Die Orangerie im Botanischen Garten Die Orangerie im Botanischen Garten
Foto: Hubertus Huvermann

Draußen

Der Botanische Garten – ein Ort der Vielfalt

Vogelperspektive des Botanischen Gartens Foto: Tonio de Lamor-Sell´es Schneider
Ein Schmuckstück in sich: Das Anfang des Jahrtausends nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Samenpflanzensystem zeigt 46 Ordnungen (Verwandtschaftskreise) mit typischen Pflanzenbeispielen, eine erhöht liegende Plattform erleichtert den Überblick.

Wir hätten einen kompletten Bildband füllen können. Denn nicht nur die Aufgaben und Pflanzenarten (über 8.000!) dieses innerstädtischen Kleinods sind vielfältig, eigentlich erzählt jeder Winkel unendlich viele kleine Geschichten. Schon an dieser Stelle motivieren wir Sie, Ihre eigenen persönlichen Bekanntschaften mit Pflanze und Tier, großem, ganzem Garten und winzig kleinen Details zu machen. Vorab nehmen wir Sie nun mit auf unseren Weg durch den Garten. DIE GESCHICHTE Der älteste „große Bruder“ unseres Botanischen Gartens in Münster, der auch tatsächlich noch an seinem Gründungsort existiert, ist in Padua zu finden. Der Orto Botanico di Padova wurde 1545 gegründet und ist auch dort der Universität angekoppelt. In Deutschland waren die ersten Botanischen Gärten in Leipzig (1580) und Jena (1586) zu finden. Seit 1803 sind wir auch in Münster mit einem Botanischen Garten beschenkt. Schon im Winter 1804/1805 wurde hier ein „Warmhaus“ betrieben, damals durch Torf aus dem Venner Moor beheizt. Zu den Zielen des Gartens zählte zunächst der Wunsch, einen umfangreichen Artenbestand unter Einbeziehung ausländischer Pflanzen aufzubauen – allein die Beschaffung und der Transport solcher Ankäufe waren damals ein schwieriges Abenteuer. Später besann man sich zeitweise auf heimische Pflanzen. Der Bestand schwankte, da finanzielle Engpässe auch zu Verkäufen führten. 1849 entstand die im klassizistischen Stil gebaute Orangerie, die als denkmalwürdig befunden wurde und noch heute erhalten ist. Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Bau eines Hörsaals und des Botanischen Instituts begonnen. Erst seit den 1960er Jahren sind auch Sukkulenten und seit den 1990ern auch Bereiche wie ein angelegter Bachlauf, eine Wildwiese und ein Kalkmoor zu finden. 1998 entstand eine mediterrane Landschaft, 2005 ein Arzneipflanzengarten. Der Botanische Garten ist bis heute täglich im Wandel: In einem Monat etwas werden innerhalb von 14 Tagen allein im Sukkulentenhaus 50 neue Gewächse gepflanzt.

Gartendirektor Prof. Dr. Kai Müller (links) und Kustos und Technischer Leiter Dr. Dennise Stefan Bauer. Foto: Hubertus Huvermann
Gartendirektor Prof. Dr. Kai Müller (links) und Kustos und Technischer Leiter Dr. Dennise Stefan Bauer.
"Pflanzen-Kindergarten" und Labor des Botanischen Gartens Foto: Hubertus Huvermann
„Pflanzen-Kindergarten“ und Labor in einem: Dieser Bereich ist für Besucher nicht zugänglich.

