Rose Rose
Foto: Cornelia Höchstetter

Draußen

Rosige Zeiten

erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 104 (Juli/August 2021)

Es ist gerade mal der Auftakt der blühenden und duftenden Saison: Zum Fototermin war erst ein Teil der Rosen in Seppenrade erblüht – aber schon diese verströmten einen Duft, den man am liebsten einfangen und mitnehmen möchte. Im Rosengarten Seppenrade waren noch viele Beete grün – jedoch akkurat geharkt und schon fast ein wenig zu ordentlich hergerichtet. Es ist eben kein Naturgarten, sondern eine Rosenschau, die jederzeit geöffnet ist und die Besucher im herzlichsten Sinn an der Nase herumführt.

1 VEREIN, 450 MITGLIEDER, 400 SORTEN ROSEN

Im Juli ist die perfekte Zeit für einen Ausflug ins Rosendorf Seppenrade. Dann treiben es die dornigen Blumen besonders bunt, bis hinein in den Herbst. Darum kümmern sich das ganze Jahr von den 400 Heimatvereins-Mitgliedern etwa 100 Mitglieder regelmäßig. Es gibt etwa 400 Sorten Rosen und 25.000 Rosenstöcke auf dem Gelände, das an einem Hang liegt.

Annette Waltering Foto: Cornelia Höchstetter
Annette Waltering ist eine der Rosenfrauen, die sich um mindestens ein Beet im Rosengarten Seppenrade kümmern.
Rosengarten Seppenrade Foto: Cornelia Höchstetter
Umarmen der Rose: Im Jahr 1974 schuf der Künstler Norbert Ahlmann das „Symbol der Einsatzbereitschaft der Seppenrader Bürger“

Wer Mittwoch morgens den blühenden Garten besucht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit Friedhelm Landfester treffen. Der Vorsitzende des Heimatvereins Seppenrade erzählt gerne, wie sich das Fleckchen Erde an der Hauptstraße und B 58 im vergangenen halben Jahrhundert gewandelt hat. „Der Wettbewerb ‚Unser Dorf soll schöner werden‘ hat den Stein zur Gründung angestoßen“, erzählt der Vorsitzende. Selbst war er damals noch nicht im Heimatverein – er kam erst später nach Lüdinghausen – aber die Chronik seines Vereins kennt er natürlich genau: Ausgerechnet an Seppenrades ehemaliger Müllkippe begannen in den 1960er Jahre die Bürger, Beete anzulegen. Mit Gleichberechtigung hatte man es in der Zeit noch nicht so, also knieten vor allem die „Rosenfrauen“ in der Erde und bereiteten den Weg zum Rosendorf. 

Die Rose war damals die Gartenblume, die wahnsinnig beliebt war. Denn nicht nur, dass der Rosengarten 1969 eröffnet wurde – nicht nur, dass Seppenrade 1969 (unter anderen Maßnahmen auch dank der Rosen) die Goldmedaille im Landes-Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen hat – nein, Seppenrade wurde auch noch im Jahr 1972 als „Rosendorf “ von der Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde ernannt. Das war damals deutschlandweit erst das dritte Rosendorf und ist heute noch eins von nur dreien in Nordrhein-Westfalen. Um es kurz zu machen: Auf nach Seppenrade, dort blüht uns was!

Rose Foto: Cornelia Höchstetter
Rose Foto: Cornelia Höchstetter

MODERNE ROSEN DUFTEN WIEDER

Für den Rosengarten sorgt der Heimatverein, der auf dem Gelände auch sein Heimathaus hat. „Seit 53 Jahren funktioniert das System mit 100 Ehrenamtlichen“, darauf ist der Vereinsvorsitzende sichtlich stolz. Rosenmänner und Rosenfrauen nennen sich die ehrenamtlichen Gärtner. „Es ist eine Art ‚freiwilliges ökologisches Jahr für Ü60er, die in Rente sind. Dann ist Zeit, Unkraut zu jäten … und die meisten bleiben dabei“, sagt Friedhelm Landfester. „Früher wollten wir auf dem Gelände die Vielfalt zeigen und hatten noch mehr Sorten“, erzählt der Vorsitzende. Inzwischen wünschen sich die Vereinsmitglieder ein einheitlicheres Bild auf den Rosenbeeten. „Vor allem setzen wir heute auf stabile Sorten – und das sind oft die modernen Rosen“, sagt Friedhelm Landfester. „Die neuen Pflanzungen kommen ohne chemisches Spritzen aus und sie duften wieder, was lange Zeit vernachlässigt wurde. Außerdem sind viele moderne Sorten auch bienenfreundlicher“. Heute ist nicht nur schön gefragt, sondern auch ökologisch sinnvoll. Und wenn Rosen nicht mehr so prall gefüllte Blütenköpfe haben, wirken sie einladender für Insekten. Friedhelm Landfester holt jeden Besucher ab, auch den oder die ohne Rosenverstand. Was ihm, das merkt man schnell, fast noch wichtiger ist, als die edlen Blumen: Geselligkeit, Freundschaften, Dorfleben.

