3D-Realität des Bagno-Parks in Steinfurt 3D-Realität des Bagno-Parks in Steinfurt
Foto: Steinfurt Marketing und Touristik/karopictures.de

Draußen

DAS BAGNO – DISNEYLAND IM BAROCK

erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 115 (Juli/August 2022)

Einmal die Welt mit anderen Augen sehen – den Wunsch verspürt man, wenn man mit Roland Busch durch den Bagno-Park in Burgsteinfurt spaziert. Die eigenen Augen nehmen wundervolle Buchen und Eichen in einem schnuckligen Wäldchen wahr. Einen Weg, der leicht bergan führt. Den still ruhenden Bagno-See mit Seerosen und schilfbewuchertem Ufer. Eine Naturoase. Ein verwunschener Park. Roland Busch ist professioneller Filmemacher aus Nordwalde und erlebt dagegen folgendes Kopfkino: Herren mit Zylinder und Damen in Reifröcken flanieren über Holzbrücken und finden sich auf einer Insel mit künstlichem Felsenberg wieder. Auf dem Gipfel thront ein 18 Meter breites und 40 Meter langes Schiff und auf den imaginären Segelspitzen residiert die Statue des Arion, eines griechischen Dichters. Von den imitierten Segeln und den künstlichen Berg hinab rauscht Wasser die steinernen Kaskaden entlang.

Bagno-See in Steinfurt Foto: Cornelia Höchstetter
Der Bagno-See heute, eine stille Oase für Wasserlilien – ab und an fahren Tretboote hin und her.

LUDWIGS LUSTGARTEN

Eine unglaubliche Welt, von der Roland Busch erzählt. Doch das war die Burgsteinfurter Realität im Jahr 1790. In dieser Zeit war der Bagno-Park ziemlich komplett, so wie ihn Reichsgraf Ludwig Wilhelm Geldricus Ernst zu Bentheim und Steinfurt (1756–1817) – kurz: Graf Ludwig – nach seinen Ideen und Plänen als Lustgarten errichten ließ. Die Pläne sollen heute noch im Schloss liegen. Der Burgsteinfurter Graf spionierte in Kassel im Wilhelmspark und ließ sich unter anderem vom Wörlitzer Park inspirieren. Was ihm alles so einfiel, berichten heute die 32 Infotafeln, die im Bagno-Park verteilt sind. Es konnte gar nicht extravagant und exotisch genug sein: Es gab einen ägyptischen Turm, ein chinesisches Palais, eine Moschee, französische Gärten, einen gotischen Kiosk, eine Maurische Hütte, Inseln im See, einen Badesalon, ein riesiges Wasserrad, den Merkurtempel, Kolonaden, eine Ruineninsel und mehr.

„Den Park kannte ich schon als Kind – ich komme aus Nordwalde – und ich spaziere heute regelmäßig mit meiner Familie hier“, erzählt Roland Busch. Der Filmemacher liebt historische Geschichten und hat bereits im Jahr 2018 einen Kinofilm im Altenberger Eiskeller produziert: Eises Kälte. Deshalb stellte Roland Busch schon vor Jahren fest: „Schade, dass man die historischen Illustrationen der Infotafeln nicht visualisiert bekommt“. So ratterte sein Gedankengang: Man könnte mit einer 3D-Software Filme erstellen, die zeigen, wie der Bagno-Park früher aussah.

Knüppelbrücke im Bagno Steinfurt Foto: Cornelia Höchstetter
Die Knüppelbrücke heute (links)...
Knüppelbrücke heute als 3D-Realität auf dem Handy Foto: Steinfurt Marketing und Touristik/karopictures.de
...und damals: Sie ist eine der beiden Brücken, die auf die Insel des Arion führte – und noch oder wieder ähnlich aussieht wie 1790 (rechts).