DIE FUNKTION

Der Botanische Garten gehört organisatorisch zu den Museen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und dient der wissenschaftlichen Forschung und der Ausbildung von Studierenden, der Sicherung der Artenvielfalt und dem Erhalt genetischer Ressourcen, ebenso werden hier Sammlungen von wertvollen und gefährdeten Pflanzen vervollständigt und bewahrt. Das Team des Botanischen Gartens Münster arbeitet eng mit Naturschutzbehörden und Organisationen zusammen und beteiligt sich am weltweit betriebenen wissenschaftlichen Saatgut- und Pflanzenaustausch. Auch das Lernen ist hier täglich verortet: Zahlreiche Führungen und Veranstaltungen informieren die Öffentlichkeit über botanische und ökologische Zusammenhänge und das Thema Biodiversität, hier erforschen Studenten Spezialwissen, hier erkunden Kita-Kinder und Schüler das Gelände und hier lernen auch Spaziergänger etwas dazu: Verschiedene Informationsbroschüren und Hinweisschilder spenden Wissen im Vorübergehen. Natürlich ist der Botanische Garten auch entspannender Rückzugsort, Oase der Ruhe und grüne Quelle der Erholung und Inspiration – mitten in der Stadt und zu jeder Jahreszeit.

Ein Gewächshaus im Botanischen Garten Foto: Hubertus Huvermann

DAS TEAM

Knapp zwei Dutzend Mitarbeiter kümmern sich um die vielfältigen Aufgaben im Botanischen Garten. Interdisziplinär wird hier zusammengearbeitet: Hand in Hand wirken Wissenschaftler, Gartenbaumeister, Wirtschafter im Gartenbau, Gärtner der Fachrichtungen Zierpflanzenbau, Garten- und Landschaftsbau und Baumschule, Gartenbauhelfer, Bauschlosser und Auszubildende der Fachrichtung Zierpflanzenbau zusammen. Übrigens: Auch Schülerpraktika sind hier möglich! Die gelingende Teamarbeit ist Grundlage des reichen Aufgabenspektrums: Jeder Handgriff sitzt, viele Ideen und Notwendigkeiten werden im Miteinander angefasst. Prof. Dr. Kai Müller, Gartendirektor, und Dr. Dennise Stefan Bauer, Kustos und Technischer Leiter des Botanischen Gartens, schätzen die Arbeit ihres Teams sehr. Jedem Haus, jeder Aufgabe, jedem Pflanzenbereich sind Mitarbeiter zugeordnet. Aber wie in einem feinen Uhrwerk greifen hier die Räder ineinander, damit rund ums Jahr, zu jeder Stunde, bei jedem Wetter und auch bei besonderen Herausforderungen wie Sturm oder Hitze die Bestände gepflegt und geschützt werden.

Verstecktes Gewächshaus im Botanischen Garten Foto: Hubertus Huvermann
Im Gewächshaus des botanischen Gartens Foto: Hubertus Huvermann

DIE HÄUSER

Zehn Gewächshäuser strukturieren die überdachten Flächen des Botanischen Gartens, sechs davon sind ganzjährig für Besucher zugänglich. Im Epiphytenhaus entdecken wir die Vielfalt der Aufsitzerpflanzen aus aller Welt. Diese wachsen auf anderen Pflanzen und nutzen so etwa die bessere Verfügbarkeit von Licht. Das Große Tropenhaus beherbergt die Pflanzen Afrikas und Asiens. Hier haben wir die Fassadenranken für unsere Seite 15 der Bildkontraste fotografiert! In der Kanarenflora stehen die Pflanzen der Kanarischen Inseln im Mittelpunkt – viele kommen nur dort vor, sie gehören damit zur Gruppe der Endemiten und bedürfen besonderen Schutzes. Kanarischen Hornklee etwa finden Sie nur auf Teneriffa, vom Aussterben bedroht. Und natürlich hier, unter dem Schutz des Botanischen Gartens. In der Kapflora sind formen- und artenreiche Gewächse der Winterregen- und Trockengebiete Südafrikas zusammengestellt. Im Karnivorenhaus finden wir eine Sammlung fleischfressender Pflanzen aus den Tropen und gemäßigteren Klimazonen. Gleit-, Kleb- und Klappfallen sind typische Fangmechanismen dieser Pflanzenvertreter. Auch das Sukkulentenhaus, in dem unter anderem die Anpassung der Pflanzen an die trockenwarmen Zonen wie in Mexiko oder den Anden gezeigt wird, ist hochspannend: Hier geht es etwa um Konvergenz. Wie hat die Natur das Problem der Trockenheit überall auf der Welt gelöst? Dieses Haus wurde übrigens vor einigen Jahren (wie zuvor schon die Orangerie) unter Denkmalschutz gestellt. Im Viktoriahaus schließlich sind unter anderem tropische, vom Menschen für Nahrungs-, Heil-, Genuss- oder technische Zwecke verwendete Nutzpflanzen gesammelt. Entdecken Sie Maracuja, Vanille und Baumwolle!

