Füße im Wasser Füße im Wasser
Foto: adobestock.com

Draußen

Mit Gruß und Guss

erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 102 (Mai 2021)

Der kalte Guss kommt zum Schluss: Margarete Howe-Kienemann aus Tecklenburg ist Anhängerin der Kneipp-Bewegung. Sie dreht den Wasserhahn nach dem morgendlichen Duschen auf Kalt und braust ihre Waden ab. „Ich trainiere das und richte den kalten Wasserstrahl langsam höher, manchmal bis zur Hüfte“, sagt die Vorsitzende des Kneipp-Vereins Tecklenburger Land. Damit will sie Warmduscher motivieren. Elemente der Kneippschen Wassertherapie eignen sich nämlich für jeden und funktionieren auch zu Hause. „Dann kann ich die berühmte Tasse Kaffee zum Wachwerden weglassen“, findet Margarete Howe-Kienemann. „Das ist ein Kick für den Kopf.“

BEWEGUNG UND VORSORGE SIND ANGESAGT

Mit dem ganzheitlichen Gesundheitskonzept nach Sebastian Kneipp, welches die fünf Elemente Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen und Lebensordnung umfasst, wird das Immunsystem gestärkt und es werden die Selbstheilungskräfte angeregt. Damit ist Sebastian Kneipp aktueller und nötiger denn je. Zum einen, weil wir alle in Zeiten der Pandemie versuchen, unsere Abwehrkräfte zu stärken. Zum anderen, weil viele seiner Ideen ähnlich oder weiter entwickelt in modernen Bewegungen unserer Zeit wiederzufinden sind: Ob es das „Waldbaden“ ist, das Wandern an sich, das momentan boomt, der Gedanke der Ganzheitlichkeit, die seit Jahren beschworene Achtsamkeit oder der Trend in der Ernährung, Fleisch zu reduzieren beziehungsweise die regionale Kost zu achten.

Foto:
Madita Muhs Foto: Cornelia Höchstetter
MÜNSTER!-Mitarbeiterin Madita Muhs übt den Storchenschritt.

WASSER HAT HEILKRAFT

So ähnliches hatte es schon Pfarrer Kneipp propagiert, nur klingt das in der Sprache des 19. Jahrhunderts natürlich etwas anders. Sebastian Kneipp ist im Mai 1821 in Bayern in Stephansried geboren und heilte sich als Theologiestudent selbst von der Tuberkulose. Und zwar mit Hilfe von Wassertherapien: Er war in der kalten Donau baden, lief sich danach warm, wiederholte das tagelang und wurde so gesund. Zwar war er Pfarrer, aber er kniete sich tief in das Wissen um die Heilkraft des Wassers hinein, bis er als der „Wasserdoktor“ bekannt wurde und in Bad Wörishofen eigene Patienten hatte. Ihm war dabei die Einheit von Körper und Geist wichtig. Die Kneippianer von heute wollen weg vom Begriff des „Wasserdoktors“, weil in dem Programm viel mehr als kaltes Wasser steckt.

Kneipp-Kurort Tecklenburg Foto: Cornelia Höchstetter
Kneipp-Kurort Tecklenburg – ein Ausflug in das Bergstädtchen des Münsterlandes ist wie Urlaub.
Sebstian Kneipp Foto: Sebastian Kneipp, Public domain, via Wikimedia Commons
Die fünf Elemente nach Sebastian Kneipp: Wasser, Ernährung, Heilpflanzen, Ordnung, Bewegung

SPAZIEREN IM BERGIGEN KURPARK

Viele der Kneippschen Gedanken und Sprüche kann man bei einem Spaziergang im Tecklenburger Kurpark auf verschiedenen Schildern nachlesen – schließlich ist Tecklenburg der einzige Kneippkurort im Münsterland. Nach einem strammen Treppenweg bergauf im Kurpark gelangt man zum Wasserbecken. Die Kneipp-Vereinsvorsitzenden Margarete Howe-Kienemann und Hildegard Greve sind begeistert, wie praktisch und pragmatisch die Kneipp-Ideen sind: „Zum Beispiel hilft der Unterschenkelguss in den Wechseljahren: die Hitze, die im Kopf ist, kann so an den Füßen raus … “ – für so viele Alltagsbeschwerden gäbe es eine Lösung, oder ein Lösungsversuch. Immer geht es um die Wechselwirkungen, oft um Warm und Kalt, oder um Anspannung und Entspannung. Das klingt ein bisschen wie Yin und Yang. Kräfte, die sich ergänzen.

