Köhne und seine Künstlerkollegen 20-jähriges Bestehen der Werkstatt. Zwei bis drei Ausstellungen im Jahr kann man dort besuchen.

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