360-GRAD-BILDER UND DROHNENFLÜGE

Die Idee trug Roland Busch der Steinfurter Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer und der SMART Touristik vor. Und der Filmemacher bekam mit seinem Unternehmen Karo Pictures den Auftrag für ein solches Augmented Reality Projekt. Der Name: Bagno 1790. Die Besucher sollen ihre Handys auf den QR-Code der Infotafeln richten und auf dem Filmkanal Youtube 360-Grad-Bilder erhalten, die sie mit dem Finger per Touch scrollen können, sowie digitalisierte 3D-Filme, wie von einer Drohne aufgenommen. Von Juli bis November 2021 saß Roland Busch am Computer und entwickelte aus zweidimensionalen historischen Illustrationen eine barocke 3D-Welt anhand der GPS-Daten, die er im Park vermessen hatte. Kein Wunder, vermischt heute beim Spaziergang Roland Buschs Gedächtnis die Wirklichkeit mit „seiner“ Bagnowelt aus dem Digital-Barock.

Finanziert wurde das Projekt über das LEADER-Förderprogramm für Kleinprojekte. Immerhin war das Bagno eine der bedeutendsten Parkanlage Westfalens, weil der Landesherr den Park damals für jedermann geöffnet hatte. Immer noch ist der Park im Familienbesitz: Im benachbarten Wasserschloss wohnt der aktuelle Erbprinz Carl Ferdinand Prinz zu Bentheim und Steinfurt.

Roland Busch scannt einen QR-Code im Bagno Steinfurt Foto: Cornelia Höchstetter
Roland Busch scannt und schaut den Youtube-Film über die Neue Wache – erst 1806 gebaut. Sie markiert den Anfang vom Ende des Parks, weil zu jener Zeit Napoleon von den Grafschaften Besitz ergriff ...
Holzfigur von Heinrich von den Driesch im Bagno Steinfurt Foto: Cornelia Höchstetter
Künstler Heinrich von den Driesch schuf die Holzfiguren aus der griechischen Mythologie.

SCANNEN UND AUF ZEITREISE GEHEN

Der Park schließt sich dem Wasserschloss in Burgsteinfurts Innenstadt an. Die Zeitreise ins Jahr 1790 per QR-Code kann beginnen. Während Graf Ludwig mit seinen Gästen auf einem Drachenboot den See auf und ab fuhr und der Fontänemeister einen Tag lang die Wasservorräte für eine fünf Minuten andauernde 35 Meter hohe Fontäne sammelte, schien das Münsterland als kleine heile Welt. Dabei war die übrige Welt im Aufbruch: 1776 erklärten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Unabhängigkeit. 1787 siegte die Zarin Katharina II im zweiten russisch-türkischen Krieg und Russland erhielt die Insel Krim. 1789 begann in Frankreich die Französische Revolution. Der Adel war auf der Flucht. In Münster baute man seit den 1770er Jahre das Schloss und 1780 startete die Universität Münster ihre Geschichte. Und in Burgsteinfurt? Dort ließen sich im Türkischen Gartenhaus der Graf und seine Gäste bewirten. Auf dem Platz der Spiele rückte der Adel die lebensgroßen Schachfiguren hin und her und laut Roland Busch startete die zweite, allerdings unbemannte Heißluftballonfahrt der Welt vom Bagno Richtung Altenberge.

Konzertsalon im Bagno Steinfurt Foto: Steinfurt Marketing und Touristik
Im Konzertsalon spielen unter anderem am 14. August das Orchester l’arte del mondo und am 27. August das Kammerorchester Czech Virtuosi aus Brünn.
Konzertsaal im Bagno Steinfurt Foto: Cornelia Höchstetter
Nach dem französischen Vorbild der Schloßgalerie Grand Trianon in Versailles entstand der Konzertsaal. Graf Ludwig unterhielt eine Hofkapelle mit bis zu 35 Instrumentalisten und Sängern.

