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IN DIE ZUKUNFT GESCHAUT: HERLINDE KOELBL
erschienen im MÜNSTER! Magazin No. 120 (Januar 2023)
Erinnern Sie sich an den Bilderbogen, der Angela Merkel in über 30 Jahre festgehaltenen Porträts zeigt, überschrieben mit Spuren der Macht? Oder an das bekannte Buch Das deutsche Wohnzimmer? Projekte wie diese sind typisch für die Fotokünstlerin Herlinde Koelbl. Sie konzipiert inhaltliche und fotografische Langzeitstudien, die sich intensiv mit den Menschen vor ihrer Linse auseinandersetzen. Für die große Ausstellung, die derzeit und noch bis Anfang Februar als Kooperation zwischen der Friedrich-Hundt-Gesellschaft und dem Stadtmuseum Münster gezeigt wird, sprach die renommierte deutsche Fotokünstlerin Herlinde Koelbl mit gut 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter Nobelpreisträger und kluge Köpfe aus aller Welt. Sie bat diese, die Essenz ihrer Forschung in der eigenen Handfläche zu notieren. Und dann porträtierte sie die Angefragten fotografisch, jedes Motiv zeigt die Persönlichkeit, und zwar „nah dran“, im Kontext mit Handfläche und Notiz. Und die Wirkung dieser Porträts ist faszinierend.

Spezial-Know-how, ein kluger Gedanke, ein Augenzwinkern: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Herlinde Koelbl an vielen ihrer Forschungsorte persönlich besucht hat, notierten ganz unterschiedliche Zahlenspiele, Worte und Zeichen in ihre Handflächen. Und auch die Art, wie sie ihre Hände in die Kamera strecken, differiert stark und hat etwas Spielerisches, das in starkem Kontrast zu dem Weltwissen steht, das diese Menschen verkörpern und in die Zukunft tragen.


Die Kraft der Wissenschaft an sich war es vielleicht auch, die Koelbl zu diesem Projekt motivierte. Denn wegweisende Forscherinnen und Forscher zu befragen und zu zeigen symbolisiert auch deren Wirkmacht, wenngleich das Menschliche ihrer Genialität genauso aus den Bildern herausspringt. Wie tief hier die Projektforschung Koelbls geht, zeigt auch das Buch, das die 2015 von ihr gestarteten Gespräche und Fotografien zu diesem Thema zusammenfasst: Der Titel „Faszination Wissenschaft“ ist eine inspirierende und „erhellende“ Lektüre (35 Euro, im Stadtmuseum und im lokalen Buchhandel zu erwerben). Wer hier nun aber lauter verkopfte und professorale, dröge Einsiedler erwartet, liegt falsch. In den Worten, Blicken und Handflächen der Experten ist zwischen den Zeilen auch so manche Verschmitzheit zu lesen.


Ein smarter Zug ist es zudem auch, die aktuelle Ausstellung mit dem lokalen Bezug zur hiesigen Wissenschaftsszene zu präsentieren. In enger Zusammenarbeit mit der WWU Münster setzt ein Begleitprogramm das zu Sehende immer wieder in Kontext zur aktuellen Forschung – und zu ihren Treibern. Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eben „auch Menschen sind“ und wie viel Forscherdrang, Leidenschaft und Emotionalität hier mitspielen: Herlinde Koelbl hat es für uns eingefangen. Spannend!
Begleitende Veranstaltungen:
Samstag, 14. Januar, 16 Uhr: Meet a Scientist – Biologin Nicole van Deenen
Samstag, 28. Januar, 16 Uhr: Meet a Scientist – Mathematikerin Theresa Simon