Nachhaltig & Regional
Alte Gemüse und frische Ideen
erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 120 (Januar 2023)
Bereits seit 100 Jahren beliefert die Familie von Tobias Weiner Münsters Wochenmarkt. Frisch gepressten Orangensaft gab es freilich damals noch nicht am Stand der Ladbergener. Heinrich König, der Stiefvater von Tobias Weiners Großmutter, machte sich direkt nach dem Ersten Weltkrieg auf den Weg nach Münster, da seine Landwirtschaft in der Heide-, Moor- und Feuchtwiesenlandschaft vor Ort in Ladbergen nicht genug einbrachte. Er verkaufte in Münster alles, was „die Leute in der Stadt“ brauchten, vor allem Kartoffeln, Eier, Obst und Gemüse, aber auch Honig, Geflügel und sogar Sträucher aus dem eigenen Garten. Tobias Weiners Großeltern Adele und Heinz führten das Geschäft später weiter, auf sie folgten die Eltern Weiner, Helmut und Brigitte. Und natürlich nahmen diese ihren Filius Tobias auch schon als Steppke mit zum Markt.
Nach der 10. Klasse entschied sich Tobias Weiner dann zunächst für eine Ausbildung zum Landmaschinenschlosser. Im Laufe seiner Berufstätigkeit arbeitete er auch in der Industrie. Das ist sehr spannend, denn ausgerechnet in Ladbergen gab es damals die deutschlandweit einzige Mühle zum Schälen von Sonnenblumenkernen. In der Goldenen Mühle, die inzwischen hier nicht mehr existiert, wurden die kleinen Kerne im ganz großen Stil geschält und unter anderem für die deutsche Brotproduktion verarbeitet. Landmaschinen-Schlosser Tobias sorgte hier einige Jahre dafür, dass die Mühle auch mahlt.
Als seine Eltern 2017 nach einem langen und anstrengenden Hof- und Marktleben in Rente gehen wollten, war Tobias Weiner 25 Jahre alt. Sie ließen ihm freie Wahl, ob der Betrieb eingestellt werden sollte – oder ob er ihn weiterbetreiben wollte. „Ich versuch’s!“, sagte Tobias entschlossen und ist nun seit fünf Jahren selbst der Landwirt auf dem eigenen Hof und Marktbeschicker in Kinderhaus (Donnerstag), Nienberge (Freitag) und auf dem Domplatz in Münster. „Ist doch schade, etwas aufzugeben, wofür die Eltern ein Leben lang gearbeitet haben“, findet Tobias Weiner.
Eier, Kartoffeln, Gemüse, Obst – so einfach war der Vierklang des elterlichen Hofs, Brigitte Weiner hatte zusätzlich einen Geflügelstand. Tobias Weiner selbst hat das Sortiment inzwischen immer wieder angepasst, erweitert und „am Kundenwunsch entlang“ modifiziert. Über die Option mit dem frisch gepressten Orangensaft etwa, der jetzt bei allen Generationen von Kundinnen und Kunden besonders beliebt ist, musste er erstmal nachdenken. So eine Maschine muss ja neben dem Standgeschäft bedient, dann auch immer wieder gesäubert und regelmäßig gewartet werden. Inzwischen hat sich das Konzept auf jeden Fall für ihn bewährt.
Besonders stolz ist Tobias Weiner auf seine superfrischen Saisongemüse vom eigenen Acker, gerade etwa den kräftigen Grünkohl. „Den schneide ich jetzt und morgen früh können Sie ihn ganz frisch auf dem Markt kaufen“, freut sich Weiner, als wir ihn am Vorabend eines Markttages interviewen. Auch seine Kartoffelvielfalt bedeutet ihm, der selbst auch besonders gern Kartoffeln isst, sehr viel: Egal ob festkochend, mittelfest oder mehlig, auf seine Sorten wie etwa die Annabelle, Linda, Cilena oder Berber ist der Landwirt sichtlich stolz. „Auch die Bamberger Hörnchen sind klasse, damit habe ich begonnen, weil die Kunden genau danach gefragt haben“, so der Marktbeschicker, der direkt einräumt, dass man „Neues aber erstmal gut erproben muss“, bis sich Anbau und Vermarktung richtig lohnen.
Viele Ideen machen viel Arbeit: Gut, dass Stephan, einer seiner zwei älteren Brüder, in der Nähe ist und bei Hofarbeiten immer wieder nach seinem eigenen Feierabend mit anpackt, schließlich gibt es viel zu tun, etwa reichlich Gemüse zu ernten! Die Markttage selbst sind natürlich lang und anstrengend: Um 3.45 Uhr klingelt der Wecker, abends gegen 18 Uhr ist Tobias Weiner schließlich „fertig mit dem Tag“. In der raren Freizeit abseits von Hof und Markt sind Landmaschinenausstellungen spannende Ausflugsziele oder auch „mal Essengehen mit der Freundin“, wenn es gut läuft, sitzten auch mal eine Woche Betriebsferien drin: „Dann geht es mal ans Wasser, man muss ja auch mal was anderes sehen“, so Tobias Weiner. Das sind natürlich Ausnahmen, denn 30 Hektar wollen bewirtschaftet werden, Rotkohl, Weißkohl, Wirsing und „alles, was in die Suppe kommt“, etwa Sellerie, Porree und Möhren, wollen gehegt und geerntet werden. Richtig allein ist Tobias Weiner dabei nie: Berner-Sennen-Mischling Pia ist dabei stets an seiner Seite.
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