Mit dem Fahrrad
Die Magie der Kakesbeck
Der Lieblingsblick von Sylvia Steinhoff ist der auf die Dreibogenbrücke der Burg. Dort steht auch die Ruine des alten Süttores der Burg Kakesbeck, umrankt von Efeu. Caspar David Friedrich, der Romantikmaler aus Greifswald, hätte seine Freude an dem Motiv gehabt. Nun lässt sich Sylvia Steinhoff davon inspirieren. Sie ist Illustratorin und Fotografin und bildet die Dreibogenbrücke immer wieder ab: tief verschneit, geheimnisvoll verschwindend im Herbstnebel, unter romantisch rosarotem Abendhimmel oder wie im Märchen mit frostüberzogenen Bäumen und Büschen. Umgekehrt blicken von außen, von der Straße hinter der Brücke, die Fahrradfahrer auf das Wasser und auf die Burgmauern und stellen sich vor, wie es wohl auf der anderen Seite aussehen mag.
Burgfräulein auf Miete
Anders als bei den benachbarten Burgen Vischering und Lüdinghausen ist Burg Kakesbeck privat und nur bei gebuchten Führungen zu besichtigen. Es ist eine Burg im Werden, im Wiederaufbau seit über 50 Jahren. Sylvia Steinhoff ist dabei in einer besonderen Lage: Sie lebt in einer Mietswohnung auf der Burg. „Ich habe 2004 in der Zeitung die Anzeige gelesen: ‚Wohnen auf einer Burg‘, und war sofort neugierig“, erzählt sie. Der damalige Burgherr und Burgretter Dr. Wilfried Gerwing gab ihr den Mietvertrag, und seit fast 20 Jahren wohnt sie nun auf Kakesbeck in der Kornmühle, mit Terrasse zwischen Wehrmauer und Kapelle. „Gleichzeitig lebe ich seitdem auch auf einer Baustelle“, lacht sie und ist stolz darauf, dass sie die Wiederbelebung der Burg hautnah mitbekommt. Als sie eingezogen ist, schaute sie an der Fassade des Herrenhauses noch in eine fensterlose Ruine. Das Herrenhaus befindet sich auf der Hauptburg. Kakesbeck war eine der größten mittelalterlichen Wehranlagen des Münsterlandes. Und sie hat eine urlange Geschichte. Erste Spuren auf der Steverinsel von einst stammen von Gräbern 3.000 Jahre vor Christus.
Römerstraße und eiserne Hand
Im Jahr 50 n. Chr. führte eine römische Heerstraße vorbei. Um 800 kam Kakesbeck in die Hand eines fränkischen Kriegers, der den Namen „Kakar“ führte. Aus den Namen „Kakar“ und „Becke“ (für Bach oder Fluss) entstand „Kakaresbeki“ und schließlich „Kakesbeck“.
Es war ein mit Palisaden befestigter Wehrbauernhof, kam dann in den Besitz der Benediktinerabtei Werden. Durch Tauschgeschäfte wurde 1322 der Ritter Bernhard von Wulfheim Droste zu Vischering der Burgherr, und er baute aus: Davon sind heute noch die Kornmühle übrig, Teile des späteren Soldatenhauses und Wehrmauern. In den besten Zeiten erreichte das Burggelände eine über einen Quadratkilometer große Fläche.
Durch Heirat kam die Burg in den Familienbesitz der von Oers. Hier gehört die Geschichte des Eisernen Halsbands hinein: In Sichtweite zur Burg, eine Gedenktafel am Straßenrand erinnert daran, wurde Burgherr Lambert von Oer (1440– 1522) überfallen und bekam von seinem Angreifer einen zwei Kilo schweren Eisenring um den Hals verpasst. Der 80-jährige Burgherr ritt nach Münster (was für eine Strecke für den alten Mann und die sperrige Halskrause!), und ein geschickter Schmied konnte ihn befreien. Das Stachelhalsband ist als Nachbildung auf Burg Kakesbeck zu bestaunen, das Original liegt im Museum der Burg Vischering.
Faszination Burg
Von der Faszination Burg muss man tief infiziert sein, sonst würde sich keiner in die Arbeit, Mühe, Investitionen stürzen. So wie Dr. Wilfried und Hildegard Grewing. Die beiden kamen aus Kettwig an der Ruhr und kauften die Burg 1971 dem Landwirt Josef Bolte ab. Zu dieser Zeit war nicht mehr viel von der Burganlage übrig. In den 1950er Jahren war die Wohnungsnot größer als der Denkmalschutzgedanke. So entstanden auf dem Burggelände 14 Siedlungsplätze für Einheimische und Flüchtlinge aus Schlesien sowie ein 26 Hektar großer landwirtschaftlicher Betrieb.
Dr. Wilfried Grewing leitete multinationale Konzerne, war Vorstand einer AG sowie ehrenamtlicher Richter und ließ seit 1971 die Burg archäologisch erforschen, restaurierte, baute die Kapelle neu, gab Porträts und Illustrationen bei dem Münsteraner Künstler Andreas Raub und dem in Dortmund lebenden Künstler Mathes Schweinsberger in Auftrag. Auch Sylvia Steinhoff leistete hier ihren Beitrag. Die Mieterin erzählt bewundernd von Wilfried Grewing: „Er hat phantastische Führungen gemacht, war geschichtlich wahnsinnig bewandert und wollte immer sein Wissen weitergeben“. Der Burgherr sammelte Bücher und historisches Mobiliar. Er wollte die Burg öffentlich machen, sobald sie begehbar war, ist aber 2020 gestorben.
