In Schwarz-Weiß schreibt Berthold Socha seine persönliche Geschichte der Stadt Münster. Hier erzählt er anhand ausgewählter Bilder von seiner Liebe zur Fotografie.
Text: Christoph Schwartländer
Das Porträt erschien im MÜNSTER! Magazin No. 95 (Oktober 2020). Berthold Socha verstarb im September 2021 im Alter von 80 Jahren.
Vor einem Jahr hat Berthold Socha dem Stadtmuseum Münster sein Fotoarchiv geschenkt. Es beinhaltet mehr als 160.000 Negative: einzigartige Zeitzeugnisse von den 1960er Jahren bis heute. Die Schenkung und sein 80. Geburtstag sind Anlass für die Retrospektive Auf Münster fixiert, in der außergewöhnliche Fotos aus 50 Jahren präsentiert werden. Denn Motive findet Berthold Socha vor allem in Münster, wo er seit 1955 lebt. Beim Gespräch zu Hause in Kinderhaus öffnet Berthold Socha ein Paket mit Bildern auf Barytpapier. Um die Ausstellung und den dazu erscheinenden Katalog vorzubereiten, durchforstete er die Ordner der vergangenen Jahrzehnte – und holte dabei längst verblasste Münster-Momente ans Tageslicht. „Fotografie ermöglicht uns, eine Erinnerung wachzurufen“, erläutert Berthold Socha. „Sie hilft zu verstehen, was war und was ist.“ Daher seien nun vermehrt ältere Aufnahmen ab 1970 zu sehen, „weil sie Münster zeigen, wie es kaum noch jemand kennt“.
Die eigene Fotografie zu ergründen, bedeutet für Berthold Socha auch, von seiner Kindheit in Großenkneten nahe Oldenburg zu berichten. Vor dem Zweiten Weltkrieg hätten seine Eltern dort eine Dunkelkammer eingerichtet. Im Gedächtnis ist ihm, wie seine Mutter, eine begeisterte Amateur-Fotografin, von selbst gemachten Aufnahmen der Olympischen Winterspiele 1936 schwärmte. „Sie riet mir, nichts zu inszenieren, die Dinge so zu fotografieren, wie sie mir begegnen“, sagt er. Ein Vorfall, der sich 1944 auf der Flucht der Familie ereignete, prägte ihn. Berthold Socha schildert eine Zugfahrt, bei der ein junger Soldat sämtliche Gepäckstücke durchwühlte. „Meiner Mutter raubte er ihre Leica. Und alles, was sie an Fotografien und Negativen mitgenommen hatte, warf er aus dem Fenster. Sie hat fürchterlich geweint. Erst Jahre später sprachen wir darüber. ‚Das war mein Leben‘, sagte sie.“ Die Daci Box, seine erste Kamera, die ihm seine Mutter kaufte als er elf war, bewahrt Berthold Socha in einer Vitrine im Wohnzimmer auf. Vermutlich hielt er schon damals bevorzugt flüchtige Momente fest, in denen etwas harmoniert, das in der nächsten Sekunde vorübergezogen ist.