KONZERT FÜR ALLE

Eine Sache ist noch fast so wie früher: die Musikveranstaltungen in der Konzertgalerie. Die steht seit 1986 unter Denkmalschutz und ist Europas ältester freistehender Konzertsalon. „Zu Zeit des Grafen Ludwig war hier jeden Abend was los: Die Tore der Galerie waren geöffnet und man hörte überall die Musik. Graf Ludwig spielte selbst im Orchester mit, er war Flötist. Seine Tochter Henriette war Sängerin“, erzählt Roland Busch. Jeder hatte die Möglichkeit, die Konzerte zu besuchen. Lediglich achteten Soldaten als Parkwächter darauf, dass das Volk ordentliche Kleider trug – es gab also eine Art Dresscode. Das alles recherchierte Roland Busch, unter anderem bei Wolfgang Lübbers. Der Vorsitzende des Fördervereins der Konzertgalerie gilt als Kenner. Die Spielzeit für 2022/2023 ist übrigens bereits am Laufen. „Dann sind wie damals die Türen offen und man kann vom Park aus mithören“, verrät Marion Kessens von der Steinfurter Marketing und Touristik (SMART).

VOM LUSTPARK ZUM LUFTKURORT

All diese Geschichten erfahren die Bagno-Besucher über die QR-Codes unter dem Stichwort Bagno 1790 an 32 Infotafeln im Park. Eine größere Erklärung fehlt aber noch – den Grund nennt Marion Kessens von SMART: „Aktuell läuft eine Studie zur Weggestaltung. Wir wollen nämlich zum ‚Luftkurort‘ werden“. So sollen unter anderem im Bagno-Park für die künftige Rehaklinik (Orthopädie, Cardio und neurologische Früh-Reha) in Borghorst sogenannte „Terrainkurwege“ entstehen. Dann würde auch das Bagno 1790 besser präsentiert werden. Das wird Besucher und Reha-Patienten freuen, wenn sie zwischen den dicken Eichen und Buchen spazieren. „Der ein oder andere Baum könnte die Welt des Grafen schon erlebt haben“, sagt Roland Busch und beneidet wahrscheinlich die jahrhundertealten Bäume um ihre Erlebnisse.

steinfurt-touristik.de

karopictures.de 

bagno-konzertgalerie.de

Karte mit Tour-Vorschlägen im Bagno Steinfurt Foto: Heithoff & Companie

Bagno-Rundwege

AUSGANGS- UND ZIELPUNKT: Burgsteinfurt, Bahnhof bzw Innenstadt

DER MÜHLENRUNDWEG

LÄNGE: 10,2 Kilometer

REINE FAHRT-/WANDERZEIT: knappe Stunde (Leeze), etwa 2 bis 2,5 Stunden zu Fuß 

MARKIERTE WEGE: Mühlen­-Logo

Der Mühlenrundweg führt zum Teil durch den Bagno Park und ist ausgeschildert: vorbei geht es an der Niedermühle (1) , durch die histori­sche Altstadt von Burgsteinfurt, am Wasserschloss (2) entlang, durch den Park, über den Buchenberg (3) , durch die Bauerschaft Hollich, vor­bei an der Hollicher Windmühle (4) zurück nach Burgsteinfurt.

Der Konzertgalerie-Rundweg

LÄNGE: 15,2 Kilometer

REINEFAHRT-/ WANDERZEIT: eine gute Stunde (Leeze), gute 3 bis 3,5 Stunden zu Fuß.

MARKIERTE WEGE: Konzertgalerie­-Logo

Der Konzertgalerie-Rundweg beginnt in der historischen Innenstadt von Burgstein­furt, führt vorbei am Wasserschloss (2), vom Golfplatz in den Bagno-Park, am Bagno-See entlang, vorbei an der Konzertgalerie (5) über den Buchenberg 3 bis in die In­nenstadt von Borghorst (hier befindet sich das Heinrich-Neuy-Bauhaus-Museum (6)). Durch den Bagno-Park geht es zurück nach Burgsteinfurt.

Ähnliche Artikel

×

Jetzt Newsletter abonnieren

Münster-Inspirationen, Gastro-Tipps, Shopping-Spots und Event-Highlights – einmal im Monat direkt im Postfach.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Bitte bestätigen Sie dort Ihr Abo.

Ich melde mich zum Münster! Inside Newsletter an. (Einwilligung jederzeit widerruflich).

Datenschutzerklärung

×

Share

Link kopieren