Zu Fuß
Auf den Spuren von Graf Bonifaz
Er ist seit Generationen das Ausflugsziel der Münsteraner: der Dyckburgwald – oder Boniburgwald? Martina Benneweg ist Wanderführerin im Sauerländischen Gebirgsverein/Abteilung Münster (SGV Münster) und erinnert sich an ihre Kindheit: „Hier im Wald durften wir schreien, rennen und uns austoben.“ Heute weiß sie so einiges über die Geschichte des Wäldchens zu erzählen: „Zur Zeit des Umbaus der Dyckburg im 18. Jahrhundert standen kaum Bäume hier.“ Die ließ erst Bonifatius Reichsgraf von Hatzfeldt-Trachenberg im 19. Jahrhundert anpflanzen. Der Adelige wurde in Paris geboren, kam nach Münster und kaufte 1875 eine Villa an der Werse, die er ausbauen ließ. Im Volksmund war sie bald als „Boniburg“ bekannt. Mit dem Wald hatte er sein Jagdgebiet vor der Haustür. „Deshalb heißt der Wald Boniburgwald“, erklärt Martina Benneweg.
WALD, KINDERGARTEN & KIRCHE
Zwischen Sudmühle, der Werse bei Handorf und Mariendorf liegt das Waldgebiet, in dem überwiegend heimische Eichen und Buchen, aber auch typische Forstbäume wie Fichten, Lärchen, Ahorn oder amerikanische Roteichen stehen. Er ist kein echter Naturwald, aber dennoch beliebt, sogar ein Waldkindergarten hat hier seine ständige Anlaufstelle. Die breiteste Ausdehnung des Waldes liegt bei etwa einem Kilometer, die längste Ausdehnung bei etwa 1,5 Kilometer – eine kleine Fortsetzung findet das Gebiet jenseits der Dychburgstraße bis hin zur Eisenbahnschiene. Mitten drin, im Luftbild und auf Karten gut zu sehen, steht die Dyckburgkirche. Dieser Platz ist so etwas wie die Keimzelle des Geländes.
ERST VILLA UND WALD, DANN DORF
Der Wald als Jagdrevier, die Kapelle und noch einer Spur des „Grafen Bonifaz“ folgt Martina Benneweg auf ihrer Wanderung: „Die meisten Münsteraner wissen, dass es die Boniburg gab, die prunkvolle Villa, die der Graf bauen ließ.“ Wo der genaue Standort der Burg war, zeigt die Wanderführerin: Kurz vor der Brücke über die Werse Richtung Handorf steht eine Gedenktafel neben einem Rastplatz im sogenannten „Boniburgpark“. Hier stand die Boniburg, pompös im Stil der Neorenaissance. Graf Bonifaz war mit einer vermögenden Russin, Prinzessin Olga von Manouckbay, verheiratet. Um den Lebensstil zu halten, beschäftigte er jede Menge Handwerker und Arbeiter. „Für die baute er gegen 1910 hinter der Eisenbahnschiene Wohnhäuser. So entstand Mariendorf, benannt nach Maria, der Wirtschafterin des Grafen“, sagt Martina Benneweg.
FEUDALE FESTE
Der Boniburgweg war wohl die Hauptzufahrt zum Anwesen, Teile der Mauern und das Tor stehen heute noch. Als der Graf 1921 starb, verkaufte seine Witwe, seine zweite Frau, die Boniburg an die Stadt. Ein Bild im Gedenkstein im Boniburgpark lässt ahnen, dass hier Anfang des 20. Jahrhunderts das gesellschaftliche Leben tobte: Ein Kurhaus entstand, ein Kaffeehaus, eine Ausflugsgaststätte vom Allerfeinsten. An der Werse waren die Ausflugsboote an den Anlegestellen vertäut. Die Gartenanlage soll mit griechisch-antiken Statuen geschmückt gewesen sein. Im Zweiten Weltkrieg wurde vieles zerstört, 1950 brannte es noch einmal, eine Zeitlang war es Flüchtlingslager und Kaserne. 1970 wurde alles abgerissen. Wer heute über die Wersebrücke kommt und Richtung Boniburgwald geht, ahnt davon kaum mehr etwas.
BERG UND TAL IM WALD
Dafür ist an der Werse im Hier und Heute der Eisvogel präsent. „Wenn man einen scharfen Pfiff hört und einen blauen Blitz sieht, dann ist das der Eisvogel“, beschreibt Dr. Thomas Hövelmann, Biologe, Botaniker und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der NABU-Naturschutzstation Münsterland. Er beobachtet im Boniburgwald Spechte aller Arten, sogar den seltenen Mittelspecht und im Sommer auch den Waldlaubsänger. Der Eisvogel brütet an den steilen Uferkanten, die man im Boniburgwald findet. Denn durch den Wald gräbt sich der Hammerbach, manchmal heißt er auch Hemmerbach. „Dass der Bachlauf sich so tief in den lehmigen Sandboden gräbt, liegt am Gefälle“, erklärt der Biologe. In der Nähe des Tierheims, wo der Hammerbach entspringt, liegt der Wald etwa auf 58,9 Metern über NN. Die Werse liegt auf etwa 48 Metern. Zehn Meter Höhenunterschied auf einen Kilometer, verursacht hat das in den vergangenen Jahrtausenden die Werse: Sie war einst ein breiterer Fluss und wurde immer schmaler und das Flussbett tiefer. So flachten die ehemaligen Kanten der Flussterrassen ab und verursachten das abfallende Geländeprofil.
BLÜTE SCHON ENDE FEBRUAR?
Der Bachlauf und die Steilhänge sind ein Abenteuerland für Kinder. Pfade und Brücken führen Spaziergänger durch diese besonderen Waldschluchten, im sonst so flachen Münsterland eine schöne Abwechslung. Für Dr. Hövelmann sind Spaziergänge entlang des Hammerbaches besonders Ende Februar und im März wunderbar: „Dann blühen das gelbgrüne Milzkraut in den Bachtälern, später auch die gelben Schlüsselblumen, das Scharbockskraut mit den goldgelben kleinen Blütensternen, Manchmal begegnet man im Wald sogar Ringelnattern. Dr. Hövelmann erklärt: „Ringelnattern lieben feuchte Böden und Kleingewässer und können bis zu zwei Meter lang werden. Da kriegt man schon einen großen Schreck, aber sie sind ungefährlich und ungiftig.“