Zu Fuß
Zu Fuß ins neunte Jahrhundert
Altertum. Archäologie. Für viele Ohren klingt das erst einmal verstaubt. Tatsächlich sind das Einzige, was verstaubt, wenn Ulrike Steinkrüger als Archäologin unterwegs ist, ihre Wanderschuhe auf den sandigen Wegen im Münsterland. „Um archäologische Funde zu besichtigen, muss man nicht nach Sizilien reisen und alte Tempel anschauen – bei uns im Wald sind so viele Spuren versteckt“, plädiert die Archäologin für die Entdeckungen vor der eigenen Haustür. Landwehranlagen, Großsteingräber, Grabhügel – Spuren unserer Vorfahren können geübte Augen in unserer Landschaft entdecken. Einige Grabhügel sind Ulrike Steinkrüger, 44 Jahre, aufgefallen, die gar noch nicht in den offiziellen Karten gekennzeichnet waren. Die Archäologin arbeitet bei der Altertumskommission für Westfalen (LWL). Sie sammelt derzeit noch vorhandene Spuren alter Wege und forscht mit archäologischen Methoden. Die Wege pflegt sie in eine Datenbank ein. Weil sie fünf Jahre lang beim Westfälischen Heimatbund für den Fachbereich Wandern zuständig war, privat leidenschaftlich gern wandert und andere Menschen für die Archäologie begeistern möchte, hat sie ein Wanderbuch im Münsteraner Ardey-Verlag herausgebracht. Von den zwölf Rundtouren dürfen wir eine als Kostprobe veröffentlichen: die Tour rund um Greven zum Freilichtmuseum Sachsenhof.
VON DER JUNGSTEINZEIT BIS IN DIE MODERNE
„Die Idee für ein solches Wanderbüchlein hatte ich schon lange. 2015 war ich beim Westfälischen Heimatbund für die Wanderwege zuständig und überlegte, wie ich mein Fachwissen aus der Archäologie mit dem Wandern vereinen könnte“, erzählt Ulrike Steinkrüger. „Es gibt so viele archäologische Denkmäler, an denen schon Wege vorbeiführen.“ Jahre später fand die Archäologin endlich ein Zeitfenster für die Umsetzung der Idee.
NEUE WEGKOMBINATIONEN
„Am meisten Spaß hat das Abgehen der Wege gemacht“, gibt Ulrike Steinkrüger freimütig zu. Das war das Sahnehäubchen zur Arbeit am Computer, wo sie die Rundtouren penibel vorgeplant hat. „Die Frage war: Welche der archäologischen Highlights im Münsterland will ich unbedingt vorstellen? Und welche vorhandenen Wanderwege kann ich nutzen beziehungsweise wie geht man, wenn es keine Wanderwege gibt?“ Die zwölf Rundtouren sind bis auf die Tecklenburger Runde (Wanderung 6, sie folgt weitgehend einer Teutoschleife) eigens zusammengestellt. Damit sich niemand verläuft, stellte Ulrike Steinkrüger die Touren mit den GPXDateien online auf die Seite der Altertumskommission. Beim Abwandern vor Ort verbesserte die Archäologin die ein oder andere Streckenführung und fotografierte die Bilder für das Buch. „Archäologische Spuren kann man am besten zu Fuß erleben – weil man jegliche Steigung oder Senkung im Gelände selbst spürt und dann Zusammenhänge der Topographie mit den archäologischen Fundstellen kombinieren kann. Es geht nichts über die Praxis“, freut sie sich.
„Um archäologische Funde zu besichtigen, muss man nicht nach Sizilien reisen und alte Tempel anschauen – bei uns im Wald sind so viele Spuren versteckt.“ ULRIKE STEINKRÜGER
TECHNIK UND HANDARBEIT
Im Buch lernen Leser und Leserinnen einiges über archäologisches Arbeiten. Zum Beispiel sind mehrere digital erstellte Geländemodelle abgedruckt. Sie zeigen die Gegend ohne Bewuchs. Anhand derer erklärt Ulrike Steinkrüger, wie man auf Wälle oder Landwehren rückschließen kann. Das ist für die Autorin die Faszination der Archälologie: „Wenn man aus kleinsten Details fast kriminalistisch die Vergangenheit erschließen kann“, so Ulrike Steinkrüger. Andere Details sind Pfostenspuren im Sand – die dunklen runden Spuren im hellen Sand kennzeichnen zum Beispiel die Lage der Pfosten eines Hauses, das vor hunderten von Jahren gestanden hat. Oder Keramikscherben, die wie Fingerabdrücke mit Scherben anderer Fundorte verglichen werden. So kann man auch das Alter einer Scherbe bestimmen. „Das bringt uns doch die Vergangenheit sehr nahe und macht sie lebendig.“
MÜNSTERLÄNDER VOR 2000 JAHREN
Der Weg der Wanderung 9 („Wohnen wie die alten Sachsen“) zum Freilichtmuseum Sachsenhof führt von Greven über die Wentruper Berge bis zur Mündung des Menningbäumer Bachs in die Ems. Dort erahnt man jüngere und ältere Vergangenheit: Auf der Flussterrasse wurde bis in die 1980er Jahre Sand abgebaut. Bei Grabungen in Greven-Gittrup fanden Forscher und Forscherinnen in den 1970er Jahren Hinweise auf ein bäuerliches Gehöft um Christi Geburt (siehe Kasten rechts). „Hochwassergeschützt – das kann man sich an dieser Stelle gut vorstellen“, erklärt Ulrike Steinkrüger. Ihre Kolleginnen und Kollegen haben weiterhin an dieser Stelle Hinweise und Reste einer Hofanlage mit landwirtschaftlichem Feldanbau aus den Jahren zwischen 700 bis 900 Jahre nach Christus ausgegraben. Die Rekonstruktion der Hofanlage entstand nach Befunden in Münster-Gittrup. Seit 1987 steht dieser „Sachsenhof “ in Greven-Pentrup und ist als Freilichtmuseum zu jeder Zeit zu besuchen.
„Die Anlage wird unheimlich liebevoll vom Heimatverein gepflegt. Hier sieht man, wie man im frühen Mittelalter im Münsterland gewohnt hat. Mein Tipp ist, beim Heimatverein an einer Führung teilzunehmen“, empfiehlt die Wanderbuchautorin. Ihr Lieblingsplatz sind die Beete und der Feldanbau alter Gewürz- und Färbepflanzen. Vom Sachsenhof geht man mit vielen Eindrücken aus längst vergangener Zeit zurück auf die Wandertour.