Gruetgasse Gruetgasse
Foto: Peter Leßmann

Geschichte

Die lizenz zum Brauen

Die Gasse 

Eine Gasse wie gemalt: Der schmale Weg ist mit Kopfsteinpflaster belegt und führt vom Rathausinnenhof zum Prinzipalmarkt. Man geht zwischen der Bruchsteinmauer des Historischen Rathauses und den Fenstern des Haus Ostendorff entlang. Die Gruetgasse ist etwa 36 Meter lang, keine einzige Hausnummer gehört zu ihr und sie endet im großen Rathausinnenhof.

Die Geschichte

In der Gruetgasse stand einst das Gruethaus oder Gruthaus: Dessen Geschichte erzählt Thomas Holz, Stadtführer und Mit-Gründer von StattReisen (stattreisenmuenster. de), gerne auf der Führung Der große Durst. laut Stadtarchiv füllte der Verkauf der Würzmischung schon 1278 die Stadtkasse. Die Stadt Münster hatte das Monopol auf die Kräuter, sie waren so etwas wie die Lizenz zum Bier brauen und eine wesentliche Einnahmequelle. Bereits im Jahr 1501 taucht der Name Grutstegge auf. Auf dem Alerdinck Plan von 1636 deutet Thomas Holz auf ein kleines Gebäude hinter dem Rathaus, von dem nichts mehr übrig ist: „Man nimmt an, dass das Gruethaus etwa dort stand, wo heute die Skulptur des baskischen Bildhauers Eduardo Chilida steht.“ Die Kunst heißt Toleranz durch Dialog und wird von manchem auch als „rostige Bänke“ bezeichnet.

Ende des Mittelalters löste das Keutbier aus Weizen und Malz das Gruetbier ab, Ende des 17. Jahrhunderts braute man mehr und mehr Hopfenbiere. Doch es gibt einen, der heute das Gruetbier wiederaufleben lässt: Ebenfalls auf einer Stadtführung zum Thema Bier hat vor 15 Jahren Philipp Overberg zum ersten Mal vom Gruethaus gehört. Er ist selbsternannter Bierhistoriker und gründete seine Brauerei Gruthaus (gruthaus. de). Seit kurz vor Weihnachten 2020 gibt es sein neuestes Bier mit dem Namen „Stadtbier Münster 1480“ in einigen Getränkemärkten und Cafés zu kaufen (TrinkGut, Grevener Bierzwerg und bei Herrn Hase). Inspiriert hat ihn die Geschichte der Gruetgasse: Er tauschte sich mit Historikern aus und wälzte im Stadtarchiv die Grutamtsbücher von 1480 und 1533. „Diese beiden Bücher hatten glücklicherweise die Wiedertäufer bei ihrer Zerstörungsaktion nicht gefunden“, erzählt Philipp Overberg. Er wertete die Rechnungen eingekaufter Zutaten aus und rekonstruierte „mit Mut und Phantasie“ das alte Rezept für ein Gruetbier. „Allerdings mit einem modernen trinkbaren Geschmack, erfrischend fruchtig dank des Dinkelanteils“, beschreibt er sein neues Bier. Die Kräutermischung besteht ähnlich wie früher aus Gagel (ein Strauch, der im Sumpf wächst), Wacholder, Kümmel und ein wenig Hopfen.

 Rundturm in der Gruetgasse Foto: Peter Leßmann
Der Rundturm schmiegt sich in die Perspektive ein.
St. Lambertus Foto: Peter Leßmann
St. Lambertus gibt den Passanten seinen Segen.

Der Name 

„Nur das Straßenschild unter den Bögen verrät die Existenz der Gruetgasse und das fällt vielen gar nicht auf “, sagt Thomas Holz. In der Gasse stand im Mittelalter namensgebend das „Gruethaus“, manchmal auch als „Gruthaus“ geschrieben. Gesprochen: „Gruut“ – was soviel bedeutet wie „Kräuter“. Das Wort kommt aus dem Niederdeutschen, daher das „Dehnungs-e“, was signalisiert, dass der vorhergehende Vokal lange gesprochen wird, während das „e“ selbst nicht gesprochen wird. „Wobei das keine feste Regel ist, wie man an ‚Coesfeld‘ und dagegen ‚Coerde‘ merkt“, sagt Thomas Holz.

„Die ‚Gruet‘ war eine Würzmischung, die im Mittelalter zum Bierbrauen nötig war“, erklärt der Stadtführer, „und die gab es ausschließlich im Gruethaus zu kaufen.“ Im Mittelalter trank man ein stark gewürztes Getreidebier – und zwar täglich und anstatt Wasser, was oft verunreinigt war.

Straßenschild Gruetgasse Foto: Peter Leßmann
Das Straßenschild hängt unter den Bögen am Prinzipalmarkt.

Die Verbindung heute 

Wer beim Amt für Bürger- und Ratsservice zu tun hat oder von der Stubengasse kommt und den kürzesten Weg zum Wochenmarkt sucht, ist hier richtig. Thomas Holz und seine Stadtführerkollegen lieben diese Gasse, weil es viel zu erzählen gibt.

Die Besonderheit

Blickt man vom Rathausinnenhof zur Gruetgasse, fällt der runde Turm an der Rathausrückseite auf – der in den Nächten des Schauraums in den letzten Jahren Projektionsfläche der Lichtinstallationen war. „Früher war der nicht rund, sondern eckig“, erzählt Thomas Holz und zeigt ein historisches Bild von der Rückseite des Rathauses. Der eckige Teil des Hauses entstand 1576 als Anbau und wurde mit dem Rathaus während der Bombennacht am 28. Oktober 1944 zerstört. Dank einer „Rathaus-Lotterie“ sammelten Münsters Kaufleute für den Wiederaufbau, die Einweihung stand 1956 an. Der Architekt Heinrich Benteler baute nicht nur das Rathaus wieder auf, sondern war auch beim Wiederaufbau des Doms mit beteiligt.

Die Geschäfte

Das benachbarte Ostendorff Haus am Prinzipalmarkt 11 steht in engem Bezug zum Gruethaus: Das typische Hanse- und Handelshaus wurde um 1380 durch einen Bogengang nach vorne erweitert und aufgestockt. Um 1460 mietete die Stadt Münster den Keller als Stadtbierkeller – lange Zeit konnte man nur hier Bier kaufen! Am 18. Dezember 1889 wurde die ALPHONSUS-BUCHHANDLUNG, Verlags- und Sortimentsbuchhandlung durch Albert Ostendorff gegründet. Heute noch besteht seit über 130 Jahren die Galerie Ostendorff im ersten Stock.

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