Foto: Cornelia Höchstetter
Die Katzenminze ist Beet-Einfassung und Bienenweide.

GESELLIGKEIT IM NAMEN DER ROSE

Deshalb gibt es im Rosengarten das Heimathaus, einen Platz für Open Air Schach, für Boule, Bänke zum Sitzen und Quatschen. Mittwoch vormittags stehen die Rosenmänner in den Beeten und rupfen Unkraut. Jedes der nummerierten Beete hat seinen Verantwortlichen aus dem Heimatverein. Drei Männer und ein Beet: Paul Hohenlöchter, Werner Becker und Sigi Wahn tragen Spaten und Rechen in ihren Händen. „Wir haben hier eine super Gemeinschaft“, sind sich die drei einig. Nach der Arbeit ist dann Zeit, ein Schnäpschen oder Kaffee zu trinken. Annette Waltering ist seit fünf Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Karl im Rosengarten aktiv. „Es ist unser gemeinsames Hobby“, sagt sie und freut sich, weil „der Garten jeden Tag ein anderes Bild abgibt“, sagt sie. Wenn die Männer schnäpseln, verabreden sich die Rosenfrauen eher zum Sektfrühstück im Schatten der Bäume. Seppenrade hat auch einen Rosenzüchter: Ewald Scholle, heute 85 Jahre alt. „Er hat Vereinsgeschichte geschrieben“, erzählt Friedhelm Landfester, „als er im Lutherjahr die Luther-Rose gepflanzt hat, die er ursprünglich gezüchtet hat.“ Scholles Namen findet man also auch auf den Schildern in den Beeten, die den Rosen ihren Namen und ihren Züchter zuweisen.

Foto: Cornelia Höchstetter
Friedhelm Landfester ist der Vorsitzende des Heimatvereins.
Foto: Cornelia Höchstetter
Beschildert: Jede Rosensorte hat ihre Namensschild: Strauchrose Rosenstadt Freising.

DER VEREIN UND SEINE VERANSTALTUNGEN

In den letzten zehn Jahren investierte der Verein eine halbe Millionen Euro in den Garten. Das jährliche Haushaltsvolumen beträgt immerhin 40.000 Euro – ein wesentlicher Motor der Vereinskasse ist das Rosenfest, das normalerweise immer im August stattfindet. Das Leben im Rosengarten ist vielseitig: Es gibt auch die Aktion „Grünes Klassenzimmer“ – dann machen die Schulen hier draußen ihren Naturkundeunterricht, sozusagen am blühenden Objekt. Die Schüler sitzen auf Steinen und WLAN unter freiem Himmel gibt es auch. „Es haben inzwischen schon zwei andere Städte sich erkundigt, wie wir das mit dem Klassenzimmer machen“, erzählt Friedhelm Landfester, der selbst früher Lehrer war. Bald soll es noch einen Kräutergarten geben, Führungen sind geplant. Der Musikpavillon soll auch wieder ertönen. Vor der Pandemie kamen Besucher von überall her, aus Belgien oder Süddeutschland. Und auch aus der Nähe, denn direkt am Rosengarten führen Wander- wie Fahrradwege vorbei. Im Garten kann man picknicken und im Umkreis von 200 Metern gibt es mindestens drei Cafés und Restaurants zum Einkehren. Alles ist möglich – nur nicht das Schneiden von Rosensträußen. Der Duft muss genügen.

Gärtner Foto: Cornelia Höchstetter
Die Gärtner sind tatverdächtig, wenn es ums Unkraut jäten geht: Paul Hohenlöchter, Werner Becker und Sigi Wahn.

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