Schon 2015 ging die Burg Kakesbeck in die Dr. Wilfried und Hildegard Grewing Stiftung über. Der Sendener Architekt Bernd Sparenberg ist Vorsitzender der Stiftung und übernimmt heute oft die Führungen. Dann zeigt er gerne die Bibliothek, in der drei Bibeln aus dem 17. und 18. Jahrhundert liegen, so dick wie zwei Fäuste übereinander. Alte Landkarten zeigen das Münsterland von einst. Eine Standuhr von 1750 wartet auf eine neue Zeitrechnung. Die Bibliothek ist in der Burgschenke eingezogen, denn ob sich eine Gastronomie lohnen würde, daran zweifelt Bernd Sparenberg. Eher lohnen sich themenbezogene Veranstaltungen, wozu sich im Herrenhaus der Kurfürstensaal in der Beletage und der gotische Gewölbekeller besonders eignen.
Die Stiftung für die Burg
Seit 2015 gehört die Burg Kakesbeck der Stiftung Dr. Wilfried und Hildegard Grewing – das Ehepaar hatte die Burg vor 50 Jahren gekauft und baute nach und nach aus zwei alten Bauernhöfen die Burganlagen wieder an ihrem historischen Standort auf. Stiftungsvorsitzender ist Bernd Sparenberg, Architekt aus Senden. Zur Stiftung gehören unter anderem Keramikfunde, historische Bücher, Urkunden und Karten, sowie Waffen und Schränke. Ziel der Stiftung ist, Menschen Wohnraum zu bieten, ein historisch-kulturelles Zentrum und atmosphärischer Veranstaltungsort zu werden. Die Reitanlage Zentrum für pferdegerechtes Reiten von Miryam Husain neben der Burganlage ist im Eigentum der Stiftung. Führungen bis zu 20 Personen sind nach Anmeldung unter fuehrungen@burg-kakesbeck.org (5 Euro pro Person, Mindestbetrag 50 Euro) möglich.
Zauberkunst zwischen Wehrgang und Gräften
Die Stiftung der Burg Kakesbeck arbeitet künftig mit der Stiftung Zauberkunst aus Appelhülsen zusammen. Letztere kümmert sich um eine Sammlung von Dokumentationen der Zauberkunst, von Zauberkästen, Geräten, Requisiten, Plakaten und Dokumentationen. Man will Spielstätte und Museum sein. Und die Bedeutung der Zauberkunst als kulturelles und gesellschaftliches Gut öffentlich machen. Im September 2021 haben beide Stiftungen zusammengefunden. Die Zauberkunst soll im Bauhaus der Burg einziehen. Auf der todoListe stehen: Brand und Denkmalschutz, Barrierefreiheit, Energieversorgung, Wasser und Abwasser, Lüftung und Heizung. Um gemeinsam zu planen und Fördergelder zu beantragen, ist eine Machbarkeitsstudie nötig. Deshalb ist eine zeitliche Prognose für einen Einzug noch nicht möglich. Hier hilft nicht mal Hokuspokus!
Faszination ohne Zeitplan
Im Hof zwischen Burgschänke, Bauhof und Her- renhaus stehen noch Betonmischer und andere Bauutensilien. Es ist noch viel zu tun. Das Wer- den der Burg geht weiter. Kakesbeck ist zwar schon viel Burg, doch auch noch viel Baustelle. Für die Frage, wann Kakesbeck so öffentlich wie Vischering wird, gibt es noch keine Antwort. Genau wie die Frage nach dem Spuk: „Zumindest fliegen die Fledermäuse tief “, lacht Sylvia Steinhoff. Sie kennt zwar die Legende der drei kopflosen Kälber, die im Gewölbekeller ihr Unwesen treiben und die Geister der drei Söhne von Oers sein sollen. Aber größeres Interesse hat Sylvia Steinhoff an dem historischen Schrank, der dort steht: „Nur ist der mit 2,60 Metern immer noch ein paar Zentimeter zu hoch für meine Mietwohnung in der Kornmühle ...“
Von A nach B – vom Bahnhof Appelhülsen zur Burg Kakesbeck
Vom Bahnhof Appelhülsen (1) auf der Hauptstraße rechts und nach der Bahnbrücke links, den Radwegeschildern folgen. Vorbei an den Appelhülsener Rieselfeldern, entlang der Stever bis nach Senden (Pause am Schloss Senden (3) oder Kaffee und Kuchen auf Hof Grothues-Potthoff (2) ). Der ausgeschilderten 100-Schlösser-Route bzw. Steverlandroute folgen – an der Kanalpromenade bis zur Brücke, über den Kanal und über die Alte Fahrt bis zu einer T-Kreuzung, dort rechts den schmalen Straßen zur Burg Kakesbeck (4) folgen. Besichtigung von außen möglich – oder Sie buchen eine Führung. Aus der Burg ’raus und rechts zur Kreuzung der Hauptstraße, diese queren. Entweder nimmt man die Abkürzung (5) hinter dem Reitverein Lüdinghausen vorbei, parallel zur Hauptstraße L 835 (Hiddingseler Straße) und wieder (etwas westlicher von Senden) über die Alte Fahrt und den Kanal Richtung Hiddingsel – oder man folgt der 100-Schlösser-Route bis Berenbrock und kurz vor Lüdinghausen nimmt man den Radweg über die Kanalbrücke (6) am Klutendamm, dort rechts und zurück entlang des Kanals Richtung Norden. An der Kreuzung Richtung Hiddingsel und dort auf dem Radweg über Schölling zurück nach Appelhülsen.