BUNTES VEREINSPROGRAMM

Die beiden Frauen erzählen von den Angeboten ihres Vereins, die vielfältiger klingen als von manchen Sportvereinen: Yoga, Qigong, Tai-Chi – das ist alles im Sinne der Kneippschen Bewegungsidee. Kräuterwanderung und Frühlingsblüher entdecken „in den Wald eintauchen und Sinne beleben“, aber auch Mountainbiking for Kids, Schnupperklettern oder Vorträge wie „Kann Zucker Sünde sein“. In ganz Deutschland gibt es nahezu 600 Kneipp-Vereine. Im Münsterland haben einige Orte und Städte ihre Vereine, teils über tausend Mitglieder stark. In Warendorf zum Beispiel kümmert sich Christel Hoof um den Kneipp-Verein und erklärt einen großen Vorteil des Kneippens (mit Doppel-p!): „Es ist nebenwirkungsfrei, kostet teilweise nicht mal etwas und ist in den Alltag gut zu integrieren.“ Denn Wassertreten kann man auch in der Natur, etwa an einem der Sandstrände an der Ems.

Barfußpfad im Kurpark Tecklenburg Foto: Cornelia Höchstetter
Danach geht es mit den beiden Kneipp-Vorsitzenden den Barfußpfad im Kurpark Tecklenburg.
Margarete Howe-Kienemann und Hildegard Greve Foto: Cornelia Höchstetter
Die beiden Vorsitzenden des Kneipp-Vereins Tecklenburger Land vor ihrem neuen Kneipp-Zentrum: Margarete Howe-Kienemann (li.) und Hildegard Greve.

ERSTER KURORT IM MÜNSTERLAND

Margarete Howe-Kienemann lernte die Kneippschen Lehren vor über 30 Jahren bei einer Kur kennen. Daraus zog sie nicht nur viel Kraft „und gesundheitlichen Mehrwert“ für sich, sondern auch Ideen für ihre Heimatstadt: „Weil wir in Tecklenburg viel mit dem Tourismus zu tun habe, dachte ich mir: Eigentlich haben wir in Tecklenburg alles, was man braucht.“ Und so initiierten Margarete Howe-Kienemann, ihr Mann Wilhelm Kienemann und andere, dass Tecklenburg 1999 zum ersten Kneipp-Kurort im Münsterland wurde. 

Hildegard Greve kam zur Kneippschen Lehre, weil sie als Heilpraktikerin von Beruf wegen mit den Wassertherapien eng vertraut ist. Als sie als Tai-Chi-Lehrerin Möglichkeiten suchte, Kurse anzubieten, rannte sie im Kneipp-Verein Tecklenburger Land offene Türen ein. Margarete Howe-Kienemann und Hildegard Greve sind immer noch mit Feuer und Flamme dabei – zumal jetzt endlich der Traum eines eigenen Kneipp-Zentrums in Tecklenburg wahr wird.

TECKLENBURGS NEUES KNEIPP-ZENTRUM

Im Mai wurde das Kneipp-Zentrum eröffnet. Direkt neben dem Waldschwimmbad, nahe dem Kneipp-Kindergarten und dem Kurpark steht das neue Gebäude. Die Außenanlagen grünen und drinnen sind die Handwerker fertig: Es ist ein großer Kursraum entstanden, mit großen Fenstern und Aussicht zum Tecklenburger Burgberg. Hier gibt es Platz für Stuhlreihen bei Vorträgen genau wie für Yogamatten oder Qigong-Teilnehmer. In der Mitte des Gebäudes gibt es ein Ganzjahres-Wassertretbecken, Sitzbadewannen und Armbäder. Es gibt einen Massageraum und eine Küche, in der zum Beispiel Kurse stattfinden, wie man Tinkturen aus Heilpflanzen macht oder ähnliches. „Endlich Platz für alle unsere Aktivitäten“, freuen sich die Vorsitzenden. Das Zentrum wird der Ausgangspunkt für die spirituelle Abendwanderung sein – die dann mit einer Runde im kalten Tretbecken enden könnte. „Mit solchen Erlebnissen ist man dann einfach positiv gestimmt“, findet Hildegard Greve. Das ist im Kneippschen Sinn: Körper und Seele sind dann im Reinen.

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