Mit dem Fahrrad
von der Steveraue zum stausee
erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 116 (September 2022)
Im Gegenlicht glitzert das weite Wasser des Halterner Stausees wie ein Meer. Segler lehnen sich in den Wind, die Segel aufgebläht wie Bäuche. Viel langsamer dazwischen gleiten Ruderboote, Tretboote und Kanuten dahin. Ab Herbst soll wieder ein neues Fahrgastschiff über den See schippern.
DIE FINALE ETAPPE
Haltern am See ist Anfang und Ende unseres Tourenvorschlags. Streng genommen ist der Stausee auch Teil des furiosen Finales der Steverlandroute, eine der neuesten Radrouten im Münsterland. Über 72 Kilometer ziehen sich die Radwege von der Steverquelle bei Nottuln bis nach Haltern. Die Radtour folgt zwar nicht direkt ihrem Lauf, kreuzt sie aber immer wieder, führt durch die Orte und durch die Münsterländische Parklandschaft. Vier Etappen sind es insgesamt, mit über zehn Stationen inklusive Infotafeln für Groß und Klein. In unserer Jubiläumsausgabe MÜNSTER! #100 (Übrigens gibt’s die älteren Hefte im WN Shop am Picassoplatz!) haben wir bereits das zweite Teilstück zwischen Appelhülsen und Lüdinghausen mit vier Wasserburgen vorgestellt. Diesmal nehmen wir uns die vierte und letzte Etappe vor, von Olfen nach Haltern, und wandeln sie zu einer Rundroute ab. Im Mittelpunkt steht auch hier das Wasser der Stever.
WILDE LANDSCHAFT
In Olfen ist die Stever längst ein breiter Strom. Im Rahmen der Renaturierungsvorhaben startete 2002 das Beweidungsprojekt Steveraue mit Heckrindern und Konikpferden. Heute kann man von der Aussichtsplattform an der Schützenstraße mit viel Glück die Tiere beobachten – oder man trifft sie an warmen Tagen am Nordufer der Stever: Vom Radweg aus erhascht man ab und an einen Blick, wie sie im Wasser oder im Schutz des Schilfes stehen. Oder zwischen mannshohen Disteln. Die Schweife der Pferde schlagen nach den Fliegen. Fast wie pure Wildnis – wären im Hintergrund nicht die neugebauten Einfamilienhäuser mit Pool im Garten zu sehen.
Ähnlich wie in den Beweidungsprojekten an der Ems sollen die halbwild lebenden Tiere durch ihre Wanderrouten und das Fressverhalten die Landschaft neu formen. Reformieren quasi. So wandelt sich die einst begradigte und gebändigte Stever auf 120 Hektar wieder in Richtung Auenlandschaft. Bei Olfen teilen sich Ober- und Unterlauf. Eine Nebenrinne verläuft durch das Weidegebiet und verbindet die alten Flussarme. So haben die Fische wieder die Möglichkeit zu wandern. Die abgestorbenen Bäume und die Weiden im Wasser sind eine Reminiszenz an die alten Auenwälder. Diese wilde Steveraue beobachten Radfahrer und Fußgänger von den Wegen und von der Brücke der Steverstraße aus: etwa Wildgänse, Eisvögel, Uferschwalben, Fischreiher, Störche und Enten auf dem Wasser.
AUF DEM FLOSS ÜBER DEN FLUSS
Ein ganz besonderes Erlebnis bietet die Stadt Olfen an: Ehrenamtliche Floßfahrer nehmen bis zu 15 Personen mit auf das Elektro-Floß Antonia und erzählen über das Naturprojekt, über die Geschichte der Stever und die Entstehung der Auen – insgesamt kostet das 70 Euro. Start ist jeweils der Floßanleger an der Kökelsumer Brücke. Bis Sonntag, 9. Oktober, legt Antonia noch ab.
Kurz vor dem Floßanleger empfiehlt sich ein Abstecher und eine Einkehr bei Kaffee und (Flamm-)Kuchen im Kökelsumer Hofcafé mit Bauernladen. Wer lieber picknickt, findet ein idyllisches Plätzchen hinter der Füchtelner Mühle. Im stillen Steverwasser spiegeln sich die Backsteine und das rote Ziegeldach. Seit 700 Jahren wird das Wasser für die Mühle genutzt. Heute liefert die Wasserkraft der Stever Strom für etwa 100 Menschen.
SEE IN SICHT
Richtung Hullern und Haltern am See erleben die Fahrradfahrer eine große Verwandlung der Stever und der Landschaft: Erst taucht man ein in Waldgebiete. Kiefern verströmen ihre ätherischen Düfte, die Räder rollen über feste Sandwege. Dann wird der Fluss auch noch zum See. In Hullern staut die Talsperre das Wasser auf. Weil Haltern auf mächtigen Sandböden liegt, kann das aufgestaute Seewasser ins Grundwasser sickern und so wird es mengenmäßig angereichert. Seit den 1930er Jahren ist die Stever ein Speicher für eins der größten Wasserwerke Europas. So steht es auf der Infotafel am Steverufer. Etwa eine Million Menschen würden mit Trinkwasser versorgt werden. Deshalb ist der See seit 1988 Wasserschutzgebiet.
Nach dem Hullerner Stausee folgt der Halterner Stausee. Bei warmen Temperaturen lockt das Seebad Haltern mit über 800 Meter langen Sandstrand. Wie am Meer. Was übrigens das Ziel der Stever ist: Sie mündet in Haltern in die Lippe, später in den Rhein und dann in die Nordsee.
UNSER TOURENVORSCHLAG
Das Finale der Steverlandroute
AUSGANGS- UND ZIELPUNKT: Haltern am See, Bahnhof per Zug von und zurück nach Münster
LÄNGE: etwa 43 Kilometer
REINE FAHRTZEIT: etwa drei Stunden
MARKIERTE WEGE: Zwischen Haltern und Ahsen die Route D7, am Wesel-Datteln-Kanal bis zum Knotenpunkt 34. Von Olfen nach Haltern das geschwundene „S“ der Steverlandroute. Die Knotenpunkte nach der ADFC-Radkarte Münsterland: Ab Haltern 34, 22, es folgt eine „knotenpunktlose“ Strecke bis 98. Dann 50 in Olfen und wieder zurück über die 98, 32, 22, 15 (Haltern).
Vom Bahnhof Haltern am See (1) fahren wir los Richtung Wesel-Datteln-Kanal (2) . Am Kanal entlang Richtung Osten bis zum Knotenpunkt 34. Dort links auf dem Flaesheimer Damm die Straße entlang, die über die Stever führt (3). Der eigentlichen Steverlandroute entgegengesetzt Richtung Hullerner Stausee fahren und auf der nördlichen Uferseite bleiben. Dort die befestigten Wege Richtung Osten nehmen, bis man an der B58, Halterner Straße rauskommt (4) . Diese kreuzen und Richtung Kökelsumer Hof-Café (5) auf der Nebenstraße bleiben. Von dort Richtung Stever und dann links Richtung Olfen. Am Naturschutzgebiet entlang, zur Steverstraße über den Fluss (6) , Blick auf die renaturierten Flussauen und in den Ort hinein. Nach einerPause im Ort (Eisdiele!) (7) anfänglich dieselbe Strecke zurück. Nach der Füchtelner Mühle (8) immer der Steverlandroute folgen. Durch den Wald bis nach Hullern (9) , zwischen dem Hullerner und Halterner See die Uferseite wechseln und am Halterner Stausee entlang bis nach Haltern zum Bahnhof – oder zum Seebad (10).