DIE FREIFLÄCHEN

Etwa sechs Hektar ist der Botanische Garten groß. Und natürlich unterliegen auch die Freiflächen einem ausgeklügelten System. Ob Alpinum (mit Gebirgspflanzen), Arboretum (Gehölzen), Arzneipflanzengarten (mit ungiftigen und giftigen Heilpflanzen), Westfälischer Bauerngarten, Farntal oder Mittelmeerbereich, naturnah gestaltete Biotope, der Systembereich oder die die Sinne beflügelnden Riech- und Tastgärten samt Barfußpfad: Die Erlebnisoptionen sind vielfältig. Dabei sind die besonderen Highlights nicht immer offenkundig. Klar, ein bunt blühendes Beet beeindruckt. Oder etwa eine halbe Million (!) Krokusse im Frühjahr. Und die bereits vor Anlage des eigentlichen Gartens im Jahr 1795 gepflanzte und noch heute zu bestaunende riesige Linde. Dass aber ein Kalkmagerrasen (blütenreich vor allem im Juni und Juli) die „Champions League für Gärtner“ ist, weil so viele Arten auf kleinstem Raum kombiniert und in der Summe äußerst schwer zu pflegen sind – das erschließt sich vielleicht erst auf den zweiten Blick oder nach einer kundigen Führung. Kulturbedingungen sind der Schlüssel: Was will die Pflanze? Und warum? Das fragen sich die Forscher und Gärtner quasi pausenlos. Sie modulieren die Flächen durch Neupositionierungen und die verschiedenen Aufgaben, die der Botanische Garten erfüllen soll. Beispiel: Artenschutz. Das Westfälische Veilchen (Galmei-Stiefmütterchen) ist eine äußerst seltene Art seiner Gattung, ein Endemit mit extrem kleinem Verbreitungsgebiet. Weltweit kommt die Viola guestphalica in der Natur ausschließlich an einem Wuchsort im Grenzgebiet der Kreise Höxter, Paderborn und Hochsauerlandkreis vor. Im Botanischen Garten wird diese Art auf den Freiflächen kultiviert, und das genetische Material wird sicher bewahrt.

Brücke in der Parkanlage des botanischen Gartens Foto: Hubertus Huvermann

DIE FORSCHUNG

Viele Aspekte beeinflussen die wissenschaftliche Arbeit im Botanischen Garten. Die hier angesiedelte Spezialsammlung der Pelargonien (häufig irreführend „Geranien“ genannt) etwa umfasst etwa 230 der weltweit 280 Pelargonienarten und ist damit die größte ihrer Art. Das ist aber nur ein Beispiel von vielen: Erforscht werden hier auch die Genomevolution von parasitischen und fleischfressenden Pflanzen, Interaktionen von Pflanze und Tier, Systematik, Phylogenetik, Biogeografie und Merkmalsevolution – um nur einige der Stichwörter zu nennen, die aus den Wissenschaftlern heraussprudelten, als wir sie im Botanischen Garten besuchten. Die Spezialisten sind im weltweiten Austausch mit Kollegen, ihre Arbeit setzt sich in Laboren fort und findet Eingang in Fachveröffentlichungen. Das Stichwort Wissenstransfer spielt hier eine übergeordnete Rolle, das gilt sowohl inneruniversitär für die WWU Münster als auch im Austausch mit anderen Institutionen.

