Von der Marievengasse blickt man auf   den Heeremannschen Hof in der Königsstraße 47. Von der Marievengasse blickt man auf   den Heeremannschen Hof in der Königsstraße 47.
Foto: Peter Leßmann

Geschichte

Rätsel um den Waschbär

Die Gasse 

Um es vorwegzunehmen: Die Kastellstraße ist ein Trampelpfad, ein Pättken, wie man in Münster sagt. Und das verläuft im Schatten der Bäume parallel zur Hüfferstraße, hinter deren Häuserzeile und entlang des Kastellgrabens. Abzweigungen erschließen ein parkähnliches Gelände. Die Gebäude der LBS und der Westfälischen Musikschule flankieren den Park. Fast im rechten Winkel knickt die Himmelreichallee ab und der Eingang zum Zentralfriedhof ist nah.

Die Geschichte

Was Krieg, Machtbauten und Festungsanlagen angeht, war und ist die Weltgeschichte voll davon. Zu besichtigen ist das vor Ort in unserer Stadt Münster. Ein Kastell ist eine militärische Befestigungsanlage. An der Stelle der Kastellstraße kommen zwei solcher Festungen zusammen. Zum einen, das erklärt Stadtführer und Geograph Dr. Ralf Klötzer aus Münster, „sind es Reste der einstigen Stadtbefestigung aus dem 12. bis zum 18. Jahrhundert – dazu gehören andere wie der Buddenturm, der Zwinger, Wassergräben und Schanzen sowie der Verlauf der Promenade.“ Zum anderen stand hier, westlich von Münster, eine Zitadelle. Auf jedem Stadtplan oder Luftbild fällt die Sternform um das Schloss und den Botanischen Garten auf. Festungen wurden gerne nach geometrischen Formen gebaut. In Münster sieht der Grundriss aus wie ein Stern. „Die Zitadelle war eine Machtdemonstration des Christoph Bernhard von Galen, der seit 1650 Fürstbischof von Münster war“, erzählt Dr. Klötzer, „vermutlich mehr als 5.000 Menschen errichteten das Bauwerk mit ihren Händen.“ Die Zitadelle war eine Festung, die nach außen und gleichzeitig zur Stadt gewandt war: „Als Bedrohung der Bürger, dass sie nicht mehr wagten, ungehorsam zu sein“, so Klötzer. Denn zweimal attackierte von Galen die Stadt Münster vergeblich, 1655 und 1657. „Erst im dritten Versuch 1660/1661 siegte der Fürstbischof. Dann baute er ab 1662 die Zitadelle.“ „Bomben-Bernd“ ist der passende historische Spitzname des Bischofs, der auch immer wieder niederländische Nachbarn, so die Stadt Groningen, angegriffen hatte – und unterm Strich mehr Kriegstreiber als Gottesmann war.

Die fünfeckige Zitadelle schloss sich im Nordwesten und im Südwesten an die Stadtbefestigung Münsters an. 30 GASSENLIEBE Wo heute die Kastellstraße ist, verlängerte von Galen die Mauern der Zitadelle zur Stadtmauer im Süden. Eine Erinnerung an den ehemaligen Kastellgraben des ersten Festungsbaus ist der sogenannte „Wasserbär“ (siehe Foto links). Das ist das übriggebliebene Stück Mauer mit steinernem Turm auf dem Gelände der Kastellstraße. Die Stiftung Bürger für Münster gibt jährlich den Kalender „Rätselhaftes Münster“ heraus. Hier schrieb Dr. Klötzer über den „Wasserbär“: „Ab dem 14. Jahrhundert war die Stadt entlang der heutigen Promenade von einer Stadtmauer und einem zwischen zwei Wassergräben gelegenen Außenwall umschlossen.“ In den Wassergräben standen Quermauern, um die unterschiedlich hohen Wasserspiegel zu halten. Da kam kein Feind drüber, zumal die Mauer nach oben spitz zulief. Und selbst wenn jemand balanciert hätte: Ein auf der Mauer gebauter Turm versperrte nochmals den Weg. „Die quer stehende Mauer wurde ‚Wasserbär‘ genannt. Der Begriff geht auf das mittelhochdeutsche ‚bar‘ als Schranke im Sinne von Barriere zurück“, erklärt Dr. Klötzer.

Wohnhaus Professor Landois Foto: Peter Leßmann
Bauähnlich und von einem Mann erdacht: Der alte Eingang zum Zoo, der gleichzeitig zum Wohnhaus von Professor Landois führte, die Tuckesburg
Eingang alter Zoo Foto: Peter Leßmann

Der Name 

Laut Katasteramt besteht der Straßenname seit 1873. Die Straße wurde nach den Befestigungswerken benannt. Als die bei den Münsteranern beliebte Gaststätte Lindenhof noch hier stand, hatte die Kastellstraße auch Hausnummern – heute nicht mehr.

Die Verbindung heute 

Für alle, die am Parkplatz Lindenhof an der Himmelreichstraße 40 parken, ist die Kastellstraße der schnelle Weg über die Promenade in die Innenstadt. Eltern kommen mit ihren Kindern an den Spielplatz Alter Zoo.

Die Besonderheit 

Bis 1973 war dies Zoogelände: Am Anfang der Kastellstraße im Westen steht noch das Tor zum alten Zoo: Wie ein Fremdling hebt sich die kunstvolle Bruchsteinmauer von den modernen Wohnungsbauten ab. „Der Zoogründer Professor Hermann Landois hatte einen Hang zur Kulissenarchitektur“, meint Dr. Klötzer. Im Jahr 1875 eröffnete Landois (1835–1905) den Tiergarten. Übrig aus der Zoozeit ist das Eulenhaus nahe der Musikschule. „Das stammt aber von 1959 und war eine Voliere. Gebaut wurde es im Stil des Landois’schen Geschmacks“, erklärt Dr. Klötzer. Am Anfang der Kastellstraße versteckt sich unter Bäumen das Wohnhaus des Professor Hermann Landois, die Tuckesburg. „An diesem Ort war ursprünglich eine Hinrichtungsstelle außerhalb der Stadt, um an Gesetzestreue zu erinnern“, sagt Dr. Klötzer, „Die dort an der nach Westen führenden Landstraße zur Schau gestellten Leichen von Hingerichteten sollten abschrecken.“ Hier ließ sich Landois sein ritterburgähnliches Zuhause bauen. Bis zu seinem Tod 1905 lebte er dort, seit 1892 mit seinem Affen „Lehmann“.

Rotkehlchen Foto: Peter Leßmann
Am Kastellgraben kann man Tiere wie das Rotkehlchen in Freiheit beobachten.
Foto: Peter Leßmann

Geschäfte/Anlieger

Die große Wiese am Ostende war im Sommer Standort des biergarten.ms – digital bestellen und bezahlen, nur getrunken wurde real im Grünen. Damit wird eine münstersche Tradition im Sinne des damaligen Lindenhofs als Ausflugslokal fortgeführt.

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