Menschen
Der radelnde Fotograf
Zuerst erschienen im MÜNSTER! Magazin #109 (Januar 2022).
„Wie willst Du das denn machen?“ Freunde und Berufskollegen waren doch ein bisschen erstaunt, als Christoph Steinweg ihnen eröffnete, dass er nun als radelnder Fotograf in Münster unterwegs sein würde. Und wer schon mal gesehen hat, was ein Profi-Fotograf so alles mitbringt zu Fotoshoots, der ahnt, dass das neue Mobilitätskonzept von Christoph, genannt Chris, durchaus herausfordernd ist. Kameras, Stative, Licht und Blitz, Akkus, Laptop, Objektive – die Liste der Einzelteile, die in der Box seines Cargo Bike Monkeys-Radlader untergebracht sind, ist lang. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein (Rad-)Weg. So packt Chris in mühevoller Kleinarbeit für seine Fahrten zum Fotoset alle Einzelteile stoßfest verstaut und achtsam gesichert ein und schwingt sich dann mit gut 35 Kilo Extragewicht aufs Lastenrad.
„In der Fotobranche wird insgesamt viel zu wenig über Nachhaltigkeit nachgedacht“, findet Chris. Und als Ur-Münsteraner ist er schon seit Kindesbeinen viel Rad gefahren. Ein Cargobike für den Job lag nahe. Mit E? Neee. „So lange ich fit bin und fahren kann radle ich ohne E-Mobilität“, sagt Chris, der als passionierter Radfahrfan nach eigenem Bekunden ein halbes Dutzend Fahrräder sein eigen nennt. „Jedes Rad hat seinen Zweck!“, lacht er. Und weil sie alle auch ihren Platz benötigen, steht aus seiner persönlichen Kollektion aus „Renn-, Cross-, Sport- und Stadträdern“ unter anderem eins griffbereit im Flur, ein anderes hängt „dekorativ an der Wand“. Immer nur bis zur nächsten Tour, versteht sich. Gefördert wurde die Lastenradanschaffung nicht. Diese Option gab es nur für die E-Varianten. Chris hat dennoch investiert, er schätzt die Bewegung an der frischen Luft, kommt staufreier zum Ziel, hat keine Parkplatzprobleme und fährt mit seinem gesamten Gefährt auch mal direkt bis ans Fotoset – im Zweifel auch durch ein Foyer in den Konferenzraum hinein oder mit dem Aufzug samt Fahrrad und Gepäck zum Fotoshoot im siebten Stock.
„Damit leiste ich meinen Beitrag zur autofreien Innenstadt.“ CHRISTOPH STEINWEG
Der Rahmen für seinen „Radlader“ (guter Name!) von den Cargo Bike Monkeys kommt aus Polen, wird aber in Gremmendorf aufgebaut und zusammengeschraubt. Die dritte Generation dieser Art Lastenrad aus Münster ist leicht, fahrstabil, mit gleichmäßiger Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad konzipiert und so durch zuverlässig geschützte intern verlegte Seilzuglenkung mit minimalem Wendekreis und optimalem Handling versehen. „ ... what we really need is a revolution“ ist auf der Cargo Bike Monkeys Website zu lesen. Chris ist hier gerne Teil dieses Aufbruchs mit mehr Radverkehr und weniger Automobilität. Auch wenn er seinen Part als einen ganz kleinen sieht. Wir finden: Jeder Schritt – oder beim Rad vielleicht besser formuliert: jeder Tritt – zählt.
Seit vier Jahren ist der in Gremmendorf aufgewachsene Fotograf selbständig, er wurde 1992 im Franziskus Hospital geboren, hat sein Abi am Ratsgymnasium „gebaut“, assistierte bei Peter Wattendorff, Stephan Sagurna und Greta Schüttemeyer, absolvierte seine (wie er dankbar betont „sehr gute“) fotografische Ausbildung am LWL als Architektur- und Industriefotograf, bei den LWL-Museen für Kunst und Kultur sowie für Naturkunde gehört er seitdem zum fest-freien Fotografenstamm. Zu Chris’ Portfolio gehören Corporate-, Lifestyle- und Reportagefotografie, die Kundenliste ist lang, und wir führen hier mal nur stichwortartige Auszüge auf, etwa Aldi Nord und Süd, Beiersdorf, Bosch, Deutsche Bahn Cargo, Mercedes Benz, Oakley, Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, Münsterland e.V., Sportamt Münster, WWU Münster und Wirtschaftsförderung Münster. Selbstredend, dass Aufträge für Kunden in Hamburg, Berlin und Frankfurt oder gar internationale Reisen für Projekte nicht mit dem Lastenrad erledigt wurden oder geplant sind. „Das ganze Geradle hält mich natürlich auch fit“, schmunzelt Chris, dafür sorgen aber auch der bewegungsfreudige Labrador Retriever Henry und andere sportliche Aktivitäten.
Engagiert sowie im Rahmen der eigenen Möglichkeiten „achtsam“ unterwegs zu sein. Und ebenso mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen. Das ist dem Fotografen ein Anliegen. Im Rahmen einer Fotoreise nach Honduras mit anschließender Ausstellung und Katalogproduktion gründete er mit Freunden einen ehrenamtlichen Verein zur Förderung honduranischer Kaffee- Kleinbauern. Die Ernte einer Dorfkooperative wird nun im direkten Handel ohne Zwischenhändler und klimafreundlich per Schiff nach Hamburg geliefert, dann vom manoamano e. V.- Team verpackt und ausgeliefert. Der gesamte Profit geht an die Bauern in Honduras. Die Wertschöpfung funktioniert, eine Tonne Kaffee ist gerade wieder in der Verteilung. Respekt und danke für dieses Engagement. Und merci auch für das alltägliche Lastenradradeln, das auf unsere autofreiere Innenstadt und unser Klima einzahlt.