DIE FÜHRUNGEN

Haben wir Sie auf den Geschmack gebracht? Den Botanischen Garten können Sie an jedem All- und Feiertag im Jahr besuchen. Es werden aber auch individuelle Führungen für unterschiedliche Besuchergruppen angeboten, vom Kindergarten bis hin zum Fachpublikum. Zwischen folgenden Themen können Sie beispielsweise auswählen: „Allgemeine Gartenführung“, „Arzneipflanzen“, „Bäume des Botanischen Gartens“, „Anpassung der Pflanzen an ihre Lebensräume“ und „Mistelzweig und Weihnachtsduft“ (nur in der Adventszeit).

Palmen im Gewächshaus des botanischen Gartens Foto: Hubertus Huvermann
Kakteen im botanischen Garten Foto: Hubertus Huvermann

DIE PFLANZENPATEN

Sind auch Sie Fan des Botanischen Gartens? Vielleicht sind Sie sogar Freund einer ganz speziellen Pflanze oder Liebhaber eines besonderen Baumes? Dann werden Sie doch Pate! Diese besondere und individuelle Form der Spende ist seit 2019 möglich. Fördern Sie den Botanischen Garten der WWU Münster, indem Sie Ihrer Lieblingsblume oder Ihrem Lieblingsbaum eine Patenschaft widmen. Wählen Sie aus einer langen Liste eine Pflanze, die Sie an einen besonderen Ort, eine schöne Reise oder einen einzigartigen Moment in Ihrem Leben erinnert. Oder entdecken Sie ein originelles Geschenk für einen Ihnen nahestehenden Menschen. Mit einem persönlichen Schild an Ihrer Patenpflanze, einer Urkunde und der Einladung zum Patentag bedankt sich das Team des Botanischen Gartens für Ihre Spende. Eine kontinuierlich erweiterte Liste der verfügbaren Pflanzenarten ist unter www.pflanzenpate.de zu finden – Ihre Patenschaft können Sie dort auch direkt online buchen. Möglich sind Spenden ab 50 Euro – entweder auf ein Jahr begrenzt oder als Dauerspende. Ihr Beitrag zum Erhalt des Botanischen Gartens wirkt: Dadurch unterstützen Sie die Kultur faszinierender und in der Natur oftmals bedrohter Pflanzenarten. Sofern Sie wünschen, finden Sie neben Ihrer Patenpflanze ein Schild mit Ihrem Namen. Zudem erhalten Sie eine Patenurkunde, die Sie auch als Geschenk-Gutschein nutzen können. Einmal im Jahr findet ein Patentag für Sie und alle anderen Paten statt. Dabei lernen Sie das Gartenteam kennen und können sich mit vielen anderen Pflanzenliebhabern austauschen.

DIE FÖRDERER

Im Fördererkreis, dem Förderverein des Botanischen Gartens, haben sich Gartenliebhaber zusammengeschlossen. Gemeinsam unterstützen sie zahlreiche Projekte. Sie sind dem Gartenteam seit 1990 ein wichtiger Partner. Außerdem treffen sich die Mitglieder regelmäßig bei exklusiven Veranstaltungen im Garten oder unternehmen gemeinsame Ausflüge. Auch Sie können Förderer werden! Durch eine Spende oder Mitgliedschaft.

Siggi Spiegelburg, eine Förderin des Botanischen Gartens Foto: John Heithoff
Die Modedesignerin Siggi Spiegelburg hat die Patenschaft der Prinzessinnenblume übernommen. Zudem spendet sie derzeit 5 Euro des Verkaufspreises jedes ihrer beliebten Blumen-Armreifen an den Botanischen Garten. Toll!

Ähnliche Artikel

×

Jetzt Newsletter abonnieren

Münster-Inspirationen, Gastro-Tipps, Shopping-Spots und Event-Highlights – einmal im Monat direkt im Postfach.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Bitte bestätigen Sie dort Ihr Abo.

Ich melde mich zum Münster! Inside Newsletter an. (Einwilligung jederzeit widerruflich).

Datenschutzerklärung

×

Share